Wahlrechts-Urteil des itVerfG v. 13.1.2014 / Übersetzung

Das Volk tut seinen Willen in Wahlen kund

Die  „sentenza no. 1“ v. 13.1.2014 der Corte costituzionale in Rom ist  im Internet zugänglich unter: www.cortecostituzionle.it. Das spektakuläre Urteil des itVerfG  zum Wahlrecht hat zu einer grundlegenden Reform des Wahlrechts in Italien geführt, die im Sommer 2015 unter der Bezeichnung „Italicum“ zum Gesetz erhoben wurde. Die Richter in Rom hatten die früheren Erfolgsprämien verworfen, die zuvor der stärksten Partei nachträglich über die Schwelle der absoluten Mehrheit der Mandate verhalf. Zugleich hatten sie die namentliche Auswahl der Kandidaten aus offenen Listen der Parteien verlangt, wie das bei Kommunalwahlen üblich ist. Für den Rechtsvergleich mit Deutschland hat das Urteil große Bedeutung, weil durch die ebenfalls nachgeschobenen Ausgleichsmandate auch hierzulande nachträglich in das Wahlergebnis eingegriffen und bei der Bundestagswahl wie zahlreichen Landtags­wahlen ebenfalls mit starren Listen gewählt wird.

Die Übersetzung besorgte Petra Malfertheiner, Rom.

REPUBLIK  ITALIEN

IM  NAMEN  DES  ITALIENISCHEN VOLKES

hat

DER  VERFASSUNGSGERICHTSHOF

 

zusammengesetzt aus:

–              Gaetano                 SILVESTRI                                         Präsident

–              Luigi                      MAZZELLA                                          Richter

–              Sabino                    CASSESE                                               “

–              Giuseppe               TESAURO                                              “

–              Paolo Maria           NAPOLITANO                                   “

–              Giuseppe               FRIGO                                                  “

–              Alessandro            CRISCUOLO                                       “

–              Paolo                     GROSSI                                                 “

–              Giorgio                  LATTANZI                                           “

–              Aldo                      CAROSI                                                 “

–              Marta                    CARTABIA                                          “

–              Sergio                     MATTARELLA                                  “

–              Mario Rosario       MORELLI                                          “

–              Giancarlo              CORAGGIO                                        “

–              Giuliano                 AMATO                                               “

 

im Normenkontrollverfahren zu Art. 4 Abs. 2, Art. 59 und Art. 83 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 des DPR vom 30. März 1957, Nr. 361 (Genehmigung des Einheitstextes betreffend die Bestimmun­gen für die Wahl der Abgeordnetenkammer), in der Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 2005, Nr. 270 (Änderungen der Bestimmungen für die Wahl der Abgeordnetenkammer und des Senats der Republik); zu Art. 14 Abs. 1 und Art. 17 Abs. 2 und Abs. 4 des gesetzesvertretenden Dekrets vom 20. Dezember 1993, Nr. 533 (Einheitstext der Gesetze betreffend die Bestimmun­gen für die Wahl des Senats der Republik) in der Fassung des Gesetzes Nr. 270/2005, eingeleitet vom Kassationsgerichtshof im anhängigen Zivilverfahren zwischen Aldo Bozzi und anderen und dem Präsidenten des Ministerrates und einem anderen mit Beschluss vom 17. Mai 2013, einge­tragen im Beschlussregister 2013 unter der Nr. 144 und veröffentlicht im Amtsblatt (Gazzetta Ufficiale della Repubblica) Nr. 25, erste Spezialserie, des Jahres 2013

 in Anbetracht der Einlassung von Aldo Bozzi und anderen;

nach Anhörung des berichterstattenden Richters Giuseppe Tesauro in der öffentlichen Verhandlung vom 3. Dezember 2013;

nach Anhörung der Rechtsanwälte Claudio Tani, Aldo Bozzi und Felice Carlo Besostri für Aldo Bozzi und andere;

das nachstehende

URTEIL

erlassen.

Zum Sachverhalt

 1.– Mit Beschluss vom 17. Mai 2013 hat der Kassationsgerichtshof Fragen der Verfas­sungsmäßigkeit der Art. 4 Abs. 2, Art. 59 und Art. 83 Abs. 1 Nr. 5, und Abs. 2 des DPR vom 30. März 1957, Nr. 361 (Genehmigung des Einheitstextes betreffend Bestimmungen für die Wahl der Abgeordnetenkammer), in der geltenden Fassung mit den durch das Gesetz vom 21. Dezem­ber 2005, Nr. 270 (Änderungen der Bestimmungen für die Wahl der Abgeordnetenkammer und des Senats der Republik) angebrachten Änderungen, sowie der Art. 14 Abs. 1 und Art. 17 Abs. 2 und 4 des gesetzesvertretenden Dekrets vom 20. Dezember 1993, Nr. 533 (Einheitstext der Gesetze betreffend die Bestimmungen für die Wahl des Senats der Republik), in der geltenden Fassung mit den durch das Gesetz Nr. 270/2005 angebrachten Änderungen, im Bezug auf Art. 3, Art. 48 Abs. 2, Art. 49, Art. 56 Abs. 1, Art. 58 Abs. 1., und Art. 117 Abs. 1, itVerf, auch gemäß Art. 3, Protokoll 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, unterzeichnet am 4. November 1950 in Rom (nachstehend EMRK), ratifiziert und wirksam gemacht mit dem Gesetz vom 4. August 1955, Nr. 848 (Ratifizierung und Durchführung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, unterzeichnet am 4. November 1950 in Rom, und des Zusatzprotokolls zu dieser Konvention, unterzeichnet am 20. März 1952 in Paris) aufgeworfen.

1.1.– Das verlegende Gericht schickt voraus, über die Beschwerde gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Mailand vom 24. April 2012 entscheiden zu müssen, in welchem das Ober­landesgericht das Urteil erster Instanz bestätigt und somit die Klage abgewiesen hatte, in der ein wahlberechtigter Bürger beantragt hatte, dass festgestellt werden würde, dass sein Wahlrecht nicht gemäß den Verfassungsgrundsätzen ausgeübt werden konnte und ausgeübt werden kann.

Insbesondere präzisiert der Kassationsgerichtshof, dass obengenannter wahlberechtigter Bürger den Präsidenten des Ministerrates und das Innenministerium vor dem Landesgericht Mai­land verklagt hatte, indem der besagte Bürger folgert, dass er bei den Wahlen der Abgeordneten­kammer und des Senats der Republik, die nach Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 270/2005 stattfanden, und im Speziellen bei den Wahlen in den Jahren 2006 und 2008, das Wahlrecht ge­mäß Modalitäten ausüben konnte, die mit dem obengenannten Gesetz eingeführt worden waren und die den Verfassungsgrundsätzen der „persönlichen und gleichen, freien und geheimen“ Wahl (Art. 48 Abs. 2 itVerf.) und „der allgemeinen und unmittelbaren Wahl” (Art. 56 Abs. 1 und Art. 58 Abs. 2 itVerf.) widersprechen. Daher hat der Bürger beantragt, dass bestätigt werden würde, dass sein Wahlrecht nicht frei und direkt ausgeübt werden konnte und ausgeübt werden kann, gemäß den Modalitäten, die von der Verfassung und dem Protokoll 1 der EMRK vorgesehen und garantiert werden, und er hat gefordert, dass es gemäß der verfassungskonformen Modalitäten wiederhergestellt werde. Zu diesem Zwecke hat er die Verfassungswidrigkeit verschiedener Be­stimmungen der Gesetze für die Wahl der Abgeordnetenkammer und des Senats geltend gemacht. Das Landesgericht Mailand, vor dem Nebeninterventionen ad adiuvandum von fünfundzwanzig wahlberechtigten Bürgern befasst wurden, hat mit Urteil vom 18. April 2011 die vorläufigen Einwände der Unzulässigkeit wegen Fehlen der Gerichtsbarkeit und wegen des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses zurückgewiesen und in der Hauptsache hat es die Klagen mit der Erklärung abgewiesen, dass die eingebrachten Einwände der Verfassungswidrigkeit offensichtlich unbegründet wären. Gegen diese Entscheidung wurde Berufung eingelegt, wobei sich dies jedoch auch hinsichtlich der Begründetheit der Einwände der Verfassungswidrigkeit ergab, was in der Hauptsache zurückgewiesen worden war.

1.2.– Vorab bemerkt der Kassationsgerichtshof zunächst, dass nach Art. 100 der Zivilpro­zessordnung zur Frage des bestehenden Rechtsschutzbedürfnisses von Seiten der Kläger und im Speziellen zum Bedürfnis dieser, eine Klage zur Feststellung der Vollständigkeit des Wahlrechts einzubringen, das ein politisches Recht von grundlegender Bedeutung ist und dessen verfas­sungskonforme Ausübung durch das Gesetz Nr. 270/2005 verhindert werde, Rechtskraft einge­treten ist, nachdem die mit der Sache befassten Gerichte die entsprechenden Einwendungen der verklagten Verwaltungen zurückgewiesen hatten und Letztere keine inzidente Berufung erhoben haben.

1.3.– Ferner bekräftigt das vorlegende Gericht, dass auch zur Frage der Rechtsprechung Rechtskraft eingetreten ist, da die Frage nicht erneut eingebracht wurde. Eine Klage zur Fest­stellung eines Rechts hätte andererseits vor keiner anderen Instanz als vor dem ordentlichen Gericht eingebracht werden müssen, dass das zuständige Gericht im Bereich der Grundrechte ist, und würde sich im Bereich der Wahlhandlungen in keinster Weise mit der Gerichtsbarkeit, die den Kammern durch die entsprechenden parlamentarischen Ausschüsse vorbehalten ist (Art. 66 itVerf.), überschneiden.

1.4.– Bezüglich der Relevanz der aufgeworfenen Fragen der Verfassungsmäßigkeit stellt der Kassationsgerichtshof fest, dass diese dadurch gegeben ist, dass die Feststellung der Vollstän­digkeit des Wahlrechts erst nach dem Ausgang der verfassungsrechtlichen Prüfung der Bestim­mungen gemäß Gesetz Nr. 270/2005 erfolgen kann, von denen man annimmt, dass die Ver­letzung des obengenannten Rechts ausgeht.

1.5. – Weiterhin vorab bemerkt das verlegende Gericht schließlich, dass im vorliegenden Fall der notwendige Zusammenhang der Präjudizialität der Fragen der Verfassungsmäßigkeit im Hinblick auf das Hauptverfahren gegeben ist, da dieser mit einem Urteil definiert werden muss, das den Umfang des geltend gemachten Rechts feststellen und es in seinem vollen Ausmaß wiedereinführen müsse, auch wenn dies durch das Urteil des Verfassungsgerichtshofs passieren muss. Das petitum des Hauptverfahrens sei daher vom Gegenstand des Verfahrens zur Verfas­sungsmäßigkeit getrennt und verschieden. Im Falle von Gesetzen allerdings, die unmittelbar ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens die Befugnisse und Pflichten bestimmter Rechtsträger einschränken, wie im vorliegenden Fall der Wahlgesetze, wäre die Feststellungsklage die einzig mögliche Lösung für den Rechtsschutz der Grundrechte, für die es ansonsten keine Möglichkeit eines effizienten und direkten Schutzes gebe.

1.6.– In der Hauptsache schickt der Kassationsgerichtshof entgegen der Annahme der be­fassten Gerichte voraus, dass das Fehlen einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage bezüglich des Wahlgesetzes in der italienischen Verfassung kein Grund zur Annahme ist, dass die diesbe­zügliche Regelung nicht mit den Grundsätzen der Verfassung vereinbar sein müsse und im Speziellen mit dem Gleichheitsgrundsatz als Grundsatz der Angemessenheit, laut Art. 3 itVerf., und mit der Auflage der persönlichen, gleichen, freien und unmittelbaren Wahl (Art. 48 Art. 56 und Art. 58 itVerf.), übrigens im Einklang mit einer fundierten verfassungsrechtlichen Tradition, die in vielen Staaten gleich ist.

Eine Verfassungsrüge gegen das Wahlgesetz kann aufgrund dessen nicht ausgeschlossen werden, dass dieses verfassungsrechtlich notwendig ist, und eine Streichung aus der Rechts­ordnung auch nicht im Falle der Verfassungswidrigkeit möglich sei, da man auf diese Weise die fortdauernde Gültigkeit von verfassungswidrigen Vorschriften mit der Dauer dulden würde, die von grundlegender Bedeutung für das demokratische Leben in einem Land sind. Der Kas­sationsgerichtshof unterstreicht zum anderen, dass die aufgeworfenen Fragen der Verfassungs­mäßigkeit nicht darauf abzielen, „das gesamte Gesetz Nr. 270/2005 gegenstandslos zu machen, und auch nicht darauf, es mit einem anderen Gesetz zu ersetzen und sich dadurch in den Ermessensspielraum des Gesetzgebers einzudrängen”, sondern nur darauf, „verfassungsrechtlich vorgeschriebene Inhalte im Wahlgesetz wiederherzustellen, ohne die ständige Eignung des Wahlsystems zu beeinträchtigen, die Erneuerung der Verfassungsorgane zu gewährleisten”. In diesem Zusammenhang unterstreicht der Kassationsgerichtshof, dass „diese Schlussfolgerung weder entkräftet noch eingeschränkt wird, sollte ein Feinschliff und eine Säuberung des Gesetzestextes aufgrund von rückständigen Fragmenten nötig sein, wobei der Verfassungsge­richtshof von seiner Befugnis Gebrauch machen und diese Arbeit durchführen kann (im Speziellen jene laut Art. 27, letzter Teil, des Gesetzes Nr. 87/1953), oder der Gesetzgeber, indem er die Grundsätze, die der Verfassungsgerichtshof aufgesetzt hat, umsetzt”.

1.7.– Daher beanstandet das verlegende Gericht in erster Linie Art. 83 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 des DPR Nr. 361/1957, insoweit bestimmt wird, dass die nationale Wahlbehörde prüft, „ob das Listenbündnis oder die einzelne Liste, das/die die höchste Anzahl von gültigen abgegebenen Stimmen erhalten hat, wenigstens 340 Sitze erreicht hat” (Abs. 1, Nr. 5) und festlegt, dass, sofern dies nicht der Fall ist, diesem/r jene Anzahl von Sitzen zugewiesen wird, die für die Erreichung besagten Wertes notwendig ist.

Diese Bestimmungen würden auf unangemessene Weise eine objektive und schwerwiegende Entstellung der demokratischen Vertretung bewirken, indem sie die Zuweisung des Mehrheits­bonusses nicht von der Erreichung der Mindestschwelle abhängig machen, und dadurch eine relative Stimmenmehrheit, die möglicherweise auch sehr geringfügig ist, in eine absolute Mehr­heit der Sitze umwandeln würden.

Ferner hätten diese Bestimmungen ein offensichtlich unangemessenes Prämiensystem geschaffen, das zum einen, indem es die Vereinbarungen zwischen Listen mit dem Ziel, den Bonus zu erhalten, fördert, im Widerspruch mit der Forderung stehen würde, die Regierbarkeit zu gewährleisten, da die Möglichkeit besteht, dass sich das Bündnis, das in den Genuss des Bonusses kommt, auch unmittelbar nach den Wahlen das Bündnis auflöst, oder dass eine oder mehrere Parteien aus dem Bündnis austreten. Zum anderen würde dies eine Entstellung des institutionellen Gleichgewichts bewirken, wobei die vom Bonus begünstigte Mehrheit die Ga­rantieorgane, die über die Legislaturperiode hinaus im Amt bleiben, wählen könnte.

Die Anwendung der Zuweisung des Mehrheitsbonusses, die von den obengenannten Bestim­mungen vorgesehen ist, würde die Wahlgleichheit und damit die „Gleichheit der Bedingungen der Bürger zum Zeitpunkt der Stimmabgabe” beeinträchtigen, und dadurch Art. 48 Abs. 2 itVerf. verletzen, wobei die Verzerrung durch die obengenannte Zuweisung des Bonusses zwar keine reine, tatsächliche Unannehmlichkeit darstellen würde, sondern das Ergebnis eines irrationalen Mechanismus wäre, da dieser gesetzlich geplant wäre, um dieses Ergebnis zu erreichen.

1.8.– Ähnliche Beanstandungen beziehen sich schließlich auf Art. 17 Abs. 2 und Abs. 4 des GvD Nr. 533/1993, insoweit vorgesehen wird, dass die regionale Wahlbehörde prüft, „ob das Listenbündnis oder die einzelne Liste, das/die die höchste Anzahl von gültigen Stimmen innerhalb des Wahlkreises erhalten hat, wenigstens 55 Prozent jener Sitze erreicht hat, die der Region zugeteilt sind, mit Aufrundung auf die nächste ganze Zahl” (Abs. 2) und dass, sofern dies nicht der Fall ist, „die regionale Wahlbehörde jenem Listenbündnis oder jener einzelnen Liste, das/die die höchste Anzahl von Stimmen erhalten hat, eine weitere Anzahl von Sitzen zuweist, die nötig ist, um 55 Prozent jener Sitze zu erhalten, die der Region zugeteilt sind, mit Aufrundung auf die nächste ganze Zahl” (Abs. 4).

Auch die obengenannten Bestimmungen würden insoweit sie die Zuweisung des Mehrheits­bonusses auf regionaler Ebene nicht von der Erreichung der Mindestschwelle abhängig machen, eine objektive und schwerwiegende Entstellung der demokratischen Vertretung bewirken.

Diese Bestimmungen würden ferner einen an und für sich irrationalen Mechanismus schaf­fen, der tatsächlich im Widerspruch zum Ziel stehen würde, die Regierbarkeit zu gewährleisten. Da der Bonus nämlich für jede Region unterschiedlich ist, wäre das Ergebnis eine zufällige Summe der regionalen Boni, die sich gegenseitig aufheben und das Ergebnis, das die Liste oder das Listenbündnis auf nationaler Ebene erreicht hat, kippen könnten, und dadurch sogar die Bildung von parlamentarischen Mehrheiten begünstigen könnte, die in den beiden Kammern nicht übereinstimmen, auch wenn die Stimmen im Wesentlichen homogen verteilt sind, wodurch sowohl die Funktionsweise des parlamentarischen Regierungssystems, bei dem die Regierung das Vertrauen der beiden Kammern besitzen muss (Art. 94 Abs. 1 itVerf), als auch die Ausübung der gesetzgebenden Tätigkeit, die Art. 70 itVerf der Abgeordnetenkammer und dem Senat gewährt, beeinträchtigt werden.

Eine weitere Beanstandung bezieht sich schließlich auf Art. 3 und Art. 48 Abs. 2 itVerf, weil, dadurch dass das Ausmaß des Bonusses für die Liste oder das Bündnis, die/das am meisten Stimmen erhalten hat, von Region zu Region unterschiedlich und in den größeren und bevölke­rungsreicheren Regionen höher ist, der Wert der Stimmen (der gleich sein und im Rahmen der Sitzverteilung auf die selbe Weise zählen sollte) je nach dem geografischen Standpunkt der wahlberechtigten Bürger unterschiedlich sei.

1.9.– Schließlich werden Art. 4 Abs. 2 des GvD Nr. 361/1957 und demzufolge Art. 59 Abs. 1 desselben DPR, sowie Art. 14 Abs. 1 des GvD Nr. 533/1993, angefochten, insoweit sie entsprechend folgendes vorsehen: Art. 4 Abs. 2 des GvD Nr. 361/1957, dass „jeder Wähler über eine Listenstimme zum Zwecke einer verhältnismäßigen Zuteilung der Sitze verfügt, die er auf einem einzigen Stimmzettel mit den Listenzeichen aller Listen abgibt”; Art. 59 desselben DPR Nr. 361, dass „ein gültiger Stimmzettel für die Wahl der Liste als Listenstimme gilt”; und Art. 14 Abs. 1 des GvD Nr. 533/1993, dass „die Stimme abgegeben wird, indem man mit dem Bleistift ein einziges Zeichen auf dem Stimmzettel anbringt, das in jedem Fall im Rechteck mit dem gewünschten Listenzeichen gesetzt werden muss”.

Diese Bestimmungen würden Art. 56 Abs. 1 und Art. 58 Abs. 1 itVerf verletzen, die vor­sehen, dass die Wahl der Kammerabgeordneten und der Senatoren „direkt” erfolgt; Art. 48 Abs. 2 itVerf, der vorsieht, dass die Wahl persönlich und frei ist; Art. 117 Abs. 1 itVerf bezüglich Art. 3 des Protokolls 1 der EMRK, der dem Volk das Recht auf die „Wahl der gesetzgebenden Körperschaften” anerkennt; Art. 49 itVerf. Da diese Bestimmungen dem Wähler nicht erlauben, eine Vorzugsstimme abzugeben, sondern nur eine Parteiliste zu wählen, welcher die Ernennung der Kandidaten überlassen ist, würden sie im Grunde eine „indirekte” Wahl mit sich bringen, wobei die Parteien die Wählerschaft nicht ersetzen dürften und Art. 67 itVerf festlegt, dass das Mandat direkt von den Wählern erteilt wird. Der Umstand, dass dem Wähler die Möglichkeit entzogen wird, den Gewählten auszuwählen, hätte ferner zur Folge, dass die Wahl weder frei, noch persönlich ist.

2.– Die Rekurssteller im Hauptverfahren haben sich auf das Verfahren vor dem Verfas­sungsgerichtshof eingelassen, die im Einleitungsschriftsatz und in einem kurz vor der öffent­lichen Verhandlung hinterlegten Schriftsatz gefordert haben, dass die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen mit dem Vorlagebeschluss erklärt wird, sowie dass auch die Ver­fassungswidrigkeit, per relationem, von Art. 83 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 6 des DPR Nr. 361/1957 und Art. 16 Abs. 1 Buchstabe b) Nr. 1 und Nr. 2 des GvD Nr. 533/1993 erklärt wird.

Insbesondere die Bestimmungen betreffend den Mehrheitsbonus halten die Rekurssteller für irrational, wie dies bereits von der Lehre hervorgehoben und durch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs im Zuge der Prüfung der Zulässigkeit des aufhebenden Referendums (Urteile Nr. 15/2008, Nr. 16/2008 und Nr. 13/2012) bekräftigt wurde, gerade im Bezug auf die Tatsache, dass die geltenden Wahlgesetze jener Liste einen enormen Mehrheitsbonus gewähren, die auch nur eine einzige Stimme mehr als die anderen erhalten hat, ohne Erreichung einer Mindestschwelle an Stimmen vorzusehen.

In der Frage der Vorzugsstimme beklagen die Rekurssteller, dass die Ausübung dieses Rechts auf gesetzeswidrige Weise vom Gesetzgeber im Jahr 2005 aufgehoben wurde, wobei dies im Widerspruch zur Verfassung steht, die in Art. 48 Abs. 2 vorsieht, dass die Wahl „persönlich und gleich, frei und geheim” ist, und die weiters in den Art. 56 Abs. 1 und Art. 58 Abs.1 vorsieht, dass die Wahl „allgemein und unmittelbar” erfolgen muss, wodurch gewährleistet wird, dass die Stimme von der wählenden Person abgegeben wird (aktives Wahlrecht) und direkt jener Person zugewiesen wird, die kandidiert hat (passives Wahlrecht). Indem ausschließlich die Reihung der Kandidaten auf derselben Liste relevant ist, die durch die Parteigremien festgelegt wird, und indem dem Wähler jegliche Möglichkeit der direkten Einflussnahme auf die Zusammensetzung der Versammlung entzogen wird, hätte das Gesetz die Wahlen in ein schlichtes Ratifizierungsverfahren für die Reihung der Namen auf der Liste umgewandelt, die durch die Parteigremien festgelegt wird, und diesen dabei nicht mehr die ausschließliche Befugnis zur Namhaftmachung einer Reihe von Namen übertragen, die den Wählern einzeln zur direkten Auswahl gestellt werden, sondern die Befugnis zur Ernennung.

3.– In der öffentlichen Verhandlung haben die klagenden Parteien auch die Annahme der in den Schriftsätzen formulierten Schlussfolgerungen bestanden.

Zur Rechtsfrage

1.– Der Kassationsgerichtshof zweifelt an der Verfassungsmäßigkeit einiger Bestimmungen des DPR vom 30. März 1957, Nr. 361 (Genehmigung des Einheitstextes betreffend die Be­stimmungen für die Wahl der Abgeordnetenkammer) und des gesetzesvertretendes Dekrets vom 20. Dezember 1993, Nr. 533 (Einheitstext der Gesetze betreffend die Bestimmungen für die Wahl des Senats der Republik), in der geltenden Fassung mit den durch das Gesetz vom 21. Dezember 2005, Nr. 270 (Änderungen der Bestimmungen für die Wahl der Abgeordneten­kammer und des Senats der Republik) angebrachten Änderungen betreffend die Zuweisung des Mehrheitsbonusses auf nationaler Ebene für die Abgeordnetenkammer und auf regionaler Ebene für den Senat, sowie jener Bestimmungen, die dem Wähler nicht erlauben, eine Vorzugsstimme abzugeben, indem sie die Modalitäten der Stimmabgabe als Listenstimme regeln.

1.1.– Insbesondere beanstandet der Kassationsgerichtshof in erster Linie Art. 83 des DPR Nr. 361/1957, insoweit er bestimmt, dass die nationale Wahlbehörde prüft, „ob das Listen­bündnis oder die einzelne Liste, das/die die höchste Anzahl von gültigen abgegebenen Stimmen erhalten hat, wenigstens 340 Sitze erreicht hat” (Abs. 1, Nr. 5) und festlegt, dass, sofern dies nicht der Fall ist, „diesem/r jene Anzahl von Sitzen zugewiesen wird, die für die Erreichung besagten Wertes notwendig ist” (Abs. 2).

Diese Bestimmungen würden Art. 3 itVerf in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2, und Art. 67 itVerf verletzen, da sie auf unangemessene Weise eine objektive und schwerwiegende Ent­stellung der demokratischen Vertretung bewirken würden, indem sie die Zuweisung des Mehrheitsbonusses nicht von der Erreichung der Mindestschwelle an Stimmen abhängig machen und dadurch eine relative Stimmenmehrheit, die möglicherweise auch sehr geringfügig ist, in eine absolute Mehrheit der Sitze umwandeln würden.

Ferner hätten diese Bestimmungen einen offensichtlich unangemessenen Mechanismus für die Zuweisung des Bonusses vorgesehen, der zum einen der Notwendigkeit widersprechen wür­den, die Regierbarkeit zu gewährleisten, da dadurch nämlich Abmachungen zwischen den Listen eingegangen werden würden, mit dem einzigen Ziel, den Bonus zu erhalten, wobei jedoch nicht das Risiko ausgeschlossen werden könnte, dass sich das Bündnis, das in den Genuss des Bonusses kommt, auch unmittelbar nach den Wahlen auflöst, oder dass eine oder mehrere Partei­en aus dem Bündnis austreten. Zum anderen würde dies eine Entstellung des institutionellen Gleichgewichts bewirken, wobei die vom Bonus begünstigte Mehrheit die Garantieorgane, die über die Legislaturperiode hinaus im Amt bleiben, wählen könnte.

Diese Modalität für die Zuweisung des Mehrheitsbonusses, die von den besagten Bestim­mungen vorgesehen ist, würde ferner die Wahlgleichheit und damit die Gleichheit der Bedin­gungen der Bürger zum Zeitpunkt der Stimmabgabe beeinträchtigen und damit Art. 48 Abs. 2 itVerf. verletzen. Die dadurch resultierende Verzerrung würde in der Tat keine reine, tatsächliche Unannehmlichkeit darstellen, sondern sie wäre das Ergebnis eines irrationalen Mechanismus, der gesetzlich geplant wäre, um dieses Ergebnis zu erreichen.

1.2.– Ähnliche Beanstandungen beziehen sich auf Art. 17 des GvD Nr. 533/1993 (betreffend die Bestimmungen für die Wahl des Senats der Republik) insoweit er vorsieht, dass die regionale Wahlbehörde prüft, „ob das Listenbündnis oder die einzelne Liste, das/die die höchste Anzahl von gültigen abgegebenen Stimmen innerhalb des Wahlkreises erhalten hat, wenigstens 55 Pro­zent jener Sitze erreicht hat, die der Region zugeteilt sind, mit Aufrundung auf die nächste ganze Zahl” (Abs. 2) und dass, sofern dies nicht der Fall ist, „die regionale Wahlbehörde jenem Listenbündnis oder jener einzelnen Liste, das/die die höchste Anzahl von Stimmen erhalten hat, eine weitere Anzahl von Sitzen zuweist, die nötig ist, um 55 Prozent jener Sitze zu erhalten, die der Region zugeteilt sind, mit Aufrundung auf die nächste ganze Zahl” (Abs. 4).

Auch diese Bestimmungen würden insoweit sie die Zuweisung des Mehrheitsbonusses auf regionaler Ebene nicht von der Erreichung der Mindestschwelle abhängig machen, auf unange­messene Weise eine objektive und schwerwiegende Entstellung der demokratischen Vertretung bewirken. Ferner hätten sie einen an und für sich irrationalen Mechanismus geschaffen, der im Widerspruch zum Ziel steht, die Regierbarkeit zu gewährleisten. Da dieser Bonus für jede Region unterschiedlich ist, wäre das Ergebnis eine zufällige Summe der regionalen Boni, die das Ergebnis, das die Liste oder das Listenbündnis auf nationaler Ebene erreicht hat, kippen könnten, und dadurch die Bildung von parlamentarischen Mehrheiten begünstigen könnten, die in den beiden Kammern des Parlaments nicht übereinstimmen, auch wenn die Stimmen im Wesent­lichen homogen verteilt sind, wodurch sowohl die Funktionsweise des parlamentarischen Regie­rungssystems, bei dem die Regierung das Vertrauen der beiden Kammern besitzen muss (Art. 94 Abs. 1 itVerf), als auch die Ausübung der gesetzgebenden Tätigkeit, die Art. 70 itVerf der Abgeordnetenkammer und dem Senat gewährt, beeinträchtigt werden.

Die obengenannten Bestimmungen würden auch Art. 3 und Art. 48 Abs. 2 itVerf verletzen, weil, dadurch dass das Ausmaß des Bonusses für die Liste oder das Bündnis, die/das am meisten Stimmen erhalten hat, von Region zu Region unterschiedlich und in den größeren und bevölke­rungsreicheren Regionen höher ist, der Wert der Stimme – der gleich sein und im Rahmen der Sitzverteilung auf die selbe Weise zählen sollte – je nach dem geografischen Standpunkt der wahlberechtigten Bürger unterschiedlich sei.

1.3.– Der Kassationsgerichtshof beanstandet schließlich Art. 4 Abs. 2 des DPR Nr. 361/1957 und demzufolge Art. 59 desselben DPR, sowie Art. 14 Abs. 1 des GvD Nr. 533/1993, insoweit sie entsprechend folgendes vorsehen: Art. 4 Abs. 2 des DPR Nr. 361/1957, dass „jeder Wähler über eine Listenstimme zum Zwecke einer verhältnismäßigen Zuteilung der Sitze verfügt, die er auf einem einzigen Stimmzettel mit den Listenzeichen aller Listen abgibt”; Art. 59 desselben DPR Nr. 361, dass „ein gültiger Stimmzettel für die Wahl der Liste als Listenstimme gilt”; und Art. 14 Abs. 1 des GvD Nr. 533/1993, dass „ die Stimme abgegeben wird, indem man mit dem Bleistift ein einziges Zeichen auf dem Stimmzettel anbringt, das in jedem Fall im Rechteck mit dem gewünschten Listenzeichen gesetzt werden muss”.

Nach Ansicht des verlegenden Gerichts würden diese Bestimmungen Art. 56 Abs. 1, und Art. 58 Abs. 1 itVerf. verletzen, die vorsehen, dass die Wahl der Kammerabgeordneten und der Senatoren direkt erfolgt; Art. 48 Abs. 2 itVerf., wonach die Wahl persönlich und frei ist; Art. 117 Abs. 1 itVerf, bezüglich Art. 3 des Protokolls 1 der Konvention zum Schutze der Menschen­rechte und Grundfreiheiten, unterzeichnet am 4. November 1950 in Rom, (nachstehend EMRK), ratifiziert und wirksam gemacht mit dem Gesetz vom 4. August 1955, Nr. 848 (Ratifizierung und Durchführung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, unter­zeichnet am 4. November 1950 in Rom, und des Zusatzprotokolls zu dieser Konvention, unter­zeichnet am 20. März 1952 in Paris), der dem Volk das Recht auf die „Wahl der gesetzgebenden Körperschaften” anerkennt; sowie Art. 49 itVerf. Da diese Bestimmungen dem Wähler nicht erlauben, eine Vorzugsstimme für die Kandidaten abzugeben, sondern nur eine Parteiliste zu wählen, der die Namhaftmachung aller Kandidaten überlassen ist, würden sie im Grunde eine „indirekte” Wahl mit sich bringen, wobei die Parteien die Wählerschaft nicht ersetzen dürften und Art. 67 itVerf festlegt, dass das Mandat direkt von den Wählern erteilt wird. Der Umstand, dass dem Wähler die Möglichkeit entzogen wird, den Gewählten auszuwählen, hätte ferner zur Folge, dass die Wahl weder frei, noch persönlich ist.

2.– Bezüglich der Zulässigkeit der zu prüfenden Fragen der Verfassungsmäßigkeit gilt es vorauszuschicken, dass sich diese Prüfung gemäß Art. 23 des Gesetzes vom 11. März 1953, Nr. 87 (Bestimmungen über die Errichtung und die Tätigkeit des Verfassungsgerichtshofes) laut der ständigen Verfassungsrechtsprechung „auf die Angemessenheit der Begründungen hinsichtlich der Voraussetzungen beschränkt, welche vorsehen, dass das Hauptverfahren als konkret und ef­fektiv eingerichtet gilt, mit einem eigenen Klagegegenstand (petitum), der getrennt und verschie­den von der Frage der Verfassungsmäßigkeit ist, und über das das vorlegende Gericht entschei­den muss” (u.a. Urteil Nr. 263/1994). Die Prüfung des Interesses an der Klageeinreichung und die Feststellung der Legitimierung der Parteien sowie der Zuständigkeit des verlegenden Gerichts, die der Beurteilung der Relevanz der Inzidentfrage zur Verfassungsmäßigkeit dienen, müssen ferner durch das vorlegende Gericht erfolgen und können nicht einer weiteren Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof unterzogen werden, sofern diese nicht auf einer unplausiblen Begründung beruhen (einige der aktuellsten Urteile Nr. 91/2013, Nr. 280/2012, Nr. 279/2012, Nr. 61/2012, Nr. 270/2010).

Im vorliegenden Fall hat der Kassationsgerichtshof mit einer umfangreichen, tiefgründigen und ausführlichen Begründung sowohl in Sachen Präjudizialität der Fragen der Verfassungs­mäßigkeit bezüglich der Definition des Hauptverfahrens, als auch in Sachen Relevanz dieser Fragen plausibel argumentiert.

Der Kassationsgerichtshof hat bekräftigt, dass im Hauptverfahren eine Feststellungsklage mit Bezug auf das Wahlrecht eingebracht wurde, die – wie alle Klagen dieser Art, deren ge­nerelle Zulässigkeit sich vom Grundsatz des Interesses an der Klageeinreichung ableitet – das Ziel hat, das Ausmaß des Rechts, das als ungewiss gilt, festzustellen. Das Bestehen dieses Interesses und der Gerichtsbarkeit – so hat der Beschluss unterstrichen – ist überdies Gegenstand einer internen Rechtskraft. Das Fortbestehen des Interesses an der Klageeinreichung zum einen und der Gerichtsbarkeit zum anderen wurde nämlich von den öffentlichen Behörden in der Hauptsache beanstandet, mit einem Einwand, der vom Landesgericht und vom Oberlandesge­richt Mailand verworfen wurde, und der durch die inzidente Berufungseinlegung nicht auch vor dem Kassationsgerichtshof erhoben wurde, mit der Folge, dass eine neuerliche Prüfung dieser Gründe definitiv ausgeschlossen ist.

Das verlegende Gericht hat außerdem mit einer plausiblen Argumentation im Bezug auf die Natur und den Gegenstand der Klage unterstrichen, dass die Kläger mit dem Ziel gehandelt hatten, „eine Beeinträchtigung zu beseitigen”, die aus „einer (bereits erfolgten) Änderung des Rechtsrahmens” resultiert, „von dem gefordert wird, dass er durch eine weitere juristische und materielle Maßnahme entfernt werden sollte, um somit den wahlberechtigten Bürgern zu er­lauben, das Wahlrecht wirklich uneingeschränkt und im Einklang mit den Grundwerten der Verfassung auszuüben”. Nach Ansicht des Gerichts haben die Kläger das ordentliche Gericht – in seiner Funktion als zuständiges Gericht im Bereich der Rechte – daher gebeten, das Ausmaß des eigenen Wahlrechts zu ermitteln, das durch ein Wahlgesetz möglicherweise verfassungs­widrig geworden ist, nach einer eventuellen Einbringung der entsprechenden Frage. Daher würde eine eventuelle Annahme der Fragen der Verfassungsmäßigkeit den im Hauptverfahren vor­gesehenen Schutz nicht ausreichend gewährleisten, der nur infolge und kraft der Entscheidung gegeben sein würde, in der das ordentliche Gericht den Inhalt des Rechts des Klägers im Lichte des Urteils des Verfassungsgerichtshofs feststellt.

In diesem Zusammenhang gilt es bezüglich der Voraussetzungen der Relevanz der Frage der Verfassungsmäßigkeit zu erinnern, dass laut einem Grundsatz des Verfassungsgerichtshofes seit seinen ersten Urteilsverkündigungen „der Umstand, dass die angebliche Verfassungswidrigkeit einer oder mehrerer gesetzlicher Bestimmungen den einzigen Berufungsgrund vor dem vor­legenden Gericht darstelle, nicht davon abhält, die Voraussetzung der Relevanz jedes Mal für stichhaltig zu betrachten, wenn im Hauptverfahren ein petitum feststellbar ist, das von der Frage (oder den Fragen) der Verfassungsmäßigkeit getrennt und verschieden ist, und über das das vorlegende Gericht entscheiden muss” (Urteil Nr. 4/2000; aber eine ähnliche Behauptung gab es bereits im Urteil Nr. 59/1957), auch um die Situation zu vermeiden, bei der „jegliche Garantie und Kontrolle” zu bestimmten gesetzgeberischen Handlungen „ausgeschlossen wird” (im kon­kreten Fall leggi-provvedimento[1] siehe Urteil Nr. 59/1957).

Im vorliegenden Fall ist diese Bedingung erfüllt, da das petitum, das Gegenstand des Haupt­verfahrens war, in der Entscheidung zur Feststellung des geltend gemachten Rechts besteht, wobei diese Entscheidung rein hypothetisch wiederum von jener über die aufgeworfenen Fragen der Verfassungsmäßigkeit abhängig ist, da sich die vom ordentlichen Gericht verlangte Feststellung insofern nicht vollständig mit dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes deckt, als dass es die anderen rechtlichen Voraussetzungen betreffend die Gewährung des Wahlrechts zu prüfen gilt. Im konkreten Fall betrifft die Entscheidung ein von der Verfassung geschütztes Grundrecht, das Wahlrecht, dessen wesentliches Merkmal die Verbindung zu einem Interesse des sozialen Gefüges als Ganzes ist, und sie wurde beantragt, um der Situation der Ungewissheit bezüglich des effektiven Ausmaßes obengenannten Rechts ein Ende zu setzen, die gerade aufgrund „einer (bereits erfolgten) Änderung des Rechtsrahmens” entstanden und hypothetisch das Ergebnis der angefochtenen Bestimmungen ist.

Die Fragen der Verfassungsmäßigkeit, die im Laufe des Verfahrens aufgeworfen wurden, sind insbesondere wegen der Eigenheit und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des zu prüfenden Rechts zum einen und des Gesetzes, das wegen des Verdachts auf Verfassungswid­rigkeit das Ausmaß ungewiss gestaltet, zum anderen, zulässig. Diese Zulässigkeit der Frage ist auch die unausweichliche Konsequenz des Grundsatzes, der festlegt, dass der Schutz des unantastbaren Wahlrechts gewährleistet werden muss, das – laut dem Beschluss des verlegenden Gerichts – von einem Wahlgesetz beeinträchtigt wurde, das nicht im Einklang mit den verfas­sungsrechtlichen Grundsätzen steht, unabhängig von den Maßnahmen, die dieses Wahlgesetz umgesetzt haben, da allein die Ungewissheit bezüglich des Ausmaßes des Rechts eine juristisch relevante Verletzung darstellt. Aufgrund der Notwendigkeit, den Grundsatz der Verfassungs­mäßigkeit zu gewährleisten, ist es also unumgänglich, die Prüfung des Verfassungsgerichtshofs zu bekräftigen – die „weitestmöglich die Rechtsordnung abdecken muss” (Urteil Nr. 387/1996) – wobei diese Prüfung auch jene Gesetze betrifft, wie jenes betreffend die Wahlen der Abgeord­netenkammer und des Senats, „die anderenfalls nur kaum dem Verfassungsgerichtshof vorgelegt werden würden” (Urteile Nr. 384/1991 und Nr. 226/1976).

Im Rahmen dieser Grundsätze sind die erhobenen Einwände der Verfassungsmäßigkeit zulässig, auch unter der Berücksichtigung der Forderung, dass die Gesetze der verfassungs­rechtlichen Prüfung nicht entzogen werden dürfen, wie etwa jene betreffend die Wahlen der Ab­geordnetenkammer und des Senats, die die Regelung über die Zusammensetzung der Verfas­sungsorgane festlegen, welche für die Funktionsweise eines demokratisch-repräsentativen Systems grundlegend sind, und dass sie von dieser Prüfung nicht ausgenommen werden dürfen. Ansonsten würde dies zu einer Schaffung einer Freizone innerhalb des Systems der Verfassungs­justiz führen und zwar gerade in einem Bereich, der eng mit dem demokratischen Gefüge ver­bunden ist, da er sich auf das Grundrecht auf Wahlen auswirkt; und daher würde dies eine unerträgliche Verletzung der gesamten Verfassungsordnung zur Folge haben.

3.– In der Hauptsache betrifft die erste der zu prüfenden Fragen den für die Wahl der Abgeordnetenkammer zugewiesenen Mehrheitsbonus. Art. 83 des DPR Nr. 361/1957 sieht vor, dass die nationale Wahlbehörde prüft, „ob das Listenbündnis oder die einzelne Liste, das/die die höchste Anzahl von gültigen abgegebenen Stimmen erhalten hat, wenigstens 340 Sitze erreicht hat” (Abs. 1, Nr. 5), auf der Grundlage der verhältnismäßigen Zuteilung der Sitze; und legt fest, sofern dies nicht der Fall ist, dass diesem/r jene Anzahl von Sitzen zugewiesen wird, die für die Erreichung besagten Wertes notwendig ist (Abs. 2).

Nach Ansicht des Kassationsgerichtshofs hätten diese Bestimmungen, indem sie die Zu­weisung des Mehrheitsbonusses nicht von der Erreichung der Mindestschwelle an Stimmen ab­hängig machen und sie eine, möglicherweise auch sehr geringfügige, relative Stimmenmehrheit in eine absolute Mehrheit der Sitze umwandeln, einen offensichtlich unangemessenen Mecha­nismus für die Zuweisung des Bonusses vorgesehen, der gegen Art. 3 itVerf. Verstößt, und damit eine objektive und schwerwiegende Entstellung der demokratischen Vertretung bewirkt, die die Wahlgleichheit verletze, die übrigens nicht mal geeignet ist, um die Stabilität der Regierung zu gewährleisten.

3.1.– Der Einwand ist begründet.

Der Verfassungsgerichtshof hat seit langer Zeit daran erinnert, dass, „auch wenn die Zustim­mung für das Verhältniswahlsystem bei der Wahl der Mitglieder der Abgeordnetenkammer mit der Annahme eines Antrags bekundet wird, [die verfassungsgebende Versammlung] nicht vorhatte, diese Materie auf Gesetzesebene festzuschreiben und dabei eine Entscheidung für das Verhältniswahlsystem verfassungsrechtlich zu verankern oder formell über die Wahlsysteme zu bestimmen, deren Gestaltung dem ordentlichen Gesetz anvertraut bleibt” (Urteil Nr. 429/1995). Daher stellt die „Bestimmung des Wahlmodus und der Wahlsysteme einen Rechtsbereich [dar], innerhalb dessen der politische Charakter der gesetzgeberischen Entscheidung mit höchster Klarheit ausgedrückt wird” (Urteil Nr. 242/2012; Beschluss Nr. 260/2002; Urteil Nr. 107/1996). Ferner hat der Verfassungsgerichtshof bemerkt, dass der verfassungsrechtliche Grundsatz der Wahlgleichheit verlangt, dass das aktive Wahlrecht unter Berücksichtigung der Gleichbe­handlung ausgeübt wird, da „jede Stimme potentiell und mit gleicher Wirkung zur Zusammen­setzung der gewählten Gremien beiträgt” (Urteil Nr. 43/1961), aber „nicht […] auf das konkrete Ergebnis der Willensbekundung des Wählers […] übergreift, das […] ausschließlich vom System abhängt, das der ordentliche Gesetzgeber mangels einer entsprechenden Bestimmung durch die Verfassung für die Parlamentswahlen und die Gemeindewahlen im Bezug auf die wechselnden Anforderungen im Zusammenhang mit den Volksbefragungen anwendet” (Urteil Nr. 43/1961).

Mit anderen Worten gibt es kein von der Verfassungsordnung vorgesehenes Modell des Wahlsystems, da diese die Wahl des geeignetsten und wirksamsten Systems unter Berück­sichtigung des entsprechenden historischen Kontexts dem Ermessen des Gesetzgebers überlässt.

Auch wenn das Wahlsystem Ausdruck des breiten gesetzgeberischen Ermessensspielraums ist, ist es jedoch nicht frei von Kontrolle, da es zu jeder Zeit im Zuge einer verfassungsrecht­lichen Prüfung beanstandet werden kann, wenn es offensichtlich unangemessen scheint (Urteile Nr. 242/2012 und Nr. 107/1996; Beschluss Nr. 260/2002).

Im vorliegenden Fall hat der Verfassungsgerichtshof, gerade bezüglich der zu prüfenden Bestimmungen des Wahlgesetzes der Abgeordnetenkammer betreffend die Zuweisung des Mehrheitsbonusses mangels der Voraussetzung einer Mindestschwelle an Stimmen oder Sitzen es für notwendig erklärt, dass das Parlament mit großer Aufmerksamkeit einige Aspekte ähn­licher Mechanismen berücksichtige, obwohl der Verfassungsgerichtshof die Möglichkeit abge­lehnt hat, im Zuge der Prüfung der Zulässigkeit des aufhebenden Referendums die Aspekte der Verfassungswidrigkeit zu prüfen, insbesondere in Bezug auf die Angemessenheit der obenge­nannten Bestimmungen. Einige problematischen Punkte wurden in der Tatsache festgestellt, dass das Prämiensystem eine exzessive Überrepräsentierung der Liste, die die relative Mehrheit der Stimmen erhalten hat, vorhersehen würde, da dieses System es einer Liste, die eine auch relativ geringe Anzahl an Stimmen erhalten hat, erlaubt, die absolute Mehrheit an Sitzen zu erhalten. Auf diese Weise kann sich im Speziellen eine Verzerrung zwischen den abgegebenen Stimmen und der Sitzverteilung ergeben, die, obwohl sie in jedem Wahlsystem vorkommt, im konkreten Fall ein derartiges Ausmaß annimmt, dass sie die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Wahlgleichheit (Urteile Nr. 15/2008 und Nr. 16/2008) beeinträchtigen würde. In Anbetracht der Untätigkeit des Gesetzgebers hat der Verfassungsgerichtshof das Parlament schließlich erneut aufgefordert, sein Augenmerk auf die problematischen Aspekte der Regelung in der Fassung infolge der Änderungen, die durch das Gesetz Nr. 270/2005 eingeführt wurden, zu richten, und hat die Gründe der Irrationalität unterstrichen, auf die es wie oben erwähnt bereits in Vergangen­heit hingewiesen hatte, etwa bezüglich die „Zuweisung des Mehrheitsbonusses ohne Anwendung einer Mindestschwelle an Stimmen und/oder Sitzen” (Urteil Nr. 13/2012); diese Gründe sind jedoch außerhalb des Normenkontrollverfahren als unanfechtbar zu erachten.

In Anbetracht der fortdauernde Untätigkeit des ordentlichen Gesetzgebers müssen die Beanstandungen von Art. 83 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 des DPR Nr. 361/1957 bestätigt und demzufolge als begründet erklärt werden. Diese Bestimmungen halten den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit und der Angemessenheit in der Tat nicht stand, welchen auch die Bestim­mungen betreffend die Wahlsysteme unterliegen.

In Bereichen mit einem breiten gesetzgeberischen Ermessensspielraum, wie im zu prüfenden Fall, zwingt diese Prüfung den Verfassungsgerichtshof dazu festzustellen, dass das Gleich­gewicht der verfassungsrechtlich relevanten Interessen nicht hergestellt wurde und dass die Modalitäten eine Entbehrung oder eine Schmälerung eines der Interessen auf übertriebene Weise und daher unvereinbar mit den verfassungsrechtlichen Auflagen bewirken. Dieses Verfahren muss „mittels Überlegungen zur Verhältnismäßigkeit der vom Gesetzgeber gewählten Mittel in seinem uneingeschränkten Ermessensspielraum im Bezug auf die objektiven zu erfüllenden Be­dürfnisse bzw. auf die Ziele, die er verfolgen möchte, unter Berücksichtigung der konkret be­stehenden Umstände und Einschränkungen” (Urteil Nr. 1130/1988) erfolgen. Die vom italieni­schen Verfassungsgerichtshof wie auch von vielen europäischen Verfassungsgerichtsbarkeiten angewandte Verhältnismäßigkeitsprüfung, die häufig gemeinsam mit der Prüfung der Angemes­senheit erfolgt und ein wesentliches Instrument des Gerichtshofs der Europäischen Union bei der richterlichen Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsakte der Europäischen Union und der Mitgliedsstaaten ist, erfordert eine Einschätzung, ob die zu prüfende Bestimmung im festge­egten Ausmaß und mit den vorgesehenen Durchführungsbestimmungen notwendig und geeignet sei, um die rechtsmäßig verfolgten Ziele zu erreichen, indem sie zwischen den geeignetsten Maßnahmen jene festlegt, die im Bereich der Rechte am wenigsten restriktiv ist, und keine unverhältnismäßigen Bürden im Bezug auf das Verfolgen besagter Ziele vorsieht.

Im vorliegenden Fall werden die obgenannten Bedingungen nicht erfüllt.

Die angefochtenen Bestimmungen sind dafür vorgesehen, die Bildung einer angemessenen parlamentarischen Mehrheit zu erleichtern, um die Stabilität der Regierung des Landes zu ge­währleisten und den Entscheidungsprozess effizienter zu gestalten, was zweifelsohne ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel darstellt. Dieses Ziel wird durch ein Prämiensystem verfolgt, das dazu bestimmt ist, zum Einsatz zu kommen, wenn sich bei der Abstimmung nach dem Verhältniswahlsystem keine Liste oder kein Listenbündnis eine nötige Anzahl an Stimmen sichern konnte, die zu einer Mehrheit führen könnte, die auch größer als die absolute Mehrheit (340 von 630) an Sitzen sein kann. Sollte dies also der Fall sein, gewährt das Prämiensystem jener Liste oder jenem Listenbündnis eine Zuweisung von zusätzlichen Sitzen (bis zur Hürde von 340 Sitzen), die/das auch nur eine einzige mehr als die anderen erhalten hat, und dies gilt mangels der Anwendung einer Mindestschwelle an Stimmen und/oder Sitzen auch für den Fall, dass die Anzahl der Stimmen generell sehr gering ist.

Die angefochtenen Bestimmungen beschränken sich jedoch nicht darauf, korrigierende Maßnahmen (zusätzlich zu jener bezüglich die Anwendung von Sperrklauseln, laut Nr. 3 und Nr. 6 desselben Abs. 1 des obengenannten Art. 83, die hier nicht beanstandet werden) im System der „verhältnismäßigen” Umwandlung der Stimmen in Sitze einzuführen, wie von Art. 1 Abs. 2 des­selben DPR Nr. 361/1957 im Hinblick auf das legitime Ziel, die Bildung stabiler parlamen­tarischer Mehrheiten und somit von stabilen Regierungen zu begünstigen, vorgesehen, sondern sie kippen die ratio des Wahlsystems, die der Gesetzgeber von 2005 selbst gewählt hat, nämlich jene, die Repräsentativität der parlamentarischen Versammlung zu gewährleisten. Auf diese Weise haben diese Bestimmungen ein übertriebenes Auseinanderklaffen zwischen der Zusam­mensetzung des Gremiums der politischen Vertretung auf der einen Seite, die im Zentrum des Systems einer repräsentativen Demokratie und des parlamentarischen Regierungssystems liegt, die von der Verfassung vorgesehen sind, und dem Willen der Bürger auf der anderen Seite, der durch die Stimme ausgedrückt wird, die wiederum gemäß Art. 1 Abs. 2 itVerf das Hauptin­strument für den Ausdruck der Volkssouveränität darstellt, zur Folge.

Mit anderen Worten verlangen die zu untersuchenden Bestimmungen von der Liste (bzw. dem Listenbündnis), die/das die relative Mehrheit der Stimmen erhalten hat, nicht, eine Mindestschwelle an Stimmen zu erreichen. Sie weisen der Liste bzw. dem Listenbündnis auto­matisch eine auch sehr große Anzahl an Sitzen zu, wodurch rein hypothetisch ein Bündnis, das einen auch sehr geringen Prozentsatz an Stimmen erhalten hat, die absolute Mehrheit unter den Mitgliedern der Versammlung erreichen kann. Dadurch wird also offensichtlich, dass die Bestimmungen auf diese Weise eine uneingeschränkte Schmälerung der Repräsentativität der parlamentarischen Versammlung zulassen, die unvereinbar mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen ist, welche vorsehen, dass die parlamentarischen Versammlungen der ausschließ­liche Sitz der „gesamtstaatlichen politischen Vertretung” (Art. 67 itVerf) sind, dass sie sich auf die Stimmabgabe stützen und dadurch auf die Volkssouveränität, und dass ihnen aufgrund dessen grundlegende Funktionen anvertraut werden, die „typischer und unersetzlicher Natur” sind (Urteil Nr. 106/2002), und zwar neben den Aufgaben, die Regierung anzuweisen und zu kontrollieren, auch die heikle Funktionen im Zusammenhang mit der Garantie der Verfassung selbst (Art. 138 itVerf.): diese Aufgabe unterscheidet das Parlament übrigens von Versamm­lungen anderer repräsentativer Gebietskörperschaften.

Der Mechanismus für die Zuweisung des Mehrheitsbonusses, der von den beanstandeten Be­stimmungen im Verhältniswahlsystem festgelegt wird, das durch das Gesetz Nr. 270/ 2005 eingeführt wurde, in Kombination mit dem Fehlen einer vernünftigen Mindestschwelle an Sitzen, um die Zuweisung des Bonusses zu beanspruchen, bewirkt daher eine Entstellung des demokratischen Systems, das von der Verfassung festgelegt wird und sich auf den Grundsatz der Wahlgleichheit (Art. 48 Abs. 2 itVerf) stützt. Auch wenn dieser Mechanismus den ordentlichen Gesetzgeber nicht an die Auswahl eines bestimmten Systems bindet, fordert er trotzdem, dass jede Stimme potentiell und mit gleicher Wirkung zur Zusammensetzung der gewählten Gremien (Urteil Nr. 43/1961) beiträgt, und er differenziert sich je nach dem ausgewählten Wahlsystems. In Verfassungsordnungen, die der italienischen gleichen und in denen dieser Grundsatz vorgesehen ist und das Wahlsystem keinen Verfassungsrang hat, hat das Verfassungsgericht seit langer Zeit ausdrücklich erkannt, dass, für den Fall, dass der Gesetzgeber das Verhältniswahl­system, auch nur teilweise annehmen würde, dies im Wähler die legitime Erwartung erwecken würde, dass es kein Ungleichgewicht bezüglich der Auswirkungen der Abstimmung, und daher eine ungleiche Bewertung der „Gewichtung” der Stimme beim „Ausgang” zum Zweck der Zuteilung der Sitze gebe, sofern nicht nötig, um eine Beeinträchtigung der Funktionsweise des parlamentarischen Gremiums zu vermeiden (BVerfGE, Urteil 3/11 vom 25. Juli 2012; aber bereits Urteil Nr. 197 vom 22. März 1979 und Urteil Nr. 1 vom 5. April 1952).

Obwohl die angefochtenen Bestimmungen ein verfassungsrechtlich bedeutendes Ziel verfolgen, nämlich jenes der Stabilität der Regierung des Landes und der Effizienz der Entschei­dungsprozesse im Bereich des Parlaments, schreiben sie eine Regelung vor, die gegen die Auf­lage der kleinstmöglichen Beeinträchtigung der anderen Interessen und Werte, die verfassungs­rechtlich geschützt sind, verstößt, und hiermit Art. 1 Abs. 2, Art. 3, Art. 48 Abs. 2, und Art. 67 itVerf. widersprechen. Letztlich ist besagte Regelung im Bezug auf das verfolgte Ziel nicht angemessen, weil sie eine exzessive Schmälerung der repräsentativen Funktion der Versamm­lung sowie des gleichen Wahlrechts bewirkt und dadurch eine tiefgreifende Entstellung der Zusammensetzung der demokratischen Vertretung zur Folge hat, auf die sich die gesamte Struk­tur der geltenden Verfassungsordnung stützt.

Daher muss festgestellt werden, dass Art. 83 Abs. 1 Nr. 5, und Abs. 2 des DPR Nr. 361/1957 verfassungswidrig ist.

4.– Dieselben Argumente gelten auch im Bezug auf die aufgeworfenen Beanstandungen bezüglich derselben verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen, hinsichtlich Art. 17 Abs. 2 und Abs. 4 des GvD Nr. 533/1993, der den Mehrheitsbonus für die Wahl des Senats der Republik regelt, indem vorgesehen wird, dass die regionale Wahlbehörde, falls das Listenbündnis oder die einzelne Liste, das/die die höchste Anzahl von gültigen Stimmen innerhalb des Wahlkreises erhalten hat, nicht wenigstens 55 Prozent jener Sitze erreicht hat, die der Region zugeteilt sind, jenen eine weitere Anzahl von Sitzen zuweist, die nötig ist, um 55 Prozent jener Sitze zu erhalten, die der Region zugeteilt sind.

Indem auf diese Weise der Bonus der absoluten Mehrheit auf regionaler Ebene jener Liste (bzw. jenem Listenbündnis) zugewiesen wird, die einfach eine höhere Anzahl an Stimmen als die anderen Listen erreicht hat, ohne eine Mindestschwelle vorzusehen, enthalten auch diese Bestimmungen, eine offensichtlich unangemessene Regelung, die die Repräsentativität der parla­mentarischen Versammlung, durch welche sich die Volkssouveränität ausdrückt, auf unverhält­nismäßige Weise im Bezug auf das verfolgte Ziel schmälert (die Stabilität der Regierung und den schnelleren Entscheidungsprozess zu gewährleisten), und die sich auch auf die Wahlgleichheit auswirkt und daher Art. 1 Abs. 2, Art. 3, Art. 48 Abs. 2, und Art. 67 itVerf verletzt.

Im vorliegenden Fall hebt die Verhältnismäßigkeitsprüfung neben dem Missverhältnis im strikten Sinn der beanstandeten Regelung auch die Nichteignung dieser Regelung zum Erreichen des verfolgten Ziel hervor, in einer klareren Weise als in jener bezüglich der Wahl der Abge­ordnetenkammer. Indem nämlich festgelegt wird, dass die Zuweisung des Mehrheitsbonusses auf regionaler Ebene erfolgt, hat dies zur Folge, dass die Mehrheit innerhalb der Versammlung des Senats das zufällige Ergebnis einer Summe aus den regionalen Boni sei, die das Ergebnis, das die Liste oder das Listenbündnis auf nationaler Ebene erreicht hat, kippen und die Bildung von parlamentarischen Mehrheiten begünstigen könnten, die in den beiden Kammern des Parlaments nicht übereinstimmen, auch wenn die Stimmen insgesamt im Wesentlichen homogen verteilt werden. Dadurch könnte sowohl die in der Verfassung der Republik festgelegte Funktionsweise des parlamentarischen Regierungssystems, bei der die Regierung das Vertrauen der beiden Kammern haben muss (Art. 94 Abs. 1 itVerf), als auch die Ausübung der gesetzgebenden Tätigkeit beeinträchtigt werden, die Art. 70 itVerf der Abgeordnetenkammer und dem Senat gemeinsam gewährt. Schließlich läuft man Gefahr, das Ergebnis zu vereiteln, das man mit einer angemessenen Stabilität der parlamentarischen Mehrheit und der Regierung erreichen möchte. Und obwohl diese Aspekte weitgehend das Ergebnis politischer Entscheidungen sind, die dem ordentlichen Gesetzgeber vorbehalten sind, hat der Verfassungsgerichtshof die Pflicht zu prüfen, ob die gesetzliche Regelung die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Angemessenheit wie im konkreten Fall offensichtlich verletze, und somit gegen Art. 1 Abs. 2, Art. 3, Art. 48 Abs. 2, und Art. 67 itVerf verstoße.

Daher muss festgestellt werden, dass Art. 17 Abs. 2 und Abs. 4, des GvD Nr. 533/1993 verfassungswidrig ist.

5.– Es gilt schließlich, die Beanstandungen bezüglich Art. 4 Abs. 2 des DPR Nr. 361/1957 und demzufolge Art. 59 Abs. 1 desselben DPR, sowie Art. 14 Abs. 1, des GvD Nr. 533/1993 zu prüfen, insoweit sie entsprechend folgendes vorsehen: Art. 4 Abs. 2 des DPR Nr. 361/1957, dass „jeder Wähler über eine Listenstimme zum Zwecke einer verhältnismäßigen Zuteilung der Sitze verfügt, die er auf einem einzigen Stimmzettel mit den Listenzeichen aller Listen abgibt”; Art. 59 desselben DPR Nr. 361, dass „ein gültiger Stimmzettel für die Wahl der Liste als Listenstimme gilt ”; und Art. 14 Abs. 1 des GvD Nr. 533/1993, dass „ die Stimme abgegeben wird, indem man mit dem Bleistift ein einziges Zeichen auf dem Stimmzettel anbringt, das in jedem Fall im Rechteck mit dem gewünschten Listenzeichen gesetzt werden muss”.

Da diese Bestimmungen dem Wähler nicht erlauben, eine Vorzugsstimme für die Kandida­ten abzugeben, sondern nur eine Parteiliste zu wählen, der die Ernennung und die Listenreihung aller Kandidaten überlassen ist, würden sie nach Ansicht des verlegenden Gerichts im Grunde eine „indirekte” Wahl mit sich bringen, wobei die Parteien die Wählerschaft nicht ersetzen dürften und Art. 67 itVerf festlegt, dass das Mandat direkt von den Wählern erteilt wird. Dies verletze Art. 56 Abs. 1, und Art. 58 Abs. 1 itVerf, Art. 117 Abs. 1 itVerf, bezüglich Art. 3 des Protokolls 1 der EMRK, der dem Volk das Recht auf die „Wahl der gesetzgebenden Körperschaften” anerkennt, und Art. 49 itVerf. Der Umstand, dass dem Wähler die Möglichkeit entzogen wird, den Gewählten auszuwählen, hätte ferner zur Folge, dass die Wahl weder frei, noch persönlich ist, und somit Art. 48 Abs. 2 itVerf verletzt.

 

5.1.– Der Einwand ist begründet in dem im Folgenden präzisierten Sinne.

Die angefochtenen Bestimmungen betreffend die Modalitäten zur Stimmabgabe für die Wahl der jeweiligen Mitglieder der Abgeordnetenkammer und des Senats der Republik, fügen sich in einen Rechtsrahmen ein, wonach diese Stimmabgabe nach den Listen der Kandidaten erfolgt (Art. 1 Abs. 1 des DPR Nr. 361/1957; Art. 1 Abs. 2 des GvD Nr. 533/1993), die „nach einer bestimmten Reihung” vorgestellt werden und deren Anzahl „nicht geringer als ein Drittel sein und die Anzahl der verfügbaren Sitze, die dem Wahlkreis zugeteilt sind, nicht überschreiten” darf (Art. 18-bis Abs. 3 des DPR Nr. 361/1957 und Art. 8 Abs. 4 des GvD Nr. 533/1993). Die Wahlkreise, deren Regelung nicht von den zu prüfenden Beanstandungen nicht betroffen ist, entsprechen im Falle des Senats immer den Gebieten der Regionen (Art. 2 des GvD Nr. 533/1993); im Falle der Abgeordnetenkammer (Anhang A des Gesetzes Nr. 270/2005) entsprechen die Wahlkreise den Gebieten der Regionen mit Ausnahme der größeren Regionen, in denen zwei (Piemont, Venetien, Latium, Kampanien und Sizilien) oder drei Wahlkreise (Lombardei) vorgesehen sind.

Ferner erfolgt die Verteilung der Sitze zwischen den Listen verhältnismäßig mit einer eventuellen Zuweisung des Mehrheitsbonusses (Art. 1 Abs. 2 des DPR Nr. 361/1957), der für den Senat ein Bonus für ein „regionales Bündnis” ist (Art. 1 Abs. 2 des GvD Nr. 533/1993); und „die Kandidaten, die in der Liste enthalten sind, gelten im Rahmen der Anzahl der Sitze, die jeder Liste zustehen, und je nach der Reihung ihrer Namen auf der Liste als gewählt,” (Art. 84 Abs. 1 des DPR Nr. 361/1957 und Art. 17 Abs. 7 des GvD Nr. 533/1993).

In diesem Zusammenhang sehen die angefochtenen Bestimmungen vor, dass die vom Wähler abgegebene Stimme, die dazu bestimmt ist, die Zusammensetzung der Abgeordneten­kammer und des Senats als Ganze zu bewirken, eine Stimme zur Wahl der Liste ist, und somit entziehen diese Bestimmungen dem Wähler jede Möglichkeit, die Wahl der eigenen Vertreter zu beeinflussen, die nicht nur von der Anzahl der Sitze, die die entsprechende Liste erhalten hat, sondern auch von der Reihung der Namen der Kandidaten innerhalb der Liste, die im Wesentlichen von den Parteien festgelegt wird, abhängt. Mit anderen Worten kommt die Stimme des Wählers einer Vorzugsstimme ausschließlich für die Liste gleich, die, indem sie in sehr großen Wahlkreisen antritt, wie es der Fall war, eine sehr hohe Anzahl an Kandidaten enthält, die der gesamten Anzahl an Sitzen entsprechen kann, die dem Wahlkreis zugeteilt sind, wodurch es dem Wähler selbst folglich nur schwer ermöglicht wird, die Kandidaten zu kennen.

Eine derartige Regelung entzieht dem Wähler jede Möglichkeit einer Wahl der eigenen Vertreter und überlässt diese Wahl vollständig den Parteien. In diesem Zusammenhang hat der Verfassungsgerichtshof geklärt, dass „die Funktionen, die das ordentliche Gesetz den politischen Parteien zuweist, um die Versammlungen zu wählen, wie die „Vorstellung von Alternativen bei der Wahl” und die „Auswahl der Kandidaten für die öffentlichen Wahlämter”, nicht das Be­stehen von verfassungsrechtlichen Befugnissen erlauben, sondern dass sie einzig die Art und Weise vorgeben, auf welche der ordentliche Gesetzgeber es für richtig erachtet, das Recht zu verbinden, das den Bürgern verfassungsrechtlich zuerkannt wird und nach welchem sie sich in einer Vielzahl an Parteien mit einer politischen Vertretung vereinigen können, welche nötig ist, um im Rahmen des Wahlvorgangs mitzustreiten, und sie finden nur in Art. 49 itVerf eine Grund­lage” (Beschluss Nr. 79/2006). Ähnliche Funktionen müssen also dazu dienen, die Beteiligung der Bürger am politischen Leben und an der Gestaltung der Programme, die die politischen Formationen den Wählern vorbringen, zu begünstigen, um eine klarere und bewusstere Wahl auch im Bezug auf die Kandidaten zu ermöglichen.

Der Verfassungsgerichtshof hat sich bereits auf der Grundlage ähnlicher Argumente ge­äußert, etwa unter Bezugnahme auf das im Jahr 1975 geltende Wahlsystem für die Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern, nach welchem die Sitze ebenfalls verhältnismäßig zwischen den Kandidatenlisten verteilt wurden. Damals hat der Verfassungsgerichtshof bekräftigt, dass der Umstand, dass der Gesetzgeber den Parteien die Reihung der Kandidaten auf der jeweiligen Liste überlassen hat, die Wahlfreiheit des Bürgers in keinster Weise verletzen würde: unter der Voraussetzung, dass die Wahl „immer frei erfolgt und dass die Willensbekundung garantiert ist, sowohl bei der Wahl des Bündnisses, das sich der Wahl stellt, als auch bei der Wahl dieses oder jenen Kandidaten, der in der gewünschten Liste enthalten ist, und zwar durch die Vorzugs­stimme” (Urteil Nr. 203/1975).

Im vorliegenden Fall ist diese Freiheit eingeschränkt, da der Bürger dazu aufgerufen ist, über die Wahl aller Kammerabgeordneten und aller Senatoren zu entscheiden, indem er eine oft sehr lange (in den bevölkerungsreicheren Wahlkreisen) Liste mit Kandidaten wählt, die er wohl kaum kennt. In der Tat werden die Kandidaten aufgrund einer Auswahl durch die Parteien ermittelt, die sich in der Reihung der Vorstellung widerspiegelt, wodurch es auch sein kann, dass die Erwartung bezüglich der Wahl bei der Reihung der Liste selbst nicht erfüllt wird, da Mehr­fachkandidaturen möglich sind und der Gewählte nach den Anweisungen seiner Partei entscheiden kann, in anderen Wahlkreisen anzutreten.

Letztlich verstößt der Umstand, dass der Gesamtheit der gewählten Vertreter im Parlament ausnahmslos die Unterstützung durch die persönliche Angabe der Bürger fehlt, gegen die Logik der Vertretung, die von der Verfassung festgelegt wird. Ähnliche Wahlbedingungen, die den Bürger dazu zwingen, durch die Wahl einer Liste gleichzeitig auch alle der zahlreichen Kandi­daten auf dieser Liste zu wählen, die er weder kennenlernen noch einschätzen konnte und die, je nach ihrer Position auf der Liste, automatisch zu Abgeordneten bzw. Senatoren werden, machen die zu prüfende Regelung weder mit anderen Systemen mit Listen vergleichbar, die nur für einen Teil der Sitze starr sind, noch mit anderen Systemen mit kleineren territorial begrenzten Wahlkreisen, in denen die Anzahl der zu wählenden Kandidaten dermaßen gering ist, dass die tatsächliche Erkennbarkeit der Kandidaten und damit die Wirksamkeit der Wahl sowie die Wahlfreiheit (wie dies bei den Ein-Mann-Wahlkreisen der Fall ist) gewährleistet sind.

Die Bedingungen, die die angefochtenen Bestimmungen vorsehen, entstellen dagegen die repräsentative Beziehung zwischen Wählern und Gewählten für die Gesamtheit der Parlamen­tarier. Indem man nämlich verhindert, dass das Parlament sich auf korrekte und direkte Weise zusammensetzt, schränken die Bestimmungen die Freiheit der Wähler bei der Wahl der eigenen Vertreter im Parlament ein, die eines der wichtigsten Mittel zum Ausdruck der Volkssouveränität darstellt, und dadurch stehen sie im Widerspruch zum demokratischen Grundsatz und beeinträchtigen die Wahlfreiheit laut Art. 48 der Verfassung (Urteil Nr. 16/1978).

Daher muss festgestellt werden, dass Art. 4 Abs. 2 und Art. 59 des DPR Nr. 361/1957, sowie Art. 14 Abs. 1 des GvD Nr. 533/1993, insoweit sie dem Wähler nicht erlauben, eine Vorzugs­stimme für die Kandidaten abzugeben, um die Wahl zu beeinflussen, verfassungswidrig sind.

Die aufgeworfene Frage unter Bezugnahme auf Art. 117 Abs. 1 itVerf bezüglich Art. 3 des Protokolls 1 der EMRK bleibt also gegenstandslos. Es gibt in der Tat keine Bemerkungen zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 13. März 2012 (Fall Saccomanno und andere gegen Italien), das infolge einer Beschwerde von Seiten einigen italienischen Bür­gern ausgesprochen wurde, die die Verletzung dieses Prinzips insbesondere durch das zu prüfende Wahlgesetz beanstandet hatten. Jenes Urteil hat alle Berufungsgründe unter der Annahme, dass „die Staaten in diesem Bereich über einen breiten Ermessensspielraum verfügen” für offensichtlich unbegründet erklärt (Abs. 64). Dem Verfassungsgerichtshof steht letztlich zu, die Vereinbarkeit der entsprechenden Bestimmungen mit der Verfassung zu prüfen.

6.– Die Regelung, die infolge der erklärten Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen, die Gegenstand der vom Kassationsgerichtshof erhobenen Einwände waren, in Kraft bleibt, ist „insgesamt geeignet, die Erneuerung des gewählten Verfassungsorgans zu jedem Zeitpunkt zu gewährleisten”, wie dies von der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (letztlich Urteil Nr. 13/2012) verlangt wird. Die Wahlgesetze sind in der Tat „verfassungs­rechtlich notwendig”, denn sie sind „unerlässlich, um die Funktionsweise und die Kontinuität der Verfassungsorgane zu gewährleisten” (Urteil Nr. 13/2012; sowie Urteile Nr. 15/2008, Nr. 16/2008, Nr. 13/1999, Nr. 26/1997, Nr. 5/1995, Nr. 32/1993, Nr. 47/1991, Nr. 29/1987), und ferner dienen sie dazu, die Möglichkeit abzuwenden, dass „die Befugnis der Auflösung durch den Präsident der Republik gemäß Art. 88 itVerf. gelähmt werden kann” (Urteil Nr. 13/2012).

Insbesondere sieht die Regelung, die weiterhin gültig bleibt, einen Mechanismus der Umwandlung der Stimmen in Sitze vor, der die Zuteilung aller Sitze nach Wahlkreisen erlaubt, die unverändert bleiben und der sowohl für die Abgeordnetenkammer als auch für den Senat gilt. Weiterhin bestehen bleibt insbesondere der verhältnismäßige Mechanismus gemäß Art. 1 des DPR Nr. 361/1957 und Art. 1 des GvD Nr. 533/1993, wobei die Zuweisung des Mehrheits­bonusses bereinigt wurde, und die angefochtenen Bestimmungen betreffend die Stimmabgabe werden ergänzt, um die Abgabe einer Vorzugsstimme zu ermöglichen. Es fällt nicht in den Aufgabenbereich des Verfassungsgerichtshofs, die Zweckmäßigkeit und/oder die Wirksamkeit dieses Mechanismus zu bewerten, denn ihm steht nur zu, die Verfassungsmäßigkeit der spezifi­schen angefochtenen Bestimmungen und die sofortige Möglichkeit, mit dem bleibenden Wahlgesetz zu den Wahlen zu schreiten, zu prüfen, wobei diese Bedingung im Zusammenhang mit der Eigenschaft des Wahlgesetzes „verfassungsrechtlich notwendiges Gesetz” steht (Urteil Nr. 32/1993). Zum anderen hatte der verlegende Kassationsgerichtshof bedeutungsvoll präzisiert, dass „die aufgeworfene Frage der Verfassungsmäßigkeit weder darauf abzielt, das gesamte Gesetz Nr. 270/2005 gegenstandslos zu machen, noch es mit einem anderen Gesetz zu ersetzen und sich dadurch in den Ermessensspielraum des Gesetzgebers einzudrängen, sondern darauf, im Wahlgesetz verfassungsrechtlich vorgeschriebene Inhalte (betreffend die Regelung des Mehr­heitsbonusses und der Vorzugsstimmen) wiederherzustellen, ohne die ständige Eignung des Wahlsystems zu beeinträchtigen, die Erneuerung der Verfassungsorgane zu gewährleisten”, unbeschadet des „Falles, dass ein einfacher Feinschliff und eine Säuberung des Gesetzestextes aufgrund von rückständigen Fragmenten nötig sein könnte, wobei der Verfassungsgerichtshof von seiner Befugnis Gebrauch machen und diese Arbeit durchführen kann”.

Die vorliegende Erkenntnis kann nicht über das hinaus gehen, was vom verlegenden Gericht vorgesehen und verlangt wurde.

Bezüglich der Möglichkeit des Wählers, eine Vorzugsstimme abzugeben, können eventuelle scheinbare Unannehmlichkeiten, die sich jedenfalls „weder auf die Anwendung des Wahls­ystems auswirken, noch die Funktionsweise des Gremiums lähmen” (Urteil Nr. 32/1993), gelöst werden, indem gewöhnliche Interpretationskriterien angewandt werden, im Lichte einer Interpre­tation der bereits gültigen Bestimmungen im Zusammenhang mit der Entscheidung des Verfas­sungsgerichtshofs, wie etwa unter Bezugnahme der Regelungen laut Art. 84 Abs. 1 des DPR Nr. 361/1957, und Art. 17 Abs. 7 des GvD Nr. 533/1993, die, insoweit sie vorsehen, dass die Kandidaten auf einer Liste „je nach der Reihung ihrer Namen” im Rahmen der Anzahl der Sitze, die der jeweiligen Liste zustehen, als gewählt gelten, nicht unvereinbar mit der Einführung der Vorzugsstimme erscheinen, da die Reihung auf der Liste nur in Ermangelung des Ausdrucks der Vorzugstimme zum Einsatz kommt. Dasselbe gilt auch im Bezug auf die Modalitäten betreffend die Gestaltung der Stimmzettel laut Art. 31 des DPR Nr. 361/1957 und Art. 11 Abs. 3 des GvD Nr. 533/1993, die, indem sie vorsehen, dass auf dem Stimmzettel die Listenzeichen aller Listen, die im Wahlkreis antreten, gemäß dem Faksimile in den Anhängen dargestellt sein müssen, nicht ausschließen, dass in diesen Schemata ein Platz für die Angabe der Vorzugsstimme vorgesehen ist. Schließlich gilt es auch für die Möglichkeit, die Angabe der Vorzugsstimme als einzige Vorzugsstimme zu verstehen, entsprechend den Ergebnissen des Referendums im Jahr 1991, ein­geräumt mit Urteil Nr. 47/1991, in Bezug auf die Modalitäten der Verhältniswahlen. Ähnliche eventuelle Unannehmlichkeiten könnten darüber hinaus auch durch sekundäre gesetzgeberische Maßnahmen beseitigt werden, die diese Entscheidung und die oben genannten auslegenden Lösungen einfach technisch anwenden. Es versteht sich jedoch, dass der ordentliche Gesetzgeber selbst, wenn er es für nötig erachtet, „die verbleibenden Bestimmungen korrigieren, ändern oder ergänzen kann” (Urteil Nr. 32/1993).

7.– Es ist schließlich offensichtlich, dass die Entscheidung, die angefochtenen Bestimmun­gen zu annullieren, die in parte qua die Bestimmung betreffend die Wahlen der Abgeordneten­kammer und des Senats abgeändert haben, erst anlässlich neuer Wahlen wirksam sein wird, wobei diese Wahlen entweder unter Anwendung der Regelungen, die nach der vorliegenden Entscheidung in Kraft bleiben, oder eventuell unter Anwendung des neuen Wahlgesetzes, das von den Kammern erlassen wird, stattfinden.

 

Dies wirkt sich daher in keinster Weise auf die Maßnahmen aus, die infolge der Entschei­dung während der Gültigkeit der aufgehobenen Bestimmungen erlassen wurden, auch nicht auf die Ergebnisse der abgehaltenen Wahlen und auf die Maßnahmen, die vom gewählten Parlament erlassen wurden. Man muss wohl kaum daran erinnern, dass der Grundsatz, wonach die Rechts­folgen des stattgebenden Urteils durch den Verfassungsgerichtshof, im Einklang mit Art. 136 itVerf. und Art. 30 des Gesetzes Nr. 87/1953, bis auf das Inkrafttreten der annullierten Be­stimmung zurückgehen, und „der normalerweise unter Berufung auf die sogenannte „Rückwirk­samkeit” besagter Urteile ausgesprochen wird, jedoch nur für die noch anhängigen Maßnahmen gilt, und konsequenterweise nicht für die bereits erschöpften, die weiterhin durch das Gesetz, das als rechtsungültig erklärt wurde, geregelt werden” (Urteil Nr. 139/1984).

Die Wahlen, die auch unter Anwendung des Wahlgesetzes, das für verfassungswidrig erklärt wurde, abgehalten worden waren, sind endgültig und offensichtlich beschlossene Sache, da der Prozess der Zusammensetzung der Kammern mit der Bekanntgabe der Gewählten als abge­schlossen gilt.

Gleichermaßen sind die Maßnahmen, die die Kammern vor den neuen Wahlen erlassen wer­den, nicht betroffen.

In diesem Fall gilt das Grundprinzip der Staatskontinuität, die kein abstraktes Gebilde ist, und demnach durch die Kontinuität insbesondere seiner Verfassungsorgane gewährt wird, und zwar all seiner Verfassungsorgane, angefangen vom Parlament. Es besteht also kein berechtigter Zweifel daran – und man muss dies wohl kaum bekräftigen – , dass sich das Urteil in keinster Weise auf die Beschlüsse auswirkt, auch nicht auf jene, die die Kammern vor den neuen Wahlen erlassen werden: die Kammern sind verfassungsrechtlich notwendige und zuverlässige Organe, und sie können zu keinem Zeitpunkt aufhören zu bestehen oder ihre Beschlussfähigkeit ver­lieren. Es stimmt also, dass die Verfassung, gerade um die Staatskontinuität zu gewährleisten, beispielsweise infolge der Wahlen, die Verlängerung der Befugnisse der vorherigen Kammern festschreibt, „solange die neuen Kammern nicht zusammengetreten sind” (Art. 61 itVerf), und auch festlegt, dass die Kammern, „auch wenn sie aufgelöst sind, eigens zu diesem Zwecke einberufen werden und innerhalb von fünf Tagen zusammentreten”, um die Gesetzesdekrete, die von der Regierung erlassen wurden, in ein Gesetz umzuwandeln (Art. 77 Abs. 2 itVerf.).

AUS  DIESEN  GRÜNDEN

erklärt

DER  VERFASSUNGSGERICHTSHOF

1) die Verfassungswidrigkeit des Art. 83 Abs. 1 Nr. 5, und Abs. 2 des DPR vom 30. März 1957, Nr. 361 (Genehmigung des Einheitstextes betreffend die Bestimmungen für die Wahl der Abgeordnetenkammer);

2) die Verfassungswidrigkeit des Art. 17 Abs. 2 und 4 des gesetzesvertretenden Dekrets vom 20. Dezember 1993, Nr. 533 (Einheitstext der Gesetze betreffend die Bestimmungen für die Wahl des Senats der Republik);

3) die Verfassungswidrigkeit der Art. 4 Abs. 2 und Art. 59 des DPR Nr. 361/1957, sowie des Art. 14 Abs. 1 des GvD Nr. 533/1993, insoweit dem Wähler nicht erlaubt wird, den Kandidaten eine Vorzugsstimme zu geben.

So entschieden in Rom, am Sitz des Verfassungsgerichtshofes, Palazzo della Consulta, am 4. Dezember 2013.

Unterzeichnet:

Gaetano SILVESTRI, Präsident

Giuseppe TESAURO, Verfasser

Gabriella MELATTI, Kanzleileiterin

Am 13. Januar 2014 in der Kanzlei hinterlegt.

[1] Gesetze, die über die normative Tragweite einer Verordnung verfügen

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