Antrag auf einstweilige Anordnung

An den Deutschen Bundestag 

z. Hd. Dr. Wolfgang Schäuble, MdB, 

Der Bundestagspräsident

Platz der Republik 1,  11011 Berlin

Vorab per Fax

29. März 2018

Betreff: Eilsache / zugestellt per Fax 030 / 227 – 36878 Aktenzeichen WP 193/17

In Sachen Einspruch gegen die Bundestagswahl v. 24.9.2017

der Damen und Herren:

1.) Axel Schlicher, An der Neuwiesen 20 a), 67677 Enkenbach-Alsenborn;
2.) Dr. Manfred Hettlage, Nibelungenstr. 22, 80639 München, (Gruppenbeauftragter) 3.) Marena Bowden, Außerhalb Niedersaulheim 4, 55291 Saulheim; 4.) Friedrich Schaffarth, Höhenweg 17, 50129 Bergheim;
5.) Oliver Krauss, Carlo-Mierendorff-Str. 25, 67574 Osthofen;
6.) Thomas Wolf, Hauptstr. 37, 67724 Höringen; 7.) Stefan Schmidt, Hinter den Gärten 37, 66287 Quierschied; 8.) Angela Mayer, Keltenweg 73, 67663 Kaiserslautern;
9.) Christian Kiefer, Potzemergarten 9, 54450 Freudenburg;
10.) Daniela Gmeiner, Meißenerstr. 41 a, 90522 Oberasbach; 11.) Michaela Gmeiner, Meißenerstr. 41 a, 90522 Oberasbach; 12.) Thomas Vogler, Rumfordstr. 17, 80469 München; 13.) Ingo Klein, Ermlandstr. 3, 75181 Pforzheim;
14.) Rolf Lindner, Calandrellistr 15, 12247 Berlin;
15.) Stefanie Bauer, An den Neuwiesen 20, 67677 Enken­bach-Alsenborn; 16.) Kurt Frühauf, Randsiedlung 20, 67677 Enkenbach-Alsenborn;
17.) Günter Appel, Hohlstr, 22, 67724 Gonbach
18.) Rolf Heiss, An der Neuwiesen 20, 67677 Enkenbach-Alsenborn; 19.) Dr. Annelie Grasbon, Am Rain 15, 85767 Hettenshausen; 20.) Dr. Jürgen Frohwein, Dorfstr. 17, 14913 Hohengörsdorf; und andere;

stelle ich, Dr. Manfred C. Hettlage, Beteiligter zu 2.) als Gruppenbevollmächtigter im Sinne des § 2 Abs. 3 WahlprüfG

Antrag auf einstweiliger Anordnung nach § 32 BVerfGG.

Der Unterzeichner ist Gruppenbevollmächtigter von 50 wahlberechtigten Staatsbürgern, die nach Art. 41 Grundgesetz, beim Deutschen Bundestag, form- und fristgerecht Einspruch gegen die Bundestags­wahl v. 24.9.2017 eingelegt haben. Axel Schlicher und Marena Bowen, sind weitere Beteiligte des Verfahrens, das unter dem Aktenzeichen WP 193/17 beim Deutschen Bundestag anhängig ist. Der Schriftsatz liegt dem Deutschen Bundestag vor.

Der Rechtsweg für die Wahlprüfung ist in Art. 41 GG vorgegeben. Diese Verfassungsnorm garantiert den Staatsbürgern die ordnungsgemäße Zusammensetzung des Parlaments. Für den Wahleinspruch ist das Wahlprüfungsgesetz einschlägig. Darin ist das Rechtsmittel der einstweiligen Anordnung nicht vorgesehen. Diese Lücke im Gesetz ist nicht verfassungskonform und widerspricht der Rechtswegga­rantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz. In dieser Situation ist hilfsweise die höchstinstanzliche Vor­schrift des § 32 BVerfGG analog anzuwenden. Es kann nicht sein, dass in der Letztinstanz ein einst­weiliger Rechtsschutz besteht, in der Eingangsinstanz aber nicht.

Antrag:

Als Unterzeichner und Gruppenbevollmächtigte, beantrage ich, Dr. Manfred C. Hettlage, Beteiligter zu 2.), hiermit

– im Eilverfahren –

dass der Deutsche Bundestag in seinen Plenum unverzüglich die einstweilige Entscheidung trifft wie folgt: Bis zur Abstimmung des Bundestages über den Wahleinspruch WP 193/17 in der Hauptsache nehmendie 65 Abgeordneten, die lediglich ein nachgeschobenes Ausgleichsmandat bekleiden, nicht länger an der parlamentarischen Willensbildung teil und sind von allen Abstimmungen im Plenum und den Ausschüssen, insbesondere im Wahlprüfungs-Ausschuss ausgeschlossen.

Begründung:

I.

Wie bekannt sind 709 Abgeordnete in den 19. Deutschen Bundestag eingezogen. Von ihnen wurden 299 in Wahlkreisen unmittelbar gewählt, wie es das Grundgesetz in Art. 38 verlangt. 410 Abgeordne­ten sind dagegen nur mittelbar über die Landeslisten der Parteien in das Parlament gelangt. Auf die Zusammensetzung und die ausschlaggebende Reihenfolge der Listen können die Wähler keinen Ein­fluss nehmen. Das verletzt die Volkssouveränität bei der personellen Besetzung des Bundestages.

Wie aus dem amtlichen Stimmzettel unstreitig hervorgeht, wird mit der Zweitstimme der Namen einer Partei gekennzeichnet. Vgl. § 30 Abs. 1 Ziff. 2 BWahlG. Es handelt es sich bei den 410 allein mit der Zweitstimme nur mittelbar gewählten Abgeordneten also nicht um eine Personen- sondern um eine blanke Parteienwahl. Dazu hat das Verfassungsgerecht in der sog. „Nachrücker-Entscheidung“ vom 26.2.1998, (BVerfGE 97, 317 (323)) festgehalten: „Eine bloße Parteienwahl schließt die Verfassung aus.“ Diese Auffassung ist schon den der sog. „Vier-zu-vier-Grundsatzentscheidung“ vom 10.4.1997, (BVerfGE 95, 355 (349)) anzutreffen.

Erschwerend kommt hinzu, dass unter den 410 nur mittelbar gewählten Abgeordneten 46 Mitglieder des Bundestages anzutreffen sind, die ein Überhangmandat bekleiden, das allgemein missbilligt wird. Außerdem hat das BVerfG v. 25.7.2012 (BVerfGE 131, 316) die Überhangmandate gedeckelt: Mehr als eine halbe Fraktion, d.h. 15 Überhänge sind nicht mehr verfassungskonform. Gewiss, die 46 Über­hänge wurden ausgeglichen, aber nicht durch 46 sondern durch weitere 65 Personen, denen ein nach­geschobenes Aufstockungsmandat zugeteilt wurde nachdem die Wahllokale schon geschlossen waren und eine Abstimmung durch das Wahlvolk gar nicht mehr zum Zuge kommen konnte. Den Abge­ordneten mit Ausgleichsmandat fehlt daher jede demokratische Legitimation.

Im Ergebnis sind 410 Abgeordneten nicht unmittelbar gewählt worden. Unter ihnen sind 111 Abge­ordnete, die nur bedingt oder überhaupt nicht durch eine Abstimmung v. 24.9.2017 legitimiert sind. Außerdem übersteigt der Ausgleich den Überhang, so dass 19 Abgeordneten mit Ausgleichsmandat gar kein Überhang gegenübersteht. Kurzum, das Wahlrechts-Änderungsgesetz – es ist bereits das 22. seiner Art in nur 18. Legislaturperioden – kann vor dem Grundgesetz offensichtlich keinen Bestand haben. Das gilt vor allem und in erster Linie für die 65 Abgeordneten, die lediglich ein nachgeschobe­nes Aufstockungsmandat bekleiden. Sie wurden nicht in allgemeiner, nicht in unmittelbarer, nicht in freier, nicht in gleicher, und auch nicht in geheimer Wahl gewählt. – Sie wurden überhaupt nicht ge­wählt!

II.

Das Verfassungsgericht hat für die Bearbeitung von Wahleinsprüchen eine Bearbeitungsdauer von einem Jahr akzeptiert. Das trifft zu. Vgl. Johann Hahlen in: Schreiber, BWahlG / Kommentar, 9. Aufl. 2013, § 49, Rdnr 34, Anm. 150. Es kann aber nicht sein, dass mehr als die Hälfte der Mitglieder des Bundestages keine gesetzlichen Abgeordneten sind und das für eine Dauer von einem Jahr ohne einst­weiligen Rechtschutz hingenommen werden muss. In dieser Situation muss das Auge auf die Vor­schrift des § 32 BVerfGG fallen, in der die einstweilige Anordnung für die Höchstinstanz geregelt wurde, die auch in der Eingangsinstanz analog anzuwenden ist.

Der Bundestag hat fast ein halbes Jahr vertrödelt, bis er sich zur Kanzlerwahl durchringen konnte. Er hatte Zeit genug, um in einer so dringlichen Angelegenheit durch den Wahlprüfungsausschuss eine Beschlussempfehlung zu erstellen und darüber im Plenum abzustimmen, um damit dem Zügigkeits­gebot nachzukommen. (Vgl. BVerfGE 121, 266, 289; u. BVerfGE 123, 39 (64)) Das hat der Bundes­tag nicht getan. An der Kanzlerwahl haben daher 410 von insgesamt 709 Mitgliedern des Bundestages teilgenommen, die keine gesetzlichen Abgeordneten sind. Ihnen fehlt die demokratische Legitimation der unmittelbaren Wahl. Unter diesen 410 Abgeordneten, denen die demokratische Legitimation fehlt, gibt es 65, die überhaupt nicht gewählt worden sind. – Und das ist absolut indiskutabel.

Ein besonders wichtiger Grund, die Abgeordneten mit Ausgleichsmandat von der Mitwirkung aus der parlamentarischen Willensbildung bis zur endgültigen Entscheidung des Bundestages in der Hauptsa­che auszuschließen, liegt somit vor. Die Voraussetzung der analogen Anwendung von § 32 BVerfGG ist damit erfüllt. Dieser besonders wichtige Grund schlägt auf die Nachteilsabwägung durch: Es ist besser die 65 nicht gewählten Abgeordneten fälschlich von der parlamentarischen Willensbildung aus­zuschließen, als sie daran fälschlich, über die Kanzlerwahl hinaus, noch länger zu beteiligen.

Bekräftigung des Eilantrags und Frist

Als Bevollmächtigter der Gruppe von Wahlberechtigten, die in dem Verfahren WP 193/17 bereits Ein­spruch gegen die Bundestagswahl eingelegt hat, fordert ich daher den Deutschen Bundestag auf, wie beantragt zu entscheiden: Die 65 Abgeordneten, die lediglich ein nachgeschobenes Aufstockungsman­dat bekleiden, nehmen so lange nicht an der parlamentarischen Willensbildung des Bundestages teil, bis über den Wahleinspruch WP 193/17 in der Hauptsache im Plenum des Bundestages entschieden wurde, die Abstimmung über den Wahleinspruch WP 193/17 eingeschlossen.

Eilanträge dulden keinen Aufschub. Sie sind sofort zu entscheiden. Mit Rücksicht auf die Erreich­barkeit der Mitglieder des Bundestages setze eine Frist innerhalb der nächstfolgenden Sitzungswoche des Bundestages, und zwar am Dienstag, den 17. April 2018.

Gezeichnet Dr. Manfred C. Hettlage, (Gruppenbevollmächtigter) Zustimmend: Marena Bowden und Axel Schlicher (beide als Verfahrensbeteiligte)

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