„Die bloße Parteienwahl …

 … schließt die Verfassung aus“

Am Rande der sog. „Nachrücker-Entscheidung“ v.  26.2.1998, BVerfGE 97, 317 hat das BVerfG einen Satz von großer Tragweite fallen lassen und gesagt: „Die bloße Parteienwahl schließt die Verfassung aus.“ Zwar wird dieses obiter dictum im Schrifttum gelegentlich zitiert z. B. bei Sodan/Ziekow, (Öffentliches Recht, 6. Aufl. 2014, § 6, Rdnr 40, mit Hinw. auf v. Arnim, NJW 2009, 2934 (2936)), seine grundliegende Bedeutung, aber nicht weiter kommentiert.

Für eine Sensation musste daher Der Rechtsvergleich sorgen. Denn die „Corte costituzionale“ mit Sitz im Palazzo Consulta auf dem Quirinal in Rom hat mit ihrer „sentenza no. 1“ vom 13.1.2014 u.a. auch die Wahl mit offenen Listen verlangt, wie das bei den Kommunalwahlen allge­mein üblich ist. Außerdem hat die Corte die „Siegerprämien“ verworfen, bei denen die Mandate der Partei mit den meisten Stimmen zu Lasten der Konkurrenzparteien so lange aufgestockt werden, bis diese alleine die absolute Mehrheit aller Sitze im Parlament überwindet.

Die 15 Richter des itVerfG begründeten ihre höchstrichterliche Anordnung – künftig nur mehr mit offenen Listen zu wählen – mit der Feststellung, dass es anders keine unmittelbare Verbindung zwischen den Wählern und der Person der Gewählten gebe. (Vgl. www.cortecostituzionale.it unter dem Datum des 13.1. 2014.) „In definitiva è la circostanza que alla totalità dei parlamentari eletti, senza alcuna eccessione, manca il sostegno della indicazione personale dei cittadini …“. – „Entscheidend ist der Umstand, dass der Gesamtheit aller gewählten Abgeordneten, ohne jede Ausnahme, die persönliche Auswahl durch die Bürger fehlt …“ (Vgl. auch Francesco Palermo, Wahlrechts­urteil-Italiens-/… www.verfassungsblog.de).

Gegensatand der Wahlen sind grundsätzlich nicht die politischen Parteien, sondern die Abgeordneten, natürliche Personen also. In Art 21 GG heißt es nicht, dass die Parteien gewählt werden. Dort heißt es vielmehr: „Die Parteien wirken an der politischen Willensbildung des Volkes mit.“ Sie tun das in vielfacher Hinsicht, vor allem aber durch die Nominierung ihrer Kandidaten für den Bundestag, die Landtage und die Gemeinden. (Vgl. § 1 Abs 2 ParteienG.) Sie haben dabei eine Schlüsselstellung, aber kein Nominierungs-Monopol. (Vgl. dazu auch Stelen/Schreiber, BWahlG,  9. Aufl.  2013, Einl., Rdnr 16.) Der Grundsatz der freien Wahl gilt auch für das passive Wahlrecht. Es müssen daher auch parteiunabhängige Bürger von den Wahlberechtigten aufgestellt und gewählt werden können.

Noch klarer und bestimmter wird die Sache in Art. 38 GG formuliert. Dort wird ausdrücklich festgehalten, dass es nicht die Parteien sind, die gewählt werden, sondern die Abgeordneten. Daran lässt der Wortlaut der Verfassungsnorm keinen Zweifel. Denn es heißt dort: „Die Ab­geordneten werden (…) gewählt“. Mitglieder des Bundestages sind nicht die politischen Par­teien, auch dann nicht, wenn sie juristische Personen sind. Mitglieder des Parlaments können nur natürliche Personen sein. Sie alleine sind der Gegenstand der Absstimmung!

Für das deutsche Wahlrecht mit zwei Stimmen ergibt sich als Konsequenz, dass die vorgeschobene, den Wählern vorbehaltene Personalisierung der Listen, die von den Parteien aufgestellt wurden, (personalisierte Verhältniswahl) alle 631 Abgeordneten erreichen muss, die 2013 gewählt wurden. So war es aber nicht. Tatsächlich wurden vorab nur 299 der insgesamt 631 Abgeordneten in den Wahlkreisen unmittelbar und namentlich ausgewählt. Denn niemand kann 631 Listenplätze durch eine vorgeschobene Direktwahl personlalieren, wenn es nur 299 Wahlkreise egibt.  Bei 332 Abgeordneten fehlte die persönliche Auswahl durch die Wähler – ein untragbarer Konstruktinsfehler der personalisierten Verhältniswahl!

 

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