DIE UNMITTELBARE WAHL DER ABGEORDNETEN


Wenn die Wähler „die Katze im Sack kaufen“

Eigentlich ist die Wahl der Mitglieder des Parlaments denkbar einfach. So scheint es jedenfalls. Die Wähler kennzeichnen einen amtlichen Stimmzettel, kreuzen die Partei an, die sie an die Macht bringen wollen, falten ihre Zettel und werfen sie in eine Wahlurne. Doch der Schein trügt. Denn es gibt sehr unterschiedliche Wahlsysteme, allen voran die sog „Verhältniswahl“ und die sog. „Mehrheitswahl“.

Bei der Verhältniswahl bleibt die Nominierung der Kandidaten den Parteien überlassen. Deshalb wird sie auch als Parteienwahl bezeichnet. Die Wähler können die alles entscheidende Platzierung der Kandidaten auf den Landeslisten der Parteien nicht beeinflussen. Sie müssen die Liste der Parteien „en bloc“ wählen, ohne daraus eine Person namentlich auswählen können. Die Wähler können die Person der Kandidaten nur mittelbar wählen.

Die Verhältniswahl kann vor dem Grundsatz der unmittelbaren Wahl der Abgeordneten, wie ihn das Grundgesetz anordnet, keinen Bestand haben. Die Bundeslisten, die es vor 2013 gab, wurden aus gutem Grunde abgeschafft. Wahlgebiete müssen überschaubar sein. Sind die Wahlgebiete zu groß, werden die Listen zu lang. Die Wähler können die Kandidaten, die sie in das Parlament wählen sollen, nur schlecht oder gar nicht kennen. Sie müssen also „die Katze im Sack“ wählen. Mit dem Grundgesetz hat das herzlich wenig zu tun.

Eine namentliche Wahl der Abgeordneten findet nicht statt

Bundeslisten sind daher von vorne herein völlig praxisuntauglich. Aber auch Landeslisten mit 128 Bewerbern wie in NRW oder 92 Bewerbern wie in Bayern bleiben hochproblematisch. Sieht man von den fünf Listenführern ab, die auf den Stimmzetteln zu den Bundestagswahlen ausgedruckt werden, wissen die Wähler überhaupt nicht, wem sie Ihre Stimme geben. Nicht einmal aus den Stimmzetteln der Parteien können sie eine namentliche Auswahl treffen. Bei der Verhältniswahl haben die politi­schen Parteien ein Nominierungsmonopol. Die Wähler können dazu „Ja“ sagen oder es bleiben lassen und die Liste einer anderen Partei auswählen. Eine unmittelbare Wahl der Abgeordneten, wie sie das Grundgesetz verlangt findet in beiden Fällen nicht statt.

Das Gegenstück zur Verhältniswahl ist die sog. „Mehrheitswahl“. Sie wird abfällig oft als „relativ“ bezeichnet. Anders als die sog. „Verhältniswahl“ zielt die Mehrheitswahl unmittelbar auf die Person des Abgeordneten ab. Gewählt ist, wer in einem Wahlkreis von überschaubarer Größe die meisten Stimmen erhält. Deshalb gibt es nicht erst auf der obersten Stufe, sondern schon auf der untersten Stufe der demokratischen Willensbildung Sieger und Verlierer. In der Personenwahl gilt also von Anfang an das berühmte K.O.-System, das aus den Endrunden in Fußballturnieren bekannt ist und im Sport allgemein akzeptiert wird.

Die Demokratie muss vom Kopf wieder auf die Füße gesellt werden

In der Politik ist das anders. Hier wird sogar oft genug das demokratische Grundprinzip: „Mehrheit entscheidet“ in Frage gestellt. Viele Wahlverlierer erkennen das nicht an. Sie wollen den Wahlsiegern „in die Parade fahren“ fordern die sog. „Verhältniswahl“ und verlangen für die unterlegene Minder­heit die Beteiligung an der Machtausübung in Gestalt einer Koalitionsregierung. Als Koalitionspartner erhalten die kleinen Parteien eine Sperrminorität. Minderheiten erlangen so Macht über die Mehrheit: Dadurch wird die Demokratie auf den Kopf gestellt.

Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus. Das Volk tut seinen Willen in Wahlen kund. Sie wählen aus ihren eigenen Reihen Personen aus, die sich dafür zur Verfügung stellen, in der Volksvertretung, d.h. im Parlament an der Willensbildung mitzuwirken, was im öffentlichen Interesse liegt. – Das und nichts anderes ist eine unmittelbare Wahl der Abgeordneten!

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