Eher eine Schönheitsreparatur als eine Reform des Wahlrechts

In 19 Legislaturperioden hat es 25 Wahlrechts-Änderungsgesetze gegeben. Einige Stimmen befürchten, dass bei der nächsten Bundestagswahl mit 670 bis 680 Abgeordneten zu rechnen sei. Sollte das zutreffen, würde die jüngste Reform ihre Akzeptanz vollständig verlieren. Auch haben die FDP, die Linken und die Grünen beim Verfassungsgericht eine Normenkontrollklage, sogar mit Eilantrag, anhängig gemacht. Das alleine kann bereits zu unangenehmen Überraschungen führen. Sogar der Bundestag selbst sieht die jüngste Reform nicht als endgültig an. Denn bis 2023 soll eine Arbeitsgruppe weitere Reformvorschläge unterbreiten können. Der Gesetzgeber weiß offenbar selbst nicht genau, was er will.

Die Aufstellung von Landeslisten für die Wahl am September 2021 bringt gerade in Corona-Zeiten die kleinen Parteien in besondere Schwierigkeiten. Etablierte Parteien, die im Bundestag oder einem Landtag mit mindestens fünf Abgeordneten vertreten sind, werden als Parteien anerkannt und können ihre Landeslisten ohne Sammlung von Stützunterschriften einreichen. Alle sonstigen Parteien werden als „Splitterparteien“ eingestuft und müssen durch 2000 Stützunterschriften ihre soziale Relevanz unter Beweis stellen. Das gilt auch für die Wahlkreise. Wer nicht von einer anerkannten Partei aufgestellt wurde, kann als Einzelbewerber nur kandidieren, wenn seine Kandidatur von 200 im Wahlkreis stimmberechtigten Bürgern unterstützt wird. (Freie Kandidatur oder Bürgerkandidatur).

Der Konflikt mit den Kontaktbeschränkungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie liegt auf der Hand. Die Grünen beantragen deshalb die erforderlichen Stützunterschriften auf 30 Prozent der bisher geltenden Werte zu beschränken. Zwar hat das Verfassungsgericht soeben (27.4.2021) einen entsprechenden Antrag abgelehnt. Er war von der Bayernpartei und der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) auf dem Rechtsweg anhängig gemacht worden. Gleichwohl hat das Gericht eine Änderung angemahnt, und damit den Gesetzgeber in Zugzwang gebracht.

Ohne hier auf weitere Details einzugehen, ändert sich durch eine Nachbesserung nur sehr wenig: 2013 haben 34 Parteien Landeslisten eingereicht. 2017 waren es 42. Mag sein, dass 2021 wegen der Absenkung des Quorums noch einige Kleinparteien hinzukommen. Sie werden jedoch – wie bisher – an der Bundes-Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Mit einer Zunahme der sechs Parlamentsparteien ist jedenfalls nicht zu rechnen. Je mehr Parteien an der Sperrklausel scheitern, umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Überhängen kommt. Die Herabsetzung des Quorums ist also eher eine problematische Schönheitsreparatur als eine Beseitigung des Missstandes, dass es im Bundestag nach wie vor mehr Abgeordnete gibt als regulär Sitze zur Verfügung stehen.

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