Fraktionsflucht im Bundestag?

Abgeordnete, die aus ihrer Fraktion austreten, ihren Sitz im Parlament aber behalten, sind zwar relativ selten, kommen aber vor. Zum Stand 19.3.2021 werden von der Verwaltung des Bundestages 8 Fälle benannt: Frauke Petry (AfD); Mario Mieruch (AfD); Marco Bülow (SPD); Uwe Karmann (AfD); Lars Herrmann (AfD); Verena Hartmann (AfD); Frank Pasemann (AfD); und Georg Nüßlein (CSU). Weitere Fälle sind inzwischen hinzugekommen. Sechs der genannten Abgeordneten wurden mit der Erststimme in einem Wahlkreis gewählt, zwei weitere (Verena Hartmann; Frank Pasemann) sind mit der Zweitstimme über die Landeslisten in den Bundestag eingezogen.

In allen acht Fällen kommt eine Nachfolgeregelung nach § 48 BWahlG nicht in Betracht, denn die „Fraktionslosen“ sind ja nicht (oder erst später) aus dem Parlament ausgeschieden. Der bekannteste Fall war wohl Frauke Petry, ehemalige Vorsitzende der AfD. Sie hat für ihre Partei 2017 im Wahlkreis 158 (Sachsen) den Sieg errungen. Das mit der Erststimme errungene Mandat verbleibt der direkt gewählten Abgeordneten. Deshalb entsteht nach dem Ausscheiden aus der Fraktion ein zusätzliches Überhangmandat. Das gilt auch für die verbleibenden Fälle, sei es dass sie über die Wahlkreise, sei es dass sie über die Landeslisten Mitglieder des Bundestages wurden. Ziehen sie über eine Landesliste in das Parlament ein, verlassen sie die Fraktion, behalten aber den Listenplatz. Der Überhang schlägt sich in diesem Fall bei der Fraktion nieder, die einen Listenplatz eingebüßt hat, es sei denn, die entsprechende Partei konnte in der Wahl von vorne herein überhaupt keine Direktmandate erringen.

Entstehen neue Überhänge, muss auch der Ausgleich (nach § 46 Abs. 1 Ziff. 2 BWahlG) neu festgestellt werden. Das geschieht aber nicht. Zuständig wäre der Ältestenrat des Bundestages. (§ 47 Abs. 3 BWahlG). Er sollte unverzüglich und von Amtes wegen handeln, hüllt sich aber in Schweigen.

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