Weder überzählig noch unzulässig: die sog. „Überhangmandate“

Der Bundestag hat 598 Mitglieder. Es gibt aber nur 299 Wahlkreise, aus denen für die Wahl mit der Erststimme insgesamt nicht mehr als 299 Direktmandate hervorgehen können. Für die Wahl mit der Zweitstimme würden daher genau 299 Listenplätze verbleiben. So steht es im Bundeswahlgesetz. Aus beiden Wahlen entstünden daher genau 598 Abgeordnete. So ist es aber nicht, denn es kann zu „Abweichungen“ kommen, die das BWahlG zulässt. Nach deutschem Wahlrecht ist die Sollzahl der Abgeordneten keine feste Größe, sondern eine unbestimmte Menge mit einer offenen Obergrenze. Die Sollzahl der Volksvertreter weicht also von der Ist-Zahl regelmäßig ab. 2013 gab es 631 Abgeordnete, 2017 waren es 709, und 2021 wurden 736 gezählt.

Der Bundestag hat 598 Mitglieder. Es gibt aber nur 299 Wahlkreise, aus denen für die Wahl mit der Erststimme insgesamt nicht mehr als 299 Direktmandate hervorgehen können. Für die Wahl mit der Zweitstimme würden daher genau 299 Listenplätze verbleiben. So steht es im Bundeswahlgesetz. Aus beiden Wahlen entstünden daher genau 598 Abgeordnete. So ist es aber nicht, denn es kann zu „Abweichungen“ kommen, die das BWahlG ausschließt.

Zu den 299 Direktmandaten kommen die sog. „Überhangmandate“ hinzu, obwohl es jenseits der 299 Wahlkreise gar keine überzähligen Direktmandate geben kann. Überzählige Direktmandate gibt es nicht. Nach der herrschenden Meinung kann es aber nicht sein, dass die im Land errungenen Listenplätzen einer Landespartei gegenüber den im Land errungenen Direktmandaten in der Unterzahl sind. Aus dieser Auffassung entsteht die unsinnige Figur eines ordnungsgemäß gewählten Wahlkreissiegers mit überzähligen, d.h. unzulässigen Direktmandat. Zu den Direktmandaten darf man keine weiteren Überhänge hinzuzählen.

Die Wähler geben ihre Stimme ab. Doch unter den gewählten Abgeordneten gibt es keine überzähligen Volksvertreter, denen das von ihnen erlangte Direktmandat nicht zusteht. Es gibt einfach keine Wahlkreis-Sieger, die zu Unrecht gesiegt haben. Sind die Wahllokale geschlossen und beide Stimmen ausgezählt, dann gibt es genau 299 Wahlkreis-Sieger, die aus den Erststimmen hervorgehen. Hinzu kommen aus den Zweitstimmen weitere 299 Listenplätze, die auf die jeweiligen Landesparteien verteilt werden können. Zwei Stimmen sind zwei Wahlen. Kommt es dabei auf Landesebene zu „Abweichungen“, gehen diese auf den Willen der Wähler zurück. Und der Wille der Wähler kann vom Gesetzgeber nicht nachgebessert werden. Direktmandate sind weder überzählig noch unzulässig. – Deshalb Hände weg vom Wahlergebnis!

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