Der „Pferdefuß“ der Verhältniswahl
In Thüringen ist am 14.9.2014 gewählt worden. Welche Koalition nach der Landtagswahl die Regierung übernimmt, das bestimmen aber nicht die Wähler, sondern die politischen Parteien. Die Mehrheit der Wähler wollte eine große Koalition. Zu diesen Ergebnis kommen die meisten Meinungsumfragen. Die Wähler bekamen sie aber nicht, weil nicht die Wähler, sondern die Parteien über die Koalitionen entscheiden, nachdem die Wahllokale längst geschlossen sind. Und das ist der große „Pferdefuß“ der Verhältniswahl: Die Wähler geben ihre Stimmen ab … – und der Rest ist Schweigen!
Wer das Wahlergebnis in Thüringen unter die Lupe nimmt, den beschleichen darüber hinausgehende, schwerwiegende Zweifel. Im Land wird nach der so genannten „personalisierten Verhältniswahl“ abgestimmt. Die Wähler haben zwei Stimmen. Mit der Erststimme wählen sie eine Person in einem der 44 Wahlkreise des Landes. Die Zweitstimme gilt der Partei und entscheidet über die „Mächtigkeit“, d.h. über die „Mannschaftsstärke“ der Fraktionen im Landtag.
Nun hat die CDU in 34 der insgesamt 44 Wahlkreise den Sieg errungen (ca. 77 Prozent aller Wahlkreise). Und das ist ein sehr gutes Wahlergebnis. Als Partei konnte sie 33 von 88 Listenplätzen erlangen und wurde damit die stärkse Partei im Erfurter Landtag. Die Linke errang allerdings nur 9 Direktmandat, die „Volkspartei“ SPD sogar nur ein einziges. Die Grünen und die AfD gingen leer aus. Beide konnten für keinen ihrer Listenplätze auch nur einen einzigen Wahlkreissieger aufbieten.
Keine Wahl unter gleichen Bedingungen
Es liegt auf der Hand, dass bei den Grünen und der AfD von einer „personalisierten Verhältniswahl“ überhaupt keine Rede sein kann. Beide Parteien wurden allein mit der Zweitstimme gewählt. Bei der SPD sieht es nicht viel besser aus. Dagegen sind 33 Abgeordneten auf der Liste der CDU ohne Ausnahme mit beiden Stimmen, mit der Erst- und der Zweitstimme gewählt worden. Die CDU hat sogar 34 Direktmandate errungen, eines mehr als dazu notwendig war. Eine Wahl unter gleichen Bedingungen ist das nicht!
Es kann aber auch gar keine Wahl unter gleichen Bedingungen sein. Denn es gibt 88 Sitzen im Landtag von Erfurt, in ganz Thüringen aber nur 44 Wahlkreise. Und niemand kann 88 Sitze durch eine vorgeschobene Wahlentscheidung personell näher bestimmen, wenn es nur 44 Wahlkreise gibt. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Denn dafür gibt es gar nicht genug Wahlkreise.
Außerdem müssen die Wähler beide Stimmen immer und in jedem Fall für die gleiche Partei abgeben. Doch das war nicht der Fall. Denn man kann nicht mit der Erststimme vorab eine Person auswählen, und die Zweitstimme für eine andere, eine konkurrierende Partei abgeben, auf deren Liste man die mit der Erststimme gewählte Person gar nicht anrechnen kann. Das gibt keinen Sinn!
Die Zahl der Wahlkreise muss also der Zahl der Sitze im Parlament entsprechen. Und beide Stimmen müssen immer für die gleiche Partei abgegeben werden. So wie sie in Thüringen tatsächlich praktiziert wurde, hat die personalisierte Verhältniswahl, d.h. das duale Wahlsystem mit Erst- und Zweitstimme von vorne herein einen massiven „Sprung in der Schüssel“. Die Landtagswahl in Thüringen kann vor dem Grundgesetz keinen Bestand haben.
Aber wie so oft, so auch in Thüringen: Wo kein Kläger, da kein Richter,