Rückkehr zum Stimmzettel von 1949: Sofortmaßnahme

Wenn man zum Stimmzettel zurückkehrt, wie er 1949 in Gebrauch war, löst sich die Über­füllung des Bundestages in Wohlgefallen auf. Auf Konrad Adenauer geht das Dictum zurück: Die großen Dinge sind meist sehr einfach. Genau so ist es auch beim Wahlrecht. Werden Erst- und Zweitstimmen im Verbund abgegeben, dann entsteht daraus ein Mandat, denn es wird im Ergebnis über ein Mandat zweimal abgestimmt. Werden beide Stimmen aber von einander getrennt, dann entstehen aus der Doppelwahl zwei verschiedene Mandate, eines aus der Erststimme und noch eines aus der Zweitstimme. Das Splitting ist also die Mutter der Überhänge.

1.

Bei der ersten Bundestagswahl im Jahre 1949 konnte man den Stimmzettel nur einmal kenn­zeichnen, d.h. ankreuzen. Eine getrennte, eine gespaltene Wahl gab es 1949 nicht und konnte es nicht geben. Sie wurde erst mit der zweiten Bundestagswahl im Jahre 1953 möglich, bei der die Wähler den Stimmzettel zweimal kennzeichnen konnten. Das war die Geburtsstunde der Doppelwahl mit zwei verschiedenen Stimmen, die man voneinander trennen und gegen­einander richten konnte.

Zuerst muss das Stimmensplitting weg. Wer das Wahlrecht reformieren will, muss die ge­trennte, die gespaltene Abstimmung, das sog. Splitting unterbinden. Es ist die Hauptursache für die Überhänge. Würden beide Stimmen im Verbund für einen Wahlkreisbewerber und die Partei abgegeben, die ihn aufgestellt hat, gäbe es keine oder fast keine Überhänge und als Folge davon auch keine Ausgleichsmandate. Ohne Splitting hätte der Bundestag 598 Mit­glieder. Bei den großen Parteien fielen die Überhänge weg und bei den kleinen die Aus­gleichsmandate. Die Beseitigung des Stimmensplittings wäre deshalb eine besonders über­parteiliche Lösung.

2.

Geht man der Sache auf den Grund, dann ist das Stimmensplitting ungesetzlich, aber niemand kümmert sich darum. In § 1 Abs. (1) Satz 2 BWahlG wird eine „mit der Personenwahl ver­bundene Verhältniswahl“ angeordnet. Und das schließt eine getrennte, eine gespaltene, die unverbundene Abstimmung natürlich aus, die allgemein als Stimmensplitting bezeichnet wird. Das Wahlgesetz geht also von der Verbund-Abstimmung aus. Leider gehört das Split­ting seit 1953 zum gewohnten Bild aller Bundestagswahlen.

2017 gaben 3,85  Mio. Wähler ihre Erststimme für den gewünschten Wahlkreisbewerber ab, wählten seine Partei aber nicht mit der Zweitstimme. Umgekehrt wählten 2,08 Mio. Wähler mit der Zweitstimme die gewünschte Partei, verweigerten aber dem von ihr aufgestellten Kandidaten die Erststimme. Und das genügte schon für 46 Überhänge und 65 Ausgleichsman­date.

3.

Eine zielführende Reform ist leichter zu bewerkstelligen als gedacht. Der Bundestag muss sich lediglich darauf einigen, den Stimmzettel wieder einzuführen, wie er 1949 in Gebrauch war. Er ist im Internet leicht zugänglich. Es gibt also eine weitgehend überparteiliche So­fortmaßnahme, die sich noch vor dem Wahltermin 2021 leicht umsetzen lässt: die Stimm­zettel wie sie 1949 in Gebrauch waren.

Freilich bleibt bestehen, dass es 299 Direktmandate gibt im Bundestag aber 598 Mitglieder Sitz und Stimme haben. Man muss also die Zahl der Wahlkreise durch Halbierung verdop­peln, um alle Abgeordneten überhaupt mit beiden Stimmen wählen zu können. Die Zahl der Wahlkreise muss mit der Zahl der Mitglieder des Bundestages deckungsgleich sein. Eine so tiefgreifende Maßnahme lässt sich aber nicht schon zur Wahl von 2021 umsetzen. Das muss aber nicht bedeuten, dass dies nicht schon jetzt, mit Wirkung für 2025 beschlossen werden kann.

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