Zu viele Listenplätze im Saarland?

Judex non calculat – Richter rechnen nicht

… genau, so ist es! … jetzt ist der Groschen endlich gefallen! Für das Saarland ergibt sich nachfolgend die eigentlich sehr simple Muster-Rechnung: Nach seinem Bevölkerungsanteil stehen dem kleinsten aller Bundesländer 7 Plätze im Berliner Bundestag zu. Das Land ist in 4 Wahlkreise eingeteilt. Es verbleiben also 3 reine Listenplätze.

Bei der Bundestagswahl am 22. September 2013 hat in allen  4 Wahlkreisen ein von der CDU aufgestellter Kandidat gewonnen. Die CDU-Landesliste erbrachte aber nur 3 Listenplätze. Folglich war sie „überpersonalisiert“. Denn die Liste erbrachte ein Mandat weniger als die Wahlkreise des Landes. Als Folge davon zogen 4 CDU-Abgeordnete mit Direktmandat in den Bundestag ein. Es fielen aber nur 3 CDU-Listenplätze unter den Tisch. Die Zweitstimmen, die bei der CDU fehlen, haben andere Landesparteien erhalten. Und genau deshalb verbleibt für sie ein vierter Listenplatz. Wenn man 4 und 4 zusammenzählen kann, dann ergeben sich nicht 7, sondern 8 Mandate aus dem Saarland – … also ein Listenplatz zu viel!

Üeber die 4 Wahlkreise kommen 4 CDU-Abgeordnete in den Bundestag, weitere 4 über die Landeslisten der anderen Parteien . Und das ist eine große Üeberraschung. Dass aus dem Saarland tatsächlich sogar 5 Abgeordnete über die Liste in den Bundestag eingezogen sind, liegt an den zusätzlichen Ausgleichsmandaten, für die es keine zusätzlichen Zweitstimmen gibt. Und wenn irgendetwas an eine „Milchmädchen-Rechung“ erinnert, dann die Ausgleichsmandate, die hier aber nicht weiter abgehandelt werden sollen.

Bundestagswahl 2013: Direktmandate und Listenplätze,
so genannte „Überhangmandate“ und Aufstockungsmandate

Partei   Direktmandate   reine Listenplätze   Wahlergebnis  Aufstockungsmandate
CDU                 191                          51                           242                              13
CSU                  45                           11                             56                                0
SPD                  58                         125                            183                              10
Linke                 4                           56                             60                                 4
Grüne                1                           60                             61                                 2
Summen       299                         303                           602                              29

Quelle: www.bundeswahlleiter.de

In der Tabelle findet man in der Spalte 1 (Direktmandate) eine kleine Üeberraschung: Bundesweit gibt es genau 299 Wahlkreise, und es wurden auch genau 299 Abgeordnete direkt gewählt. Deshalb kann man nicht behaupten, es seien mehr Direktmandate vergeben worden, als es Wahlkreise gibt. Irgendwelche unzulässigen „Üeberhangmandate“ sind demnach nicht entstanden. Aus der Spalte 2 (reine Listenplätze) ergibt sich als Summe 303, statt der erwarteten 299 reinen Listenplätze. Und das ist eine sehr viel größere Üeberraschung. – Warum? Gibt es wirklich zu viele Listenplätze? Müssen nach der „personalisierten“ Verhältniswahl hier nicht 299 Listenplätze herauskommen, die den 299 Wahlkreisen gegenüberstehen und zusammen 598 Plätze im Parlament ergeben?

Wie die Muster-Rechnung für das Saarland zeigt, ist das nicht der Fall. Im Saarland ist ein Listenplatz zu viel entstanden! Das Gleiche gilt auch für die verbleibenden 3 Bundesländer mit „überpersonalisierter“ Landesliste, nämlich für Thüringen, Brandenburg und für Sachsen-Anhalt. Die fälschlich so genannten „Üeberhangmandate“ sind – für sich allein genommen – nicht zu beanstanden. Denn gewählt ist gewählt! Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Der springende Punkt ist das verfassungswidrige Verfahren der Doppelwahl mit zwei Stsimmen, die zu den Mandatsdifferenzen führt. Zwei Stimmen sind zwei Wahlen. Und man kann nicht erwarten, dass aus beiden Wahlen keinerlei Mandatsdifferenzen in den früher 11, jetzt 16 Bundesländern entstehen. Nach der einen oder der anderen Seite hat es bei jeder der 18 Bundestagswahlen Mandatsdifferenzen gegeben: 14-mal gab es weniger Listenplätze als Direktmandate. Nur 4-mal kam es umgekehrt.

Auf keinen Fall darf man zwischen beiden Wahlverfahren selektiv hin und her hüpfen, also von der Listenwahl in die Direktwahl wechseln, wenn die Listenplätze einer Landespartei hinter ihren Direktmandaten im Land zurückbleiben. Das ist mit dem Grundsatz der gleichen Wahl unvereinbar. Und diese „Rosinenpickerei“ – nämlich dass für die einzelnen Landesparteien selektiv immer das Wahlsystem gilt, das mehr Mandate erbringt – kann man nur dann ausschließen, wenn mit einer Stimme gewählt wird. Denn ohne Diminuend keine Differenz!

Q.E.D. – Quod erat demonstrandum: Was zu beweisen war.

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