„Das ist Demokratie!“

WAHLRECHT Der Münchner Publizist Manfred C. Hettlage fordert eine Neuwahl, damit der Wahlkreis Karl-Theodor zu Guttenberg ersetzen kann.

VON CHRISTIAN HOLHUT

Kulmbach — „Es leuchtet mir nicht ein, dass der Wahlkreis 240 unter den Tisch fallen soll.“ Der Münchner Publizist Manfred C. Hettlage kämpft öffentlich für Neuwahlen, nachdem Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sein Bundestagsmandat zurückgegeben hat (siehe Seite 3). Die BR sprach mit dem ehemaligen Wirtschaftsredakteur des CSUBlatts „Bayernkurier“.

War es richtig, dass zu Guttenberg dasMandat abgegeben hat?
Ja. Er hätte es sogar noch früher tun sollen. Das heißt aber nicht, dass es für ihn kein Comeback geben kann.

Dass der Wahlkreis keinen Abgeordneten mehr hat: Hätte zu Guttenberg das  berücksichtigen und im Bundestag bleiben müssen?
Wo denken Sie hin. Der Wahlkreis 240 ist doch keine Privatbesitz der CSU und auch nicht ihres prominenten Kandidaten. Nach dem Rücktritt muss eine Neuwahl gehalten werden.

Sie kämpfen dafür, dass der vakante Sitz im Bundestag wieder durch einen Kulmbacher Wahlkreis-Abgeordneten eingenommen wird. Warum?
Den Kulmbachern steht doch nicht ein leerer Wahlkreis zu, sondern ein Wahlkreis-Abgeordneter. Das sind die Spielregeln derDemokratie.

Laut Bundeswahlgesetz ist, wenn Überhangmandate vorliegen, kein Nachrücken von der Landesliste möglich. Wenn ein  Oberbayer für einen Oberfranken nachrücken würde… das wäre nicht sinnvoll.
Ich weiß. Das Bundeswahlgesetz wurde 2008 geändert, weil das Verfassungsgericht 1998 gesagt hat, der Wahlkreis könne nicht nachbesetzt werden, solange es Überhangmandate gibt – eine fatale und folgenschwere Fehlentscheidung, weil sie ja den Kulmbachern die Erststimme abspricht. Das kann es nicht sein. Niemand ist befugt, allein den Kulmbachern dieses urdemokratische Grundrecht aus der Hand zu schlagen. Kulmbach ist doch kein „Überhang-Wahlkreis“. Und Karl-Theodor zu Guttenberg hatte schon deshalb kein Überhang-Mandat inne. Überhänge entstehen in ganz Bayern.

Auf welchen rechtlichen Grundlagen fußt Ihre Forderung?
In Artikel 20 Grundgesetz steht: Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus und wird inWahlen und Abstimmungen ausgeübt. Kulmbach ist keine „demokratiefreie Zone“. Wie in allen anderen Wahlkreisen wählen auch die Kulmbachermit der Erststimme ihren Wahlkreis-Abgeordneten. Scheidet er aus, muss in 60 Tagen nachgewählt werden – mit der Erststimme natürlich! Und das wird in zwei Präzedenzfällen, die im Bundeswahlgesetz aufgeführtwerden, schon immer so gemacht.

Wenn dieKulmbacherWähler sich mit dem vakanten Wahlkreis-Mandat nicht abfinden wollen, was müssen sie jetzt tun?
Jeder Wähler hat das Recht, vor dem Deutschen Bundestag, vertreten durch den  Bundestagspräsidenten, einen Wahleinspruch einzulegen. Die Einspruchsfrist endet also am 30. Juni.

Könnten auch Parteien dagegen vorgehen?
Ja. Den politischen Parteien steht der Weg der Organklage offen. Sie können sich unmittelbar an das Verfassungsgericht wenden. Eine Frist dafür gibt es nicht.

Die Fragen stellte Christian Holhut.

Kulmbach Stadt / DONNERSTAG/FREITAG, 2./3. JUNI 2011

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