Gemeinsame Denkschrift zur Reform des Wahlrechts (Stand Mai 2014)

Empfiehlt es sich, den Bundestag nur mehr mit den Erststimmen zu wählen?

von Prof. Dr. Dr. Robert Hettlage; RA Prof. Hermann Mayer; Dr. Manfred C. Hettlage;*

Das Abstract:
Würde man den nächsten Bundestag allein mit der Erststimme wählen, würde das die politische „Landschaft“ vollständig verändern. Die Direktwahl kommt ohne Fünf-Prozent-Hürde aus, das begünstigt die Minderheiten. Gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält. Koalitionen sind daher selten. Das stärkt die Regierung, bündelt aber auch die Opposition. Wo die absolute Mehrheit verfehlt wird, kann man zur Stichwahl schreiten, wie das bei Bürgermeisterwahlen üblich ist. Die Stichwahl hat aber auch Nachteile, weil durch sie Elemente der Verhältniswahl in die Direktwahl eingeschleust werden.

Durch die Einführung von Länderkontingenten bei den Mandaten wollte man der „negativen“ Stimmenmacht den Weg versperren. Durch Überhang- und vor allem auch durch Ausgleichsmandate werden die Länderquoten jedoch gesprengt. Beides verschiebt den Proporz unter den Ländern, der dann durch den nachträglichen Länderausgleich wieder hergestellt wird. Dadurch wird der „negativen“ Stimmenmacht die Türe wieder geöffnet, die man ihr zuvor durch die Mandatskontingente verschliessen wollte. Die Auflage des Verfassungsgerichts, die „negative“ Stimmenmacht zu beseitigen, wurde also nicht erfüllt.

Volksvertreter mit Ausgleichsmandat werden nicht in allgemeiner, nicht in unmittelbarer, nicht in geheimer, nicht in gleicher, und schon gar nicht in freier Wahl gewählt. Sie werden überhaupt nicht vom Wahlvolk gewählt, sondern nach der Wahl obrigkeitlich in ihr Mandat eingesetzt. Und das ist grob verfassungswidrig. In Art. 38 GG und in § 1 BWahlG wird angeordnet: „Die Abgeordneten werden (…) gewählt“. Auch das Verfassungsgericht erteilt dem abwegigen Konstrukt eines nicht gewählten Abgeordneten eine klare Absage.

Strauß und Wehner – beide „Urgestein“ der Politik – waren dafür

Es kommt nicht von ungefähr, dass Franz Josef Strauß schon 1953 den Wechsel zur Direktwahl befürwortete. (1) Der Entwurf zu einem reinen Mehrheitswahlrecht, d.h. der Direktwahl in Wahlkreisen wurde schon 1953 von den Abgeordneten Würmeling, Strauß u. Genossen beantragt. Im Sommer 1955 wurde im Zusammenhang mit dem 3. Bundeswahlgesetz von den Abgeordneten Stücklen u. Genossen die Einführung der Direktwahl mit 400 Wahlkreisen erneut beantragt.

Selbst danach verstummte die Debatte über das Wahlsystem nicht, auch nicht in den Reihen der SPD. Erst mit der sozial-liberalen Koalition aus SPD und FDP, die auf der in aller Stille getroffenen Vereinbarung fußte, das bisherige Wahlrecht im Grundsatz unangetastet zu lassen, verebbte die Diskussion und lebte danach nicht wieder auf. Ähnlich wie Strauß sprach sich auch Herbert Wehner noch 1966 unmissverständlich für die Direktwahl aus. Strauß und Wehner, beide gelten als „Urge- stein“ der Politik.

Wehner 1966: „Ich bin für das unmanipulierte Mehrheitswahlrecht, also für das englische System, das relative Mehrheitswahlrecht.“ So berichtet Günter Gaus in seinen „Gesprächen mit Herbert Wehner“. (2) Wehner war also gegen den Stichentscheid. Ähnlich wie Wehner tritt auch Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt öffentlich für die klassische Form der Direktwahl ein, zuletzt in einem Fernsehauftritt bei Maischberger im Oktober 2012.

Und das ist „der ganz normale Wahnsinn“ bei den Wahlen zum 18. Deutschen Bundestag: Der Mandatsdifferenz zwischen den Direktmandaten und den Listenplätzen in Höhe von jeweils einem Sitz in den Bundesländern Thüringen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Saarland steht ein Mandatsausgleich von sage und schreibe insgesamt 29 Plätzen gegenüber! (3) Für die Ausgleichsprofiteure ein politisches Geschenk, über das sie sich kaum beklagen werden.

Zuerst wird ja der so genannte „Überhang“ von je einem Mandat in den vier Ländern ausgeglichen. Danach wird der Länderproporz, der sich durch den Mandatsausgleich verschoben hat, unter den 16 Bundesländern wieder hergestellt. (Doppelter Mandatsausgleich) Der gesamte Ausgleich überragt den so genannte „Überhang“ also um mehr als das Siebenfache! Bei der Wahl 2009 hatte es 24 „Überhänge“ gegeben. Der Bundestag wäre im Wiederholungsfall so auf 671 Abgeordnete emporgeschnellt.

Der gerade erst gewählte Präsident des Deutschen Bundestags, Norbert Lammert, hat in seiner ersten Rede v. 22.10.2013 „das Handtuch geworfen“ und eine erneute Reform des geltenden Wahlrechts angemahnt. Einen Tag später legte er in einer Pressekonferenz nach. Das erst im Februar 2013 geänderte Wahlrecht des Bundes müsse man sich „noch einmal angucken“. (4) Das unsägliche Wahlrecht, das schon zweimal vor dem Verfassungsgericht Schiffbruch erlitten hat, geht offenbar in die dritte Runde.

Das „negative“ Stimmengewicht

Bundesweit gibt es 299 Wahlkreise. Bei den Wahlen werden 299 Abgeordnete direkt gewählt, keiner mehr und keiner weniger. Man kann also nicht behaupten, das Wahlvolk hätte mit den Erststimmen zu viele Volksvertreter gewählt. Das Verfassungsgericht in Karlsruhe hat deshalb in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung die fälschlich so genannte „Überhangmandate“ immer wieder für zulässig erklärt. (5) Die Differenz zu den Listenplätzen dürfte aber nicht zu groß werden. Bleiben in einem Bundesland die Listenplätze einer Partei hinter den Direktmandaten um mehr als 15 Sitze z u r ü c k, werde der Grundcharakter des Wahlsystems als Verhältniswahl in verfassungswidriger Weise verfälscht. Wird die Zulässigkeitsgrenze überschritten, ist Wahl ungültig.

Das 19. Wahlrechts-Änderungsgesetz wurde im Juli 2012 aber auch verworfen, weil die so genannte „nega-tive“ Stimmengewicht nicht beseitigt wurde. Diese Wahlmanipulation war schon 2008 ohne Wenn und Aber für verfassungswidrig erklärt worden, was ja den Stein erst richtig ins Rollen brachte. (6) Das alte Wahlrecht des Bundes war also aus mehreren Gründen Makulatur. (7) Der Bundestag musste also ein neues Gesetz schaffen, hat das 16. Differenzmandat aber nicht ausgeschlossen. Vor allem musste er dafür sorgen, dass es nicht mehr zum „negativen“ Stimmengewicht kommen kann. Die Fraktionen des Bundestags hatten sich im Oktober 2012 jedoch anders entschieden: Sämtliche Mandatsdifferenzen sollten künftig durch Ausgleichsmandate „egalisiert“ werden. (Vollausgleich) (8) Verhindern können Ausgleichsmandate das „negative“ Stimmengewicht aber nicht. Diese musste also auf anderem Weg beseitigt werden.

Was konkret unter „negativem“ Stimmengewicht zu verstehen ist, bleibt weiter nebelhaft. So ist z.B. die Beschreibung in der Pressemitteilung des Zweiten Senats v. 25.7.2012 nur schwer verständlich: „Bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag darf die Verteilung der Mandate auf die Parteien entsprechend dem Verhältnis der Summen der Wählerstimmen im Grundsatz nicht dazu führen, dass die Sitzzahl einer Partei erwartungswidrig mit der auf diese oder eine konkurrierende Partei entfallende Stimmenzahl korreliert. (Effekt des negativen Stimmengewichts)“ (9)

In Wahrheit liegen die Dinge viel einfacher: Hätte der Gesetzgeber das vollkommen widersinnige Stimmensplitting – endlich! – abgeschafft, wäre dem „negativen“ Stimmengewicht ein für alle Mal der Garaus gemacht worden. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss: Solange man das Stimmensplitting zulässt, wird man das „negative“ Stimmengewicht nicht los, jedenfalls solange es gleichzeitig einen länderübergreifenden Mandatsausgleich gibt.

Das neue Wahlgesetz des Bundes hält am Doppelstimmrecht mit Erst- und Zweitstimme weiter fest. (10) Eine Vorkehrung, die wenigstens das unsinnige Stimmensplitting definitiv ausschließt, fehlt. Neu eingeführt werden dagegen Mandatskontingente für die jeweiligen Bundesländer, die sich am Verhältnis der Einwohnerzahlen ausrichten. Dadurch sollte dem „negativen“ Stimmengewicht der Weg versperrt werden. Doch schon die fälschlich so genannten „Überhangmandate“ sprengen die Länderquoten. Der Mandatsausgleich im „Überhangland“ kommt hinzu. Beides verschiebt den Proporz unter den Ländern, der durch den nachträglichen Länderausgleich wieder hergestellt werden soll. Und dadurch wird der „negativen“ Stimmenmacht die Türe wieder geöffnet, die man ihr durchdie Mandatskontingente zuvor verschlossen hatte. Die Auflage des Verfassungsgerichts, das „negative“ Stimmengewicht zu beseitigen, wurde demnach nicht erfüllt.

So können Wähler der kleinen Parteien, die ja nur vereinzelt oder überhaupt keine Direktmandate erlangen, durch Erststimmen-Verzicht „Überhänge“ bei anderen Parteien entstehen lassen und im Länderausgleich vielleicht sogar zusätzliche Listenmandate „herausschinden“, so dass zwischen Stimmen und Mandaten eine verfassungswidrige negative Korrelation entsteht. Am 22.9.2013 hat jeder zweite Wähler der FDP seine Stimmen gesplittet. Bei den großen Parteien, bei denen sich die Direktmandate ansammeln, ist es umgekehrt. In „Überhangländern“ wie in Thüringen hätten die Wähler der CDU sämtliche Zweitstimmen „verleihen“ oder verschenken können, ohne dass die dort allein mit den Erststimmen gewählte Union ein Mandat verliert. Die dort mit den Zweitstimmen „beliehene“ oder beschenkte FDP wäre dann in den Bundestag einzogen. Statt einem würde es in Thüringen dann neun „Überhänge“ geben. Vom nachfolgenden Länderausgleich in Höhe von 29 Listenplätzen hat die CDU bundesweit ohnehin schon den Löwenanteil von 13 Sitzen erhalten. Steigt in Thüringen die Differenz auf maximal 9 Mandate an, würde die CDU im Ergebnis mit noch weniger Stimmen noch mehr Listenplätze im Länderausgleich erzielen. – „Die Kuh ist also noch lange nicht vom Eis.“

Ausgleichsmandate sind ein Irrweg

Die mit der Doppelstimme verbundenen Mandatsdifferenzen bleiben weiterhin erhalten. Der Bundestag hat also die Differenz von 16 Mandaten zwischen Direkt- und Listenwahl riskiert. (11) Im Gegenzug soll für jeden „Überhang“ bei den Direktmandaten einer konkurrierenden Partei – ohne Zutun der Wähler! – ein Ausgleichsmandat bei den Listenplätzen des Landes in den Schoß fallen. Der Wille der Wähler wird durch einen solchen „Ausgleich“ in sein genaues Gegenteil verkehrt. Urnengang hin, Wahlentscheidung her: Die Wahlgewinner bei den Erststimmen bekommen aus nicht nachvollziehbaren Gründen einer „ausgleichenden“ Gerechtigkeit einen Zweitstimmen-Malus, bzw. umgekehrt die Wahlverlierer bei den Erststimmen einen Zweitstimmen-Bonus, der nicht zu rechtfertigen ist!

Der Bundestag hat also den Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben. Denn jetzt ist die nachträgliche Mandatsaufstockung – zu Lasten der Wahlsieger und zu Gunsten der Wahlverlierer – zu einem neuen Problem geworden. Nun werden die Aufstockungsmandate zur Verfassungsfrage. Der Mandatsausgleich stellt nicht nur die Demokratie auf den Kopf. Für den nach der Wahl vom Wahlleiter bzw. der Wahlleiterin vorgenommenen „Nachschlag“ an Listenplätze kann man in den Wahlurnen gar keine Stimmzettel auffinden, denn es gibt weder für Ausgleichsmandate im „Überhangland“ noch für den nachfolgenden Länderausgleich eine unmittelbare und schon gar keine freie Wahlhandlung des Wahlvolkes. Dazu hätte man ja eine dritte Stimme gebraucht. Die Zahl der Listenplätze steigt an, ohne dass auch die Zahl der Zweitstimmen größer wird. – Das kann es nicht sein.

Die Wähler sind keine Hellseher. Während der Wahl kann niemand wissen, ob es überhaupt zu einer Mandatsdifferenz kommt. Ergo kann der Wahlausgleich nicht demokratisch legitimiert sein. Der doppelte Wahlausgleich in Land und Bund erfolgt ja erst nach der Wahl. Schon deshalb kann er nicht aus dem unmittelbaren und freien Willen der Wähler hervorgegangen sein. Volksvertreter mit Ausgleichsmandat werden nicht in allgemeiner, nicht in unmittelbarer, nicht in gleicher, nicht in geheimer, und schon gar nicht in freier Wahl gewählt. Sie werden überhaupt nicht vom Wahlvolk gewählt. Und das ist grob verfassungswidrig! (12)

In Art. 38 GG und in § 1 BWahlG wird unmissverständlich angeordnet: „Die Abgeordneten werden (…) gewählt“. Auch das Verfassungsgericht erteilt dem abwegigen Konstrukt eines nicht gewählten Abgeordneteneine klare Absage. (13) Wer nicht vom Volk gewählt wurde, kann nicht Vertreterdes Volkes sein. Niemand ist befugt, den Willen der Wähler „auszugleichen“, auch nicht der Wahlgesetzgeber. Tut er es doch, gerät er mit dem Grundgesetz in Konflikt. Weil Politiker aber von Natur aus „beratungsresistent“ sind, werden wir uns vielleicht schon bald in Karlsruhe alle wieder sehen, und zwar zum dritten Mal in Folge und in der gleichen Sache. (14)

„Wer mit zwei Stimmen wählt, …

… holt sich den Teufel ins Haus.“ Bei einer Wahl mit zwei Stimmen kann man diese auch gegeneinander richten – also mit der einen Stimme die Person eines Kandidaten und mit der anderen eine Konkurrenzpartei wählen, die ihn politisch bekämpft. Das ist vom Ansatz her „töricht und dumm“, um die Ablehnung in die Worte eines berühmten Kanzler-Zitats zu kleiden. Die absurden Folgen der Doppelwahl mit Erst- und Zweitstimme wie: „Mandatsüberhänge“, Stimmensplitting, „negative“ Stimmenmacht und leer stehende Wahlkreise etc., sie verlangen eine tiefgreifende Reform an Haupt und Gliedern. Diese hat der Deutsche Bundestag abgelehnt. Er bleibt bei der leidigen Doppelwahl aus Personenwahl in Wahlkreisen und Parteienwahl mit Landeslisten, die beide mit einander nicht kongruent und deshalb auch nicht kompatibel sind.

Zwei Stimmen sind zwei Wahlen. Man braucht aber nur eine. Und das ist die Wurzel allen Übels. (15) Doch warum soll man etwas einfach machen, wenn es auch kompliziert geht. Durch die demokratisch nicht legitimierte Aufstockung der Listenmandate im Fall von Mandatsdifferenzen wird der ohnehin schon vollkommen überfrachtete Mischmasch aus zwei mit einander unvereinbaren Wahlverfahren, nämlich aus der Direktwahl in 299 Wahlkreisen und der Listenwahl in 16 Bundesländern, noch weiter vermischt, vermengt, „vermurkst“ und „verkorkst“.

Fallen die Mandatsdifferenzen von vorne herein weg, weil man nach dem klassischen Prinzip „one man one vote“ nur mit einer Stimme wählt, wäre der ganze Spuk auf einen Schlag verschwunden. Dies ist in zahlreichen Veröffentlichungen näher dargelegt worden. So sind in einer führenden Fach-zeitschrift die beiden Beiträge erschienen: „Das Wahlrecht des Bundes ist nicht länger zu halten“ (16) und: „Es gibt mehr Stücke als Kuchen: die Überhangmandate – Also ist das Parlament kleiner als die Summe seiner Mitglieder“. (17) Andere Aufsätze wurden in dem Buch: „Wie wählen wir 2013?“ zusammengetragen. (18)

In Deutschland werden seit 1949 die Personen- und die Parteienwahl zu einer Doppelwahl aus Erst- und Zweitstimmekombiniert, in der Hoffnung, aus der Mixtur würde sich „das beste aller möglichen Wahlsysteme“ ergeben. Freilich steht dem schon die hohe Zahl der Verfassungsurteileentgegen, die 1988, 1997, 1998, 2008 und 2012 ergingen und mehrfach zu „Rückrufaktionen“ gezwungen haben. Wie auch immer gab es 22 Wahlrechts-Änderungsgesetze bei insgesamt 18 Bundestagswahlen. Das Gesetz wurde statistisch also in jeder Wahlperiode geändert, zum Teil sogar mehrfach. Man kann daher nicht behaupten, die Doppelwahl mit Erst- und Zweitstimme habe sich bewährt. Dazu ist sie zu fehlerhaft in zu vielen Teilen.

Das Grundgesetz gibt kein bestimmtes Wahlsystem vor. Der Bundestag kann also frei entscheiden wie er das Wahlverfahren innerhalb der in Art. 20 und 38 GG gezogenen Grenzen ausgestalten will. Wenn er jedoch nicht gewählte Abgeordnete mit verfassungswidrigem Ausgleichsmandat an den Wählern vorbei in das Parlament mogeln will, dann kann ihm das auf Dauer nicht gelingen.

Der „Pferdefuß“ der Verhältniswahl

Die Direktwahl in Wahlkreisen ist das bei weitem ältere Wahlsystem und kann in Großbritannien schon seit 1429 nachgewiesen werden. (19) Die sog Verhältniswahl – bei der nicht die Volksvertreter selbst und unmittelbar gewählt werden, sondern über die politischen Parteien mit den Listen ihrer Kandidaten abgestimmt wird – ist als Idee dagegen erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts aufgekommen, hat sich aber gegenüber der Direktwahl auf dem europäische Kontinent allmählich durchgesetzt. Heute gilt die Listenwahl auf dem Festland als das bei weitem gerechtere Verfahren. (20) Wägt man Vor- und Nachteile beider Wahlsysteme gegeneinander ab, kommt man rasch zu einem anderen Ergebnis. Eine lupenreine Parteienwahl – ohne Listen und mit nachträglicher Entsendung von Vertretern der Partei – schließt das Grundgesetz aus. (21)

Bei der Direktwahl werden die Volksvertreter mit relativer Mehrheit gewählt. Das ist ein Vor- und ein Nachteil zugleich: Ein Vorteil, weil der Wahlsieg mit relativer Mehrheit leichter zu erringen ist als mit absoluter – Minderheiten also von diesem Schutzgedanken profitieren! Ein Nachteil, weil es passieren kann, dass die Regierung am Ende zwar die absolute Mehrheit der Mandate, aber nur die relative Mehrheit der Stimmen erreicht. Genau deshalb kam es schon seit 1848 in Deutschland zur Stichwahl, wenn in den Wahlkreisen die absolute Mehrheit verfehlt wurde. Bei Bürgermeisterwahlen in den Kommunen ist dieses Verfahren nach wie vor in Gebrauch. Die Stichwahl hat aber auch Nachteile, dadurch Elemente der Verhältniswahl in die Direktwahl eingeschleust werden.

Der „Pferdefuß“ der Verhältniswahl zeigt sich darin, dass der Wahlsieg nur selten einer der politischen Parteien alleine gelingt. Es kommt fast immer zu Koalitionen von zwei oder noch mehr Parteien. In diesen Koalitionen stehen sich die Koalitionspartner unabhängig von ihrem bei der Wahl erreichten Stimmenanteil gleichberechtigt gegenüber. So erlangen Minderheiten Macht über Mehrheiten. Und bei Dreier-Koalitionen „wackelt der Schwanz sogar mit zwei Hunden“, um es volkstümlich zu formulieren.

Der wunderbare Satz: „Mehrheit entscheidet“, der in die Bayerische Verfassung von 1946 Eingang gefunden hat, (22) wird bei der Verhältniswahl stark relativiert, stärker noch als bei einer Direktwahl ohne Stichentscheid. So gesehen ist der Direktwahl der Vorzug zu geben. Sie kommt ohne die von Willkür geprägte Fünf-Prozent-Hürde aus, und die relative Mehrheit ist leicher zu erringen als die absolute – beides zum Vorteil von Minderheiten.

Für einen Wechsel zur Direktwahl gibt es im Deutschen Bundestag gegenwärtig aber noch keine Mehrheit. Und hier liegt das Hauptproblem. Im Parlament lässt sich dieser Wechsel von den beiden Unionsparteien nur zusammen mit der SPD bewerkstelligen. Die großen Volksparteien müssen sich darüber Klarheit verschaffen, dass sie auf die Dauer von der Direktwahl stärker profitiert als vom Verbleib im herkömmlichen System der Verhältniswahl.

Die Zahl der Wahlkreise muss verdoppelt werden

In Schleswig-Holstein hat die CDU der SPD lange vor der Wahlwiederholung am 6. Mai 2012 vor- geschlagen, den Landtag in Kiel nur mehr mit der Erststimme zu wählen. Die SPD schlug das Angebot aus und hat inzwischen in einer Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und dem dänischen SSW ja auch die Regierung übernommen. Der Vorwurf, der Ministerpräsident des Landes werde in Wahrheit von der ausschlaggebenden Minderheit der Dänen bestimmt – zumal der SSW von der 5-Prozent-Klausel befreit ist – konnte daher nicht ausbleiben. Hier wird der „Pferdefuß“ der Verhältniswahl unübersehbar. Ohne SSW gäbe es einen anderen Ministerpräsidenten im Land. Unter den Kritikern macht daher der drastische Satz die Runde „die rot-grün gefleckte, norddeutsche Dogge wird von ihrem dänischen Stummelschwanz gewedelt“.

Gleichwohl scheint sich die Entscheidung der SPD für die Listenwahl parteipolitisch ausgezahlt zu haben: Sie erreichte bei der Wahlwiederholung im Mai 2012 nur in 12 der insgesamt 35 Wahlkreise den Sieg. In 23 Wahlkreisen wurde ein Kandidat der CDU gewählt. Die SPD konnte sich für den Fall eines Wechsels zur Direktwahl also schon vorher ausrechnen, dass sie die Landtagswahl verlieren würde. Doch der Schein trügt. Denn der Landtag in Kiel hat 69 Plätze, die man gar nicht mit Bewerbern aus 35 Wahlkreisen besetzen könnte. Und wie die Wahl ausgeht, wenn nicht in 35, sondern in allen 69 – erheblich zu verkleinernden – Wahlkreisen gewählt wird, kann man nicht „am grünen Tisch“ entscheiden.

Auf das Gegenstück zu Schleswig-Holstein trifft man bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen v. 13. Mai 2012. Im Landtag gibt es 181 Sitze, in NRW, aber nur 128 Wahlkreise. Lässt man unberücksichtigt, dass beim Übergang zur Direktwahl die Zahl der Wahlkreise durch erhebliche Verkleinerung von 128 auf 181 angehoben werden muss, damit man alle Sitze im Landtag mit Volksvertretern besetzen kann, ergibt sich in NRW schon jetzt ein überraschendes Bild: Die SPD erlangte in 99 von 128 Wahlkreisen den Sieg, die CDU nur in 29. Gemessen an der 2010 vorangegangenen Landtagswahl hat die SPD der CDU also 29 Wahlkreise abgenommen.

Der politische Wechsel ist also gerade auch in der Direktwahl möglich, wenn die Wähler ihn haben wollen. Nordrhein-Westfalen ist das größte Bundesland. Ähnlich wie in NRW gibt es im Bundestag 598 Sitze, im gesamten Bundesgebiet, aber nur 299 Wahlkreise. Beim Wechsel zur Direktwahl müssen also alle 299 Wahlkreise in den 16 Bundesländern halbiert und so verdoppelt werden, um die 598 Plätze im Parlament überhaupt mit direkt gewählten Volksvertretern füllen zu können. In München gäbe es z.B. nicht 4, sondern 8, in Bayern nicht 45, sondern 90 und im Bund nicht 299, sondern 598 Wahlkreise. Und das würde die politische Landschaft vollkommen verändern.

Jeder zweite Wahlkreis wäre ein „weißer Fleck“, bei dem es keinen Schluss von der Vergangenheitauf die Zukunft gibt. Und genau deshalb kann man das Wahlergebnis im Falle eines Wechsels zur Direktwahl nicht vorhersagen. Keine der beiden Volksparteien muss davon ausgehen, die nächste Bundestagswahl zu verlieren. Kein Politiker wäre so lebensmüde, ein solches Wahlrecht zu beschließen. Und darin liegt doch der Reiz am Fußball wie bei Wahlen, dass niemand weiß, wer gewinnt. Ist die Wahl im Voraus entschieden, gehen viele gar nicht hin.

Wenn die Wähler den Wechsel wollen, dann kommt er auch

Die Halbierung der Wahlkreise bleibt nicht ohne Konsequenz für die Struktur des Wahlvolks in den einzelnen Wahlkreisen. Je kleiner die Wahlkreise, um so homogener wird im Durchschnitt genommen die Wohnbevölkerung im Stimmgebiet. Diese statistische Erwartung lässt freilich keinen zwingenden Schluss auf das vermutliche Wahlergebnis in den verkleinerten Wahlkreisen zu. Denn es gibtnatürlich zahlreiche Abweichungen. Und überhaupt, wie die Wahl am Ende ausgeht, entscheidet nicht die Größe der Wahlkreise, sondern die Mehrheit die Wähler.

Wenn also das Wahlvolk mehrheitlich den Wechsel will, dann kommt er auch. Und wenn er insgesamt mit relativer Mehrheit herbeigeführt werden kann, dann kann auch der nächste Wechsel mit relativer Mehrheit errungen werden. Es besteht also Waffengleichheit zwischen Regierung und Opposition. Das darf man nicht übersehen. NRW – die Herzkammer der Sozialdemokratie – ist ein überzeugendes Beispiel: Die CDU hat bei der Landtagswahl 2012 deshalb dort eine dramatische Wahlniederlage erlitten, weil die Wähler das so haben wollten.

Bei einem Wechsel zur Direktwahl – und das ist ein tragendes Argument – wären die Siegerparteien nur selten auf eine Koalition mit einer anderen Partei angewiesen. Politiker der kleinen Parteien könnten in die großen Volksparteien einwandern und dort heimisch werden, wenn sie sich an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten persönlich beteiligen wollen. Weil mit der Verdopplung der Wahlkreise im Bundesgebiet neue Chancen für 299 Kandidaturen entstehen, wäre sogar mit einer lebhaften Migration unter den Parteien zu rechnen, die es gibt, immer gegeben hat und die auch zulässig ist.

Bei der Entscheidung, ob man zur Direktwahl übergehen soll oder nicht, muss man über den Tellerrand der nächsten Wahl hinausschauen. Doch welche Partei will schon Harakiri machen? Ein Gesetz, das erkennen lässt, wer die nächste Wahl gewinnt, wird im Parlament keine parteiübergreifende Mehrheit finden. Nun haben alle Regierungen mal mehr mal weniger mit dem politischen Verschleiß zu kämpfen, gleichgültig welche Partei den Kanzler stellt. Und zum Wechsel kommt es, wenn die Wähler ihn haben wollen. Ob im Bund unter der Direktwahl 2017 ein Machtwechsel stattfindet oder nicht, kann schon deshalb niemand vorhersagen. Ob es unter der Geltung der Direktwahl 2017 für einen Sieg von CDU und CSU reicht oder ob es im nächsten Urnengang schon zu einem Wechsel hin zur SPD kommt, darüber sind die Würfel noch lange nicht gefallen.

Die Direktwahl stärkt die Regierung, bündelt aber auch die Opposition

Der Wechsel zur Direktwahl wird längerfristig die Parteienlandschaft verändern, weil z.B. die SPD mit „Spätheimkehrern“ aus den Reihen der Linken und der Grünen rechnen kann. Die Sozialdemokraten würde sich langsam aber sicher erholen und vielleicht wieder zur stärksten Mitgliederpartei werden, wie sie es in ihrer Parteigeschichte jahrzehntelang war.

Die Eigenart der Direktwahl liegt darin, dass sie nicht nur die Regierung stärkt, sondern auch die Opposition bündelt und auch ihr Zulauf bringt. Diese tritt viel stärker in Erscheinung, vor allem wenn sie sich als Alternative profiliert und es vermeidet, dass die Wähler in ihr eine bloße Variante der Regierung sehen. Sie wird zum Hoffnungsträger des politischen Wechsels. Der Öffentlichkeit tritt viel klarer vor Augen, was sie bei einem politischen Wechsel erwartet, als bei der Verhältniswahl mit allen unvorhersehbaren Risiken der Koalitionsbildung, auf die das Wahlvolk nach der Wahl keinen unmittelbaren Einfluss mehr hat, der Wählerwille also nicht mehr ins Gewicht fällt.

Die Linke würde vor allem in Berlin wohl einige Wahlkreise gewinnen, könnte aber ihren parlamentarischen Einfluss als Sperrminorität bei der Koalitionsbildung im linken Spektrum der Politik nicht mehr behaupten. Ihr verführerischer Glanz als opponierende Protestpartei, die keine Verantwortung zu tragen hat und deshalb „den Himmel auf Erden“ versprechen kann, würde rasch verblassen. Als Linkspartei könnte sie am Ende vielleicht sogar ganz von der Bildfläche verschwinden, wenn die SPD ihre Rolle an sich ziehen würde. “Piraten“ oder „Alternative“ wären jedenfalls kein politisches Thema mehr. Politische „Exoten“ gedeihen im Sumpf der Verhältniswahl am besten. In Wahlkreisen können sie in normalen Zeiten nur wenig ausrichten.

Bei der Direktwahl werden keine Parteien, sondern Personen gewählt. Die Persönlichkeit der Kandidaten, aber auch die Präsenz im Wahlkreis steht daher im Vordergrund. Ob Claudia Roth oder Hans-Christian Ströble, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger oder Christian Lindner in einem auf die Hälfte verkleinerten Wahlkreis die relative Mehrheit für sich gewinnen können, wird sich dann zeigen. Und in Großbritannien ist es den Liberalen gelungen, den Konservativen eine Koalition aufzuzwingen. Es gibt also kein Naturgesetz, dass die kleineren Parteien in der Direktwahl zwangsläufig untergehen. Auch haben die großen Parteien keineswegs das „ewige Leben“. Sie können ganz von der Bildfläche verschwinden, so wie z.B. die Democrazia Cristiana in Italien tatsächlich ganz verschwunden ist.

Eckpunkte einer Reform des Wahlrechts Gesetzessprache und Verständlichkeit

Dem Gesetzgeber obliegt es, den Anforderungen des Verfassungsgerichts an „Normenklarheit“ und „Verständlichkeit“ nachzukommen. Die Bürger haben ein Anrecht darauf, das Wahlrecht zu durchschauen. Bundes-Wahlgesetz und Bundes-Wahlordnung werden deshalb einer generellen Überarbeitung der Gesetzessprache unterzogen.

Abänderungen in § 1 BWahlG
Die Vorschrift in § 1 BWahlG über das System der Wahl erhält die nachfolgende Fassung:

Der Deutsche Bundestag besteht aus 598 Abgeordneten. Das Wahlgebiet wird in ebenso viele Wahlkreise unterteilt. Die Abgeordneten werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Zum Vertreter des ganzen Volkes ist gewählt, wer in seinem Wahlkreis die meisten der gültig abgegebenen Stimmen erhalten hat. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los.

Vorschriften im 22. Wahlrechts-Änderungsgesetz, die dazu im Widerspruch stehen, werden gestrichen.

Neue Vorschrift im Abschnitt Vorbereitung der Wahl
Die Vorschriften §§ 16 ff BWahlG zur Vorbereitung der Wahl werden ergänzt wie folgt:

(1) Die Aufstellung von Bewerbern aus der Mitte des Wahlkreises erfolgt durch Wahlberechtigte aus dem Stimmgebiet. (Bürgerkandidatur) Als Kandidat kann sich nur bewerben, wer zuvor im Wahlkreis mindestens ein volles Kalenderjahr seinen Wohnsitz hatte. Aufgestellt ist, wer 200 Unterschriften von stimmberechtigten Bürgern aus dem Wahlkreis beibringt. Name, Vorname, Anschrift, Geburtsdatum und Zustimmung durch Unterschrift der zur Aufstellung befugten Bürger sind der Wahlbehörde zur Überprüfung nachzuweisen. Näheres regelt die Wahlordnung.

(2) Die Aufstellung von Bewerbern der politischen Parteien erfolgt in Aufstellungsversammlungen aus Parteimitgliedern des Wahlgebietes bzw. ihrer Vertreter. (Parteienkandidatur) Sie steht unter der Aufsicht der zuständigen Wahlbehörde. Die Behörde achtet insbesondere auf die Durchsetzung der geheimen Wahl. Aufgestellt werden kann nur, wer zuvor im Wahlkreis mindestens ein volles Kalenderjahr seinen Wohnsitz hatte. Wahlvorschläge können nur von wahlberechtigten Mitgliedern der Aufstellungsversammlung eingereicht werden. Über mehrere Kandidaten wird in Sammelwahl abgestimmt.

(3) Zum Kandidat einer Partei wurde gewählt, wer in der Aufstellungsversammlung die meisten, mindestens aber 200 Ja-Stimmen erhalten hat. Wurde die Mindestzahl verfehlt, wird die Abstimmung wiederholt. Näheres regelt die Satzung der Parteien. Sie kann die Errichtung gültiger Wahlvorschläge von der Erfüllung angemessener Vorbedingungen abhängig machen, insbesondere Orte und Fristen für die Anmeldung von Wahlvorschlägen errichten und für gültige Wahlvor- schläge die Mitwirkung von mehreren wahlbereichtigten Mitgliedern der Aufstellungsversammlung verlangen.

(4) Eine Kandidatur darf von niemandem nötigend behindert oder mit Nachteilen bedroht werden.

Vorschriften im 22. Wahlrechts-Änderungsgesetz, die dazu im Widerspruch stehen, werden gestrichen.

ANMERKUNGEN

* Die Literaturauswahl 2007 – 2011 mit 45 Fundstellen, die von der Bibliotek beim Deutschen Bundestag im Internet zugängig gemacht wurde, wurde nach zwei Jahren wieder gelöscht. Der Berichterstatter war darin mit drei frühen Beiträgen vertreten. Die Bibliothek des Bundestags hat dem Berichterstatter die Datei jedoch zur Verfügung gestellt, der sie vollständig in das angehängte Schrifttumsverzeichnis übernommen hat. Hinweise zu den sonstigen Veröffentlichungen des Berichterstatters gehen aus seiner Internetseite hervor unter: www.manfredhettlage.de.

(1) Vgl. Raschke, aaO, (Fn 17), S. 69. Kritisch zur Entstehung des BWahlG auch v. Arnim, aaO, (Fn 18), S. 46 ff.

(2) Günter Gaus, Staatserhaltende Opposition oder hat die SPD kapituliert? Gespräche mit Herbert Wehner, Hamburg 1966, S. 105, zitiert nach Raschke, aaO, (Fn 17), S. 71.

(3) Vgl. das endgültige amtliches Wahlergebnis unter: www.bundeswahlleiter.de.

(4) Vgl. SüddZ v. 24.10.2013: „Die Krux mit dem Wahlrecht / Bundespräsident Lammert fordert eine weitere Reform“; ferner Das Parlament, Webarchiv, Interview mit Parlamentspräsident Lammert, jbi/sto/25.10.2013.

(5) Vgl. BVerfG v. 24.11.1988, BVerfGE 79, 169; BVerfG v. 3.7.2008, BVerfGE 121, 266; BVerfG v. 25.7. 2012, (AktenZ: 2 BvF 3/11; 2 BvR 2670/11 u. 2 BvE 8/11), vgl. www.bundesverfassunggericht.de/entscheidungen. Zur einschlägigen Urteilsliteratur vgl. Meyer, Hans, Zukunft des Bundestagswahlrechts, zwischen Unverstand, obiter dicta, Interessenkalkül und Verfassungsverstoß, 2010. S. 36 ff.

(6) Vgl. BVerfG v. 3.7.2008, BVerfGE 121, 266 ff; kommentiert durch v. Arnim, Recht u. Politik 44/2008, S. 136 ff.

(7) Vgl. BVerfG v. 25.7.2012, (AktenZ: 2 BvF 3/11; 2 BvR 2670/11 u. 2 BvE 8/11), vgl. www.bundesverfas- sunggericht.de/entscheidungen; kommentiert durch v, Arnim, in: Publicus – Der Online-Spiegel des öffentlichen Rechts, Ausg. 2012.9.

(8) Vgl. die Tagespresse vom 18.10.2012 und vom 25.10.2012.

(9) Vgl. www.bundesverfassungsgericht.de/Pressemitteilungen v. 25.7.2012. Das scheinbare Paradox der „negativen“ Stimmenmacht, dass man mit weniger Stimmen mehr Mandate herausschinden kann, löst sich weitgehend auf, wenn man zwischen Erst- und Zweitstimmen einerseits, sowie Direktmandaten und Listenplätzen andererseits streng genug differenziert und beides gut auseinander hält.

(10) Vgl. dazu das Bundesgesetzblatt 2013 I S. 165. Das 22. Wahlrechts-Änderungsgesetz wurde am 14.12.2012 im Deutschen Bundestag in 1. Lesung eingebracht. Das Plenum war nicht beschlussfähig, wie sich aus der Life-Übertragung des Fernsehsenders „Phoenix“ erkennen ließ. Ein Antrag auf Feststellung der Beschlussunfähigkeit wurde nicht gestellt. Ein Beamter aus dem Innenministerium saß „mutterseelenallein“ auf der Regierungsbank. Er war wohl für den Referentenentwurf der Behörde zuständig. Ansonsten blieb die Regierungsbank leer. Kein einziger Minister nahm an der Plenardebatte teil. Niemand zitierte wenigstens den Innenminister herbei, obwohl das immer möglich ist. Am 22. Februar 2013 wurde im Bundestag das 22. Wahlrechts-Änderungsgesetz „ohne Rücksicht auf Verluste“ durch die 2. und 3. Lesung „gepaukt“.

(11) Vom Stimmensplitting Abschied nehmen wollte nur der SPD-Abgeordnete, Wiefelspütz. Vgl. Berliner Tagesspiegel v. 2.8.2012.

(12) Vgl. Hettlage, M., im Internet unter: www.manfredhettlage.de: „Volkssouveränität; Ausgleichsmandate sind grob verfassungswidrig“.

(13) Vgl. VerfG v. 26.2.1998, BVerfGE 97, 319 ff (323 u. 326).

(14) Vgl. Hettlage, M., DÖV 24/2012, S. 970 ff: „In Karlsruhe sehen wir uns wieder / Das neue Wahlrecht des Bundes kann vor dem Grundgesetz keinen Bestand haben“; ders. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 2.12.2012 : „Der Gesetzgeber auf dünnem Eis“. Vgl. dazu die beiden Wahlanfrechtungen beim Deutschen Bundestag: WP 187/13 und 222/13. Die Bürger haben nach der Wahl zwei Monate Frist, um das 22. Wahl-rechts-Änderungsgesetz im Wege der Wahlprüfung nach Art. 41 GG zu Fall zu bringen. Bei Organklagen gibt es keine Frist.

(15) Vgl. dazu auch Funk, Das Parlament, Nr. 51/52, v. 17.12.2012, S. 2, (Gastkommentar): „Ein Kreuzchen reicht“; ebenso Decker: www.b-republik.de/aktuelle-ausgabe/schafft-das-zweistimmensystem-ab, in: Berliner Republik v. 20.2.2013.

(16) Vgl. ZRP 2011, 1 ff.

(17) Vgl. ZRP 2012, 87 ff.

(18) Hettlage, M., „Wie wählen wir 2013?“ 2/2012, (vgl. www.lit-verlag.de/isbn/3-643-11585-0).

(19) Vgl. dazu Raschke, Wie wählen wir morgen? Verhältnis- oder Mehrheitswahl in der Bundesrepublik, Schriften der Bundeszentrale für politische Bildung, 3. Aufl. 1969, S. 13 ff, und S. 67 ff.

(20) Ablehnend v. Arnim, Volksparteien ohne Volk, 2. Aufl. 2009, S. 51 ff und S. 378 unter Ziff. 13.

(21) Vgl. BVerfGE 97, 323 mit Hinw. auf BVerfGE 95, 335, (349). Dazu ferner Sodan/Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, 3. Aufl. 2008, § 6, Rndr. 43. In Italien ist die lupenreine Parteienwahl inzwischen vom Ver- fassungsgericht in Rom verworfen worden. Die Sitze im Parlament wurden von der Spitze der Partei „en block“ vorgegeben, was vom Volk als „porcelleum“ – deutsch: „Sauerei“ – bezeichnet wurde. Vgl. dazu SüddZ v. 23./24.2.2013: „Ein Wahlrecht namens Schweinerei“. Das wird sich nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts in Rom so nicht bleiben. Vgl. v. 5.12.2013: „Italien soll Wahlgesetz ändern“. Ferner Politische Studien, der Hanns Seidel Stiftung, 2013, Heft 450: „Italien 2013 oder die Qual der Wahl“.

(22) Vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 BayVerf v. 8.12.1946.

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