Der Albtraum ist vorbei

PRESSENOTIZ

Die herrschende Meinung ist zusammengebrochen

Der quälende Albtraum ist vorbei. Die irrige Auffassung: je mehr Abgeordnete, um so gerechter wird die Wahl, hat ihre frühere Akzeptanz verloren. Kein geringerer als der Deutsche Bundestag hat eine radikale Kehrtwende vollzogen und den gängigen Missbrauch verworfen, die Zahl der gewählten Mitglieder des Bundestages könne durch sog. „Überhänge“ in beliebigem Umfang überschritten werden, solange der Aufwuchs durch „Zusatzsitze“ ausgeglichen werde. Damit ist die herrschende Meinung in sich zusammengebrochen, bei den Überhang- und Ausgleichsmandaten handele sich dabei um unverzichtbare Rechtsgüter. Im Gegenteil ist der Deutsche Bundestag zu der ursprünglichen Auffassung des BVerfG (BVerfGE 7, 66/1957) zurückgekehrt. Das Gericht hat die Überhangmandate schon 1957 missbilligt, aber nicht untersagt, weil das damals offenbar nicht beantragt worden war.

Aus gutem Grunde hat der Bundestag die Ausgleichsmandate, die überhaupt erst 2013 in das Bundeswahlrecht Eingang gefunden haben, mit dem neuen BWahlG (BGBl I, Nr. 147) 2023 wieder abgeschafft. Überhang- und Ausgleichsmandate sind nach Auffassung des Wahlgesetzgebers für den Bund inzwischen keine Rechtsgüter, sondern das genaue Gegenteil: also Missbrauchstatbestände. Dem steht die Bayerischen Verfassung entgegen, danach kann die Soll-Zahl der 180 Landtagsabgeordneten durch Überhang- und Ausgleichsmandate überschritten werden. (Art 14 Abs. 1 Satz 6 BayLV) Weil dazu nach der Entscheidung des BayVGH (Az. Vf. 74-III-18, Rdnr. 40.) aber keine Rechtspflicht besteht, konnte die tatsächliche Vergabe von Überhang- und Ausgleichsmandaten nach der Landtagswahl v. 8.10.2023 auch unterbleiben, sie unterblieb aber nicht. Im Gegenteil, sind nach der Wahl v. 8.10.2023 in den Landtag 11 Abgeordnete mit sog. „Überhang“ und 12 Abgeordnete mit Ausgleichsmandaten eingezogen und nehmen dort an der parlamentarischen Willensbildung teil.

Auch in Bayern gibt es keine Rechtspflicht zur Vergabe von Überhang- und Ausgleichsmandaten. Diesen Ausweg aus der sich aufdrängenden Verfassungsfrage, hat der Bayerische Landeswahlleiter, Thomas Gößl, aber nicht beschritten. Damit stellt sich die unabweisbare Anschlussfrage nach der demokratischen Legitimation. Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 6 BayLV ist die Überschreitung der Soll-Zahl von 180 Mitgliedern des Landtags zulässig. Es dürfen also weitere 23 Abgeordnete zum Wahlergebnis hinzukommen. Das ist unstreitig. Sie dürfen allerdings nur dann hinzukommen, wenn auch sie, wie alle Abgeordneten, nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayLV in gleicher, unmittelbarer und freier und Wahl gewählt worden sind. – Das war aber nicht der Fall.

Der nachgeschobene Ausgleich von 11 sog. „Überhängen“, durch 12 Zusatzsitze war nicht Gegenstand einer außerparlamentarischen und basisdemokratischen Urwahl durch das Wahlvolk. Es gibt daher keine Stimmzettel, mit denen die Wähler hätten darüber abstimmen können, wer, von welcher Partei, in welchem Regierungsbezirk ein Ausgleichsmandat erhalten soll. Diese Wahlentscheidung fehlt, und genau das ist grob verfassungswidrig.

München, 16. März 2024

(V.i.S.d.P: M. Hettlage, Nibelungenstr. 22, 80639 München.)

Hintergrund:

Wahleinspruch im Wortlaut: https://www.manfredhettlage.de/wahlbeanstandung-durch-stimmberechtigte/

Zum Verfasser: https://www.manfredhettlage.de/about/

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