Ohne unmittelbare Legitimation: die FDP
„Mehrheit entscheidet.“ Das ist Grundprinzip der Demokratie. Dem hat der FDP-Vorsitzende, Christian Lindner, den anarchisch geprägten Satz entgegengestellt: Es sei besser gar nicht zu regieren als falsch zu regieren. Die Sperrminorität, d.h. die Herrschaft von Minderheiten über die stärkste politische Kraft – genau das ist der Pferdefuß der Verhältniswahl. Die kleinen Parteien erlangen Macht über die großen. Mit der Verhältniswahl wird die Demokratie auf den Kopf gestellt: Es kommt entweder zur Verständigung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner oder zum völligen Stillstand der politischen Willensbildung, weil sich die Staatsbürger von den Liberalen sogar einreden lassen, es sei besser wenn gar nicht regiert werden könne.
Auf seiner Drei-Königs-Rede erwähnte der FDP-Vorsitzende mit Stolz die 80 Abgeordneten, mit denen die Liberalen in den 19. Deutschen Bundestag eingezogen sind. Was er nicht erwähnt hat, ist die Tatsache, dass auch 2017 kein Abgeordneter der FDP unmittelbar gewählt wurde, wie es das Grundgesetz verlangt. In keinem einzigen der 299 Wahlkreise konnte ein von der FDP aufgestellter Kandidat auch nur ein einziges Direktmandat erringen, obwohl das gar nicht so schwer wäre: 2017 wurden 26 Wahlkreis-Sieger mit weniger als 30 Prozent und 151 von ihnen mit weniger als 40 Prozent der Erstimmen gewählt. (Einfache Mehrheit) Von insgesamt 299 Wahlkreis-Siegern erlangen 177 das Mandat mit etwas weniger bzw. mit etwas mehr als einem Drittel der Erststimmen. Selbst das bringt die FDP nicht zustande. Allen 80 über die Liste ihrer Partei nur mittelbar gewählten FDP-Abgeordneten fehlt die unmittelbare demokratische Legitimation. Trotzdem haben sie in den Koalitionsverhandlungen eine solche Macht, dass sie alles scheitern lassen können?
Wen man nicht wählt, der kann nicht gewinnen.
Historisch betrachtet hat die FDP in 19 Bundestagswahlen 15mal kein einziges Direktmandat gewonnen. Immer haben große Teile der FDP-Zweitstimmen-Wähler in mehreren Fällen sogar bis zur Hälfte ihre Erststimmen dem Wahlkreis-Kandidaten einer anderen Partei gegeben. 2017 haben 1.747.940 der insgesamt 4.997.178 FDP-Zweitstimmen-Wähler gespalten abgestimmt. Das ist jeder dritte FDP-Zweitstimmenwähler. Und dann wundern sie sich, dass die FDP-Kandidaten in den Wahlkreisen nicht gewinnen? Ja sind wir denn auf einen Narrenschiff? Hat denn die FDP das 1 x 1 verlernt? – Wen man gar nicht wählt, der kann auch nicht gewinnen.
Mit 10,7 Prozent der Zweitstimmen wollen die Liberalen die Richtlinien der Politik bestimmen. Und wenn sie sich nicht durchsetzen können, dann gibt es eine handlungsunfähige Minderheitsregierung oder Neuwahlen? – … die daran grundsätzlich gar nichts ändern? Die Folgen dieser undemokratischen Sperrminorität erleben wir z.Z. am eigenen Leib: Man glaubt es nicht, aber man redet schon von Regierungsbildung zu Ostern. Und die FDP will sogar wieder mitmischen, wenn eine „Groko“ nicht zustande kommt?