Es geschieht nichts: Ausgleich ohne Überhang?

Nikolas Löbel (CDU) hat sein Mandat im Bundestag niedergelegt. Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie hatte er sich für die Vermittlung des Ankaufs von Schutzmasken hohe Makler-Provisionen auszahlen lassen. Mit dem Rücktritt von Löbel ist jedoch die Sache keineswegs vom Tisch. Denn er ist 2017 in Baden-Württemberg im Wahlkreis 275 direkt gewählt worden. Sein Direktmandat im Bundestag ist nun vakant. Nach § 48 Absatz 1 Satz 1 BWahlG soll der Sitz aus der Landesliste seiner Partei nachbesetzt werden. Weil Löbel jedoch aus der CDU-Fraktion ausgeschieden ist, und ursprünglich sein Mandat als parteiloser Abgeordneter weiterführen wollte, käme allein schon deshalb eine Nachfolge aus der Landesliste der CDU in Baden-Württemberg natürlich nicht mehr in Betracht.

Wie auch immer hat nach § 48 Abs. 2 WahlG im Wahlkreis 275 eine Nachwahl mit den Erststimmen zu erfolgen. Sie unterbleibt jedoch, wenn der Bundestag innerhalb von 6 Monaten neu gewählt wird. Bis zur nächsten Bundestagswahl am 26.9.2021 gibt es keine sechs vollen Monate mehr. Der Wahlkreis 275 in Baden-Württemberg bleibt also unbesetzt. Deshalb sinkt die Zahl der 11 Überhänge, die 2017 in Baden-Württemberg angefallen sind. Und das kann nicht ohne Folgen bleiben für die 9 Ausgleichsmandate, die den Überhängen dort gegenüberstehen. Sinken die Überhänge müssen auch die Ausgleichsmandate neu ermittelt und zurückgeführt werden. Das liegt in der Natur der Sache, geschieht aber nicht.

Der Fall Löbel ist aber kein Einzelfall. Auch Georg Nüßlein (CSU) ist aus der gemeinsamen-Fraktion von CDU und CSU im Zusammenhang mit mit Vermittlungsprovisionen ausgeschieden, behält aber als parteiloser Abgeordneter sein Direktmandat im Wahlkreis Nr. 255 (Neu-Ulm). Dadurch wandert ein Überhang der CSU in Bayern zu dem jetzt parteilosen Abgeordneten, Georg Nüßlein, ab. Ob und wie sich das auf die Ausgleichsmandate auswirkt ist unklar. Mehr Klarheit besteht im Fall Mark Hauptmann (CDU). Wegen dubioser Geschäfte ist auch er aus Fraktion und Partei ausgeschieden. Sein Wahlkreis Nr. 197 (Suhl, (…)) wurde vakant. Dadurch verringert sich die Zahl der 3 Überhänge, die 2017 bei der Landes-CDU in Thüringen angefallen sind, ohne dass der Ausgleich zurückgeführt wurde.

Schon beim Ausscheiden des Abgeordneten Stephan Harbarth aus dem Bundestag und der Listennachfolge von Nina Warken wurde sein Wahlkreis Nr. 227 vakant. Dadurch fiel in Baden-Württemberg einer der 11 Überhänge weg. Bei Ausscheiden von M. Mortler (Wahlkreis 246/Bayern); von M. Stübken (Wahlkreis 065/Brandenburg); von Oswin Veith (Wahlkreis 177/Hessen); von J. Kahrs (Wahlkreis 016/Hamburg) und von A. Schuster (Wahlkreis 282/Baden-Württemberg) war ebenfalls zu beobachten, dass wegen der Listennachfolge ein Direktmandat vakant wurde, deshalb ein Überhang bei der betroffenen Landespartei entfiel, der Ausgleich aber unverändert bestehen blieb. Wird im Laufe der Legislaturperiode der Überhang kleiner, muss natürlich auch der Ausgleich zurückgeführt werden.

Zuständig ist der Bundestagspräsident (§ 46 Abs. 1 Ziff. 4 BWahlG). Er handelt unverzüglich und von Amtes wegen (§ 47 Abs. 1 Ziff 4 BWahlG und § 47 Abs. 3 BWahlG): Es gibt – ohne Nüßlein – inzwischen mindestens 7 Abgeordnete mit Ausgleichsmandat, die den Bundestag hätten verlassen müssen. Doch es geschieht nichts!

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