Die Berichterstattung zu den Landtagswahlen in Niedersachsen ließ in Presse und Medien leider sehr zu wünschen übrig. In Hannover gibt es regulär 135 Landtagsabgeordnete, aber nur 87 Wahlkreise. Es verbleiben 48 Listenplätze, die nicht durch ein Direktmandat gedeckt sind. Hier gibt es also eine Lücke im dualen Wahlsystem mit zwei Stimmen: Im Landtag werden 48 Sitze nicht durch die Direktwahl personifiziert. Und zu allem Überfluss sind nach der Wahl v. 9.10.2022 gar nicht 135, sondern sogar 146 Abgeordnete in den Landtag von Hannover eingezogen, ohne dass jemand daran Anstoß nimmt.
Die Summe der sog. „Überhänge“ und Ausgleichsmandate beläuft sich in Niedersachsen zusammen also auf 11 Zusatzsitze, die den Wählern durch hoheitlichen Oktroy des Landeswahlleiters nachträglich aufgezwungen wurden. Es handelt sich gleichsam um 11 „blinde Passagiere“, die sich im Landtag tummeln, denen aber die demokratische Legitimation einer freien und eigenhändigen Urwahl durch das souveräne Wahlvolkes fehlt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Anzahl der 87 Wahlkreise eine feste Größe ist, die gar nicht um irgendwelche unzulässigen „Überhänge“ überschritten werden kann. Überzählige Direktmandate aus den 87 Wahlkreisen, die einem ordnungsgemäß gewählten Wahlkreissieger angeblich gar nicht zustehen, die gibt es nicht. Gewählt ist gewählt. Und gibt es keine unzulässigen „Überhänge“, gibt es auch keinen Rechtsgrund für einen Ausgleich.
Ähnlich liegt der Fall in Bayern. Der Landtag in Bayern hat regulär 180 Mitglieder. Es gibt aber nur 91 bayerische Wahlkreise. Die Zahl der Wahlkreise und der Sitze im Parlament stimmen auch in Bayern nicht überein. Es verbleiben vielmehr 89 bloße Listenplätze, die nicht durch die Erststimme personalisiert wurden, nach den Grundsätzen der „personalisierten“ Verhältniswahl aber hätten personalisiert werden müssen. Tatsächlich sind seit 2018 nicht 180, sondern 205 Landtagsabgeordnete im Münchner Maximilianeum anzutreffen: 10 von ihnen bekleiden ein fälschlich sog. „Überhangmandat“, für das es gar keine überzähligen Wahlkreise gibt. Weitere 15 Abgeordnete haben ein nachgeschobenes Ausgleichsmandat erhalten. Der Ausgleich ist sogar noch größer als der Überhang. Im Sinne der simplen Logik eine echte Zumutung. Außerdem werden Stimmen ausgezählt, niemals aber nach der Wahl ausgeglichen. Wer das Wahlergebnis nach der Wahl ausgleicht, der verfälscht es auch.
Das Fazit ist sehr einfach: Es gibt in Niedersachsen 87 Direktmandate. Deshalb verbleiben 48 verteilungsfähige Listenplätze. Und das ergibt genau 135 Mitglieder des Landtags. – Also Hände weg vom Wahlergebnis!