KANZLERWAHL

Eine „unendlich dumme Geschichte“

Den Deutschen fehlt offenbar die nötige Intelligenz, um einen Bundeskanzler zu wählen. Schlimmer noch, sie kennen das Grundgesetz nicht. Wenn die SPD nicht will, dann gibt es keine Neuwahlen. Ein Blick in das Grundgesetz zeigt es: Die SPD kann Neuwahlen verhindern, ohne zuvor in eine Groko einzutreten. In Art. 63 GG heißt es: „Der Bundeskanzler wird auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestage ohne Aussprache gewählt.“

Der Bundespräsident kann seinen Vorschlag dem neu gewählten Parlament unterbreiten, sobald es sich nach Art. 39 Abs. 2 GG konstituiert hat: „Der Bundestag tritt spätestens am 30 Tage nach seiner Wahl zusammen.“ Und damit endet auch das Amt des Bundeskanzlers. (Vgl. Art. 69 Abs. 1 GG) Dreißig Tage, das ist eine lange Zeit, lange genug für die notwendigen Vorgespräche. Hätte der Bundespräsident angekündigt, dass er der konstituierenden Versammlung der Parlamentarier am 24. Oktober 2017 einen Vorschlag zur Wahl des Bundeskanzlers unterbreiten werde, wäre die Entscheidung längst gefallen.

Frank-Walter Steinmeier kann vorschlagen, wen er will, wird das aber nicht tun, sondern einen Vorschlag unterbreiten, der mit hoher Wahrscheinlichkeit mehrheitsfähig ist. Er wird also die Kandidaten der größten Fraktion im Bundestag zur Wahl vorschlagen, und das ist bekanntlich Angela Merkel. Wenn die SPD sie mitwählt ohne in einer „Groko“ einzutreten, dann ist sie die gewählte Kanzlerin und kann gegen ihren Willen nur durch ein konstruktives Misstrauensvotum nach Art. 67 GG abgelöst werden.

„Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik“

Wir hätten also eine stabile Minderheitsregierung, die sich ihre Mehrheiten von Fall zu Fall im Parlament erringen muss. Angenehm ist ein „hung parliament“ sicher nicht. Doch es ist besser als nichts. „Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik“.   (Vgl Art. 65 Abs 1 GG.) Das Parlament kann den Bundeskanzler an der Machtausübung nur hindern, wenn es ein grundrechtlich garantiertes Mitbestimmungsrecht hat.

Der Bundespräsident hat kein Recht, Neuwahlen auszuschreiben, wenn das Parlament einen Kanzler wählt. „Vereinigt der Gewählte die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich, so muss der Präsident ihn binnen sieben Tagen nach der Wahl ernennen.“ (Vgl. Art. 63 Abs. 4 Satz 2 GG)

Im Übrigen sind „Koalitionsverträge“ nicht einklagbar. Aus der Sicht des Vertragsrechts handelt es sich um unverbindliche Absichtserklärungen, „letters of agreement“ also , die ähnlich wie Spielschulden behandelt werden. Und wenn man sich nicht punktgenau über alles geeinigt hat, dann hat man sich gar nicht geeinigt. Es gibt also immer auch einen politischen Ausweg, die Umsetzung von Koalitionsvereinbarungen an den Details scheitern zu lassen, in denen bekanntlich der Teufel steckt.

Noch etwas kommt hinzu: Aus einer Koalition kann man jeden Tag ausscheiden. Koalitionen sind keine Garantie für eine stabile Regierung. Und wenn man in einen Koalitionsvertrag nach 24-stündigen Ringen sogar noch hineinschreibt, dass man ihn nach zwei Jahren aufkündigen kann, dann zeigt das die ganze Ahnungslosigkeit der Verhandlungspartner.

 

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