KEINE BERECHUNG DER SITZVERTEILUNG

Die Wähler verteilen die Mandate

Wer zum Standesamt geht, um den Ehebund zu schließen, erfährt nicht nach der Trauung wie viele Frauen er geheiratet hat. Ein Parlament, bei dem die Wähler erst nach der Abstimmung Zahl der Mit­glieder in Erfahrung bringen können, die sie konkret in die Volksvertretung gewählt haben, das gibt es nicht. Auf der ganzen Welt findet man kein Parlament mit einer ungewissen Zahl an Mitgliedern.

Die „Gesamtzahl der Abgeordneten“ ist ein Rechtsbergriff, der in § 6, Abs. 1, Satz 3; Abs. 2, Satz 1; Abs. 5, Satz 2; und Abs. 7 Satz 3 BWahlG Anwendung findet. Zur näheren Bestimmung wird in § 6 Abs 1 Satz 3 ausdrücklich auf § 1 Abs. 1 BWahlG hingewiesen. Der Bundeswahlleiter zögert nicht, seinen Berechnungen für die Ermittlung der Landesquoten der 16 Bundesländer konkret die Zahl 598 zugrunde zu legen, die in § 1 Abs. 1 BWahlG ja auch genannt wird. Vgl. Die aktuelle Mitteilung v. 9.10.2013 zur „Erläuterung des neuen Verfahrens zur Umrechnung der Wählerstimmen in Bundes­tagssitze“. Anders wäre die Ermittlung der auf die Länder entfallenden Sitze auch gar nicht möglich. Allen entgegengesetzten Darstellungen, die im Umlauf sind, zum Trotz,  es gibt sie also doch die reguläre Gesamtzahl der Abgeordneten.

Stimmen werden nicht verteilt, sie werden gezählt

Das BVerfG hat in seiner Nachrücker-Entscheidung v. 3.7.2008, BVerfGE 121, 266, verlangt, „das für den Wähler kaum noch nachzuvollziehende Regelungsgeflecht der Berechnung der Sitzverteilung im Deutschen Bundestag auf eine neue normenklare und verständliche Grundlage zu stellen“. Wird nicht mit geschlossenen sondern mit offenen Listen gewählt, fällt jede Berechnung der Sitzverteilung nach d’Hondt, Hare/Niemeyer, Sainte-Lague/Schepers oder Pukelsheim I, Pukelsheim II bzw. Pukels­heim III weg. Denn die Wähler haben mit der namentlichen Kennzeichnung der ausgewählten Person die Sitze im Bundestag gemeinschaftlich selbst verteilt.

Die unmittelbare Personenwahl ist durch das Grundgesetz verbürgt. Vgl. Johann Hahlen in: Schneider BWahlG, 2013, § 48, Rdnr. 13. Die offene Listenwahl schließt die Entstehung von Überhängen natür­lich aus, weil es eine abweichende Verteilung von Listenplätzen neben der unmittelbaren Personen­wahl nicht mehr geben kann. Es gibt einfach keine Listenplätze mehr, die anders besetzt werden könn­ten, als das die Gesamtheit der Wähler durch die Peronenwahl bereits konkret entschieden hat. Die Stimmen werden nicht verteilt, sie werden einfach gezählt und das genügt.

 

Dieser Beitrag wurde unter Wahlrecht abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.