Überraschend wurde die SPD allein mit den Erststimmen gewählt
Im Landtag von Nordrhein-Westfahlen gibt es 181 Sitze, aber nur 128 Wahlkreise. Eine personalisierte Verhältniswahl ist daher bei 53 Landtags-Abgeordneten von vorne herein unmöglich. Sie werden nicht mit beiden, sondern nur mit einer von beiden, nämlich der Zweitstimme gewählt. Die personalisierte Verhältniswahl bleibt also ein Torso.
Die Grünen, die FDP und die Piraten, alle drei Parteien wurden allein mit der Zweitstimme gewählt. Sie erreichten kein einziges Direktmandat. Von einer „personalisierten“ Verhältniswahl kann in diesen drei Fällen überhaupt keine Rede sein. Kein einziger Abgeordneter der drei Parteien wurde mit beiden Stimmen gewählt. Mit dem Grundsatz der gleichen Wahl ist das unvereinbar.
Landtagswahl Nordrhein-Westfalen 2012: Stimmensplitting
Partei | Erststimmen | Zwetstimmen | Zweitstimmen-Transfer | Erststimmen-Transfer |
SPD | 3.290.561 | 3.049.983 | 240.578 | |
CDU | 2.545.309 | 2.050.321 | 494.988 | |
Grüne | 723.581 | 885.298 | 160.717 | |
FDP | 327.727 | 670.082 | 297.366 | |
Piraten | 871.926 | 609.176 | 8.750 |
Quelle Landeswahlleiter und eigene Berechnungen (Vgl. Landtagswahl 2012, Endgültige Ergebnisse in Nordrhein-Westfalen, Heft 3, Seite 9, (Landesergebnis).
Das Stimmensplitting widerspricht dem dualen System der Doppelwahl mit Erst- und Zweitstimme fundamental. Beide Stimmen sind im Verbund abzugeben. Das Ergebnis der Erststimmen-Wahl wird auf das Ergebnis der Zweitstimmen-Wahl angerechnet. (Personalisierte Verhältniswahl) Werden die Stimmen gesplittet, kann man die Erststimmen nicht auf die Zweitstimmen anrechnen. Die Anrechnung greift ins Leere. Gleichwohl war das Stimmensplitting bei der Landtagswahl 2012 besonders auffällig. Jeder fünfte Wähler der CDU gab ihr die Erststimme nicht aber die Zweitstimme. Nicht ganz jeder zweite Wähler der FDP gab ihr die Zweitstimme, nicht aber die Erststimme. Die gegenseitigen „Leihstimmen“ kann man aber auch zwischen SPD und Grünen vermuten.
Landtagswahl Nordrhein-Westfalen 2012: Mandate
Partei | Direkt-mandate | Listen-plätze | Wahler-gebnis | Auf- stockung | Endergebnis |
SPD | 99 * | 0 | 99 | 1 | 100 |
CDU | 29 | 22 | 51 | 16 | 67 |
Grüne | 0 | 22 | 22 | 7 | 29 |
FDP | 0 | 17 | 17 | 5 | 22 |
Piraten | 0 | 15 | 15 | 5 | 20 |
Summe (ist) | 128 | 76 ** | 204 ** | 34 | 138 |
Summe (soll) | 128 | 53 | 181 | 0 | 181 |
Quelle Landeswahlleiter und eigene Berechnungen (Vgl. Landtagswahl 2012, Endgültige Ergebnisse in Nordrhein-Westfalen, Heft 3, Seite 689 ff (8. Berechnung der Sitzverteilung im Landtag nach dem Ergebnis der Landtagswahl v. 13.5.2012) *Inklusive 23 Überhänge, d.h. Direktmandate ohne Listenplätze. ** Inklusive 23 zusätzliche Listen-plätze ohne Direktmandate
Der Ausgleich in Höhe 34 Listenplätzen überstieg 2012 den Überhang in Höhe von 23 Listenplätzen um 11 Sitze. Selbst die SPD profitierte von der Aufstockung der Mandate, obwohl sie die Verursacherpartei von 23 „Überhängen“ war.
Die Zahl der 128 Wahlkreise ist konstant. Es gibt keine überzähligen Wahlkreise mit überzähligen Wahlkreis-Siegern, denen ihr Direktmandat nicht zusteht. Zwar entstehen 23 Direktmandate, denen kein Listenplatz gegenübersteht, obwohl das so sein sollte. Es entstehen aber 23 zusätzliche Listenplätze, denen kein Direktmandat gegenüber steht, obwohl das so sein sollte.
Die SPD gewann die Wahl mit den Erststimmen und brauchte trotz Mandatsausgleich keinen Koalitionspartner. Sie konnte daher nicht nur 240.578 Stimmen oder mehr „verleihen“ d..h. verschenken ohne ein Direktmandat zu verlieren.
Gegenüber der Wahl von 2010 verlor die CDU 36 Direktmandate an die SPD. Obwohl die CDU nicht mit den Erststimmen, sondern mit den Zweitstimmen gewählt wurde, „verschenkte“ sie fast jede fünfte Zweitstimme. Das macht aber nur Sinn, wenn sie mit den Erststimmen gewählt wird.