Litauen – Der Pferdefuß der Stichwahl

Litauen hat am 25.10.2020 ein neues Parlament gewählt, das „Seimas“ genannt wird. Keine der politi­schen Parteien erreichte mehr als die Hälfte aller Mandate. Stärkste Partei wurde der konservative Va­terlandsbund, aber nur mit etwas mehr als einem Drittel der Sitze. Es muss also eine Koalition aus mehreren Parteien gebildet werden.

Litauen ist ein kleines Land mit rund 2,5 Mio. Wahlberechtigten. Es gib im Seimas 141 Plätze, auf­geteilt in 70 Listenplätze aus den Landesstimmen der Parteien- bzw. Verhältniswahl und 71 Direkt­mandate aus der Personenwahl in Wahlkreisen. Es gibt also zwei grundverschiedenen Stimmen wie in Deutschland. Ge­wählt wird allerdings nach dem sog. „Grabensystem“ d.h. nach zwei unglei­chen – wie durch einen tiefen Graben von einander vollkommen getrennten – Wahlverfahren. Über­hang- oder Ausgleichsmandate entstehen daher keine.

Im ersten Wahlgang v. 11.10.2020 wurden 70 Mandate über die Verhältniswahl d.h. nach den Ver­hältnissen der Landesstimmen verteilt. Hinzu kamen 3 Direktmandate, in denen der Wahlsieger mehr als die Hälfte aller Wahlkreis-Stimmen erreichen konnte. In 68 Wahlkreisen kam es zur Stichwahl, weil dort niemand die absolute Mehrheit der Wahlkreis-Stimmen erreicht hatte.

Lag die Wahlbeteiligung im ersten Wahlgang am 11.10.2020 mit 47,5 Prozent schon unter der Hälfte aller Wahlbeteiligung, sank sie bei der Stichwahl am 25.10.2020 auf 39,7 Prozent weiter ab. Sinkt die Wahlbeteiligung unter die Hälfte aller Wahlberechtigten ist sie schon nicht mehr repräsentativ für das gesamte Wahlvolk.

Bei einer Stichwahl treten nur die zwei führenden Bewerber an. Einer von beiden erreicht in aller Re­gel von selbst mehr als die Hälfte aller Wahlkreisstimmen. Das bedeutet aber nicht, dass die Gesamtheit der 68 Sieger in der Stichwahl Litauens auch mehr als die Hälfte aller 2,5 Mio. Wahlberechtigten hinter sich hat. Bei einer Wahlbeteiligung von 2/5 aller Stimmberechtigten erreicht die absolute Mehrheit aller Wahlkreis­stimmen gerade Mal 1/5 des stimmberechtigten Wahlvolkes.

Der Pferdefuß der Stichwahl. Sie ist bei niedriger Wahlbeteiligung für das Wahlvolk nicht repräsentativer als die klassische Direktwahl mit einfacher Mehrheit ohne Stichwahl. In beiden Fällen wird im Ergebnis gewählt, wer die meisten Stimmen hat.

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