PERSONENWAHL …

… oder die Katze im Sack wählen

Das Grundgesetz verlangt die „unmittelbare Wahl“ der Abgeordneten. Das geht aus den Wortlaut von Art. 38 GG klar und eindeutig hervor. Dort steht nicht: „Die Parteien werden (…) gewählt.“ In der Verfassung heißt es vielmehr: „Die Abgeordneten werden (…) gewählt.“ Die Personenwahl steht deshalb dem Grundgesetz viel näher als die Parteienwahl. Es kann also nicht sein, dass die Wähler lediglich die Quote bestimmen, mit der die politischen Parteien in den Bundestag einziehen, und wer am Ende Abgeordneter wird, nicht mehr unmittelbar von den Wählern selbst entschieden wird, sondern den Parteien überlassen bleibt. Die Parteien haben zwar ein Vorschlagsrecht, müssen aber den Wählern die namentliche Auswahl der Person überlassen, die in den Bundestag einziehen soll. (Wahl mit offenen Listen)

Das Bundesverfassungsgericht lässt daran keinen Zweifel, wenn es ein Wahlverfahren verlangt, „in dem der Wähler vor dem Wahlakt erkennen kann, welche Personen sich um ein Abgeordnetenmandat bewerben und wie sich die eigenen Stimmabgabe auf den Erfolg oder Misserfolg der Wahlbewerber auswirken kann“. (Vgl. BVerfGE 47, 253, (279 f)) Karl-Ludwig Strelen zieht daraus die Konsequenz, wenn er sagt: Wahlen seien „Personenauswahl-Entscheidungen“, mit denen „die Gesamtheit der Stimmbürger des Staatsvolkes seinen Willen ausdrückt, welche Personen für sie in der nächsten Wahlperiode handeln sollen“. (Vgl. Strelen, BWahlG, 9. Aufl. 2013, Einführung, Rdnr. 4 und Rdnr. 13)

„Eine bloße Parteienwahl schließt die Verfassung aus.“

Johann Hahlen spricht sogar von dem „in Art 38 Abs 1 Satz 1 GG verbürgten Prinzip der Personenwahl“. (Hahlen, BWahlG, 9. Aufl. 2013, § 48, Rdnr. 13.) Man kann es drehen und wenden wie man will: Die Wahl mit geschlossenen Listen kann vor dem Grundgesetz keinen Bestand haben. Auch dazu hat das Verfassungsgericht in Karlsruhe festgestellt: „Eine bloße Parteienwahl schließt die Verfassung aus.“ (Vgl. BVerfG v. 26.2.1998, BVerfGE 98, 317 (323).) Auf dem Stimmzettel müssen also immer und unverzichtbar die Namen stehen, aus denen der Wähler durch Kennzeichnung eine Person bestimmen und auswählen kann. Das ist bei der Bundestagwahl aber nicht der Fall: Bei der Zweitstimme wird „contra legem“ mit geschlossenen Listen gewählt.

Die Wähler können auf den Stimmzetteln mit der ausschlaggebenden Zweitstimme – die deshalb ja auch als „Kanzlerstimme“ bezeichnet wird – nur die Parteien kennzeichnen. Zwar sind die Namen der fünf sog. „Listenführer“ auf den Stimmzetteln ausgedruckt, die Wähler können daraus aber keine Auswahl treffen. Würden sie statt der Partei, den Namen eines der fünf „Listenführer“ kennzeichnen, wäre der Stimmzettel ungültig. Die Namen der sonstigen Listenbewerber können die Wähler auf den Stimmzetteln überhaupt nicht erkennen und schon gar nicht auswählen. Weil die Wahl nicht unmittelbar auf die Person der Wahlbewerber abstellt, diese also nur mittelbar gewählt werden, wissen die Wähler gar nicht, wen sie in das Parlament geschickt haben. Volkstümlich formuliert müssen sie gegen den Wortlaut der Verfassung „die Katze im Sack wählen“.

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