Wahlbeanstandung durch Stimmberechtigte

An den Bayerischen Landtag, Maximilianeum, 81672 München, mit Rückschein

Es gilt das Datum der Zustellung am 23.11.2023)

Anfechtung der Landtagswahl v. 8.10.2023 nach Art. 33 der Verfassung des Freistaates Bayern

(Aktenzeichen: P – II – 1003 – 1- 24)

Hiermit fechten die beteiligten Antragsteller die Gültigkeit von Teilen der bayerischen Landtagswahl v. 8.10.2023 an. Es sind dies die Damen und Herren:

1.)   Dr. Wolfgang Goldmann, Zuccalistr 25, 80639 München; 2.)   Dr. Robert Mertel, Kindermannstr. 1, 80637 München; 3.)   Joachim Kampka, Nürnberger Str. 24, 80637 München; 4.)   Dr. Manfred C. Hettlage, Nibelungenstr. 22, 80639 München;

5.)   Dr. Ursula Offergeld-Hettlage, Nibelungenstr. 22, 80639 München; 6.)   Gero von Braunmühl, Taxisstr. 25, 80637 München; 15.) Dr. Anton Fischer, Fritz-Lutz Str. 10,  81929, München. Und andere.

Teil A: Regularien

I. Zuständigkeit und Zulässigkeit

Die Wahlprüfung obliegt dem Landtag. Die Anfechtung der Landtagswahl v. 8. Oktober 2023 ist somit zulässig. Der bayerische Landtag ist zuständig. Beides geht aus Art. 33 Satz 1 der Bayerischen Verfassung und aus Art. 55 im bayerischen Wahlgesetz hervor.

II. Einspruchsbefähigung

Alle Beteiligten sind natürliche Personen und haben ihren Wohnsitz im Freistaat Bayern. Als solche sind sie durch das Grundgesetz und die Verfassung des Landes geschützt und zur An­fechtung der Wahl befähigt.

III. Einspruchsgegenstand

Gegenstand des Verfahrens ist die Landtagswahl vom 8. Oktober 2023. Es handelt sich also um eine Wahlstreitigkeit im Sinne von Art. 33 Satz 1 der Bayerischen Verfassung. Der Einspruch richtet sich gegen Teile der Wahl und ist somit mandatsrelevant.

IV. Eigene Betroffenheit

Die Einspruchsführer waren im Wählerverzeichnis eingetragen und damit berechtigt, an der Landtagswahl v. 8. Oktober 2023 teilzunehmen. Sie sind also gegenwärtig und unmittelbar in ihren Rechten verletzt, die im Grundgesetz und in der Verfassung des Freistaates Bayern ga­rantiert werden.

V. Form und Frist

Der mandatsrelevante Antrag erfolgte in Schriftform und ist mit der vorgeschriebenen Be­gründung versehen. Die Monatsfrist des Art. 53 BayLWahlG wurde eingehalten.

VI. Vertretung und Rechtsbeistand

Der beteiligte Antragsteller zu 4) vertritt, soweit das gesetzlich zulässig ist, die übrigen Be­teiligten. Er ist befugt und von allen Beteiligten beauftragt, einen gesetzlich zugelassenen Rechtsbeistand zu bevollmächtigen, wenn das notwendig wird. Von Gerichtsgebühren und Anwaltskosten sind die sonstigen Beteiligten befreit.

Teil B: Antrag:

Die Antragsteller bestreiten vor dem Landtag die Gültigkeit von Teilen der Wahl v. 8.10. 2023. Sie verlangen, diese Teile unter einem verfassungskonformen Wahlgesetz nachzu­holen und beantragen im Einzelnen:

  1. für künftige Wahlen die Zahl der 91 Stimmkreise auf die Soll-Zahl der 180 Mitglieder des Landtags anzuheben;
  2. die Überschreitung der 11 Überhangs- durch 12 Ausgleichsmandate zu unterbinden;
  3. den Regionalproporz zwischen den 7 Regierungsbezirken zu gewährleisten;
  4. für 12 Ausgleichsmandate die fehlende Urwahl durch das Volk in der laufenden Wahlperiode nachzuholen;
  5. die Bemessungsgrundlage der Sperrklausel auf die 7 Regierungsbezirke zu beziehen;
  6. die getrennten Erst- und Zweitstimmen nicht zusammenzuzählen.

Teil C:

Begründung im Allgemeinen:

Die Staatsgewalt geht vom Volk aus. Das Volk tut seinen Willen vor allem in regelmäßig wie­derkehrenden Wahlen der Männer und Frauen kund, die es bei der parlamentarischen Willens­bildung in Bund und Land vertreten sollen. Die Abgeordneten werden also gewählt, nicht ok­troyiert. Die zwingend einzuhaltenden Verfahrensgrundsätze gibt das Grundgesetz in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG für die Länder verbindlich vor. Danach muss das Volk in den Landtagen „eine Vertretung haben, die aus (…,) unmittelbaren, freien, gleichen, (…) Wahlen hervorge­gangen ist“. Diese strengen Verfassungsbefehle für das Wahlverfahren sind zwingendes Recht. Davon kann der einfache Wahlgesetzgeber nicht abweichen. – Das ist unstreitig.

Oberstes Gebot ist der Wählerwille. Er wurde auch bei den bayerischen Landtagswahlen v. 8.10.2023 erneut verletzt. Der Beschluss des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes vom 28.10.2019 (Vf. 74-III-18), der von den Antragstellern schon 2019 herbeigeführt wurde, brachte keinen Rechtsfrieden. Die beiden Phänomene der sog. „Überhang-“ wie der sog. „Ausgleichsmandate“ sind heute umstrittener denn je. Die herrschende Meinung, dass die Soll-Zahl der Mitglieder in den Parlamenten von Bund und Land in beliebigem Umfang durch sog. “Überhänge“ überschritten werden könne, wenn sie durch sog. „Ausgleichsmandate“ geheilt werden, ist in sich zusammengebrochen. Kein Geringerer als der Deutsche Bundestag hat die Ausgleichsmandate zurecht missbilligt, aus dem neuen BWahlG (BGBl I Nr. 147) zurecht vollständig verbannt und damit zurecht gleichsam eine „Zeitenwende“ in der Ge­schichte des Wahlrechts eingeleitet. (Näheres dazu in:  BT-DruckS 20/5370, v. 24.1.2023, S. 10 und 12; wie in: BT-DruckS 20/1650, S. 2 ff.)

Die besondere Schwierigkeit des gegebenen Falles zeigt sich nicht zuletzt am Beispiel der wechselhaften höchstrichterlichen Urteile zu den Bundestagswahlen, bei denen ebenfalls zwei Stimmen zur Anwendung kommen. (Mehr dazu in: DVBl 2020, 1302: „Alles zerfließt“). Ursprünglich hat das Bundesverfassungsgericht die sog. „Überhangmandate“ zutreffend als „Manipulationsmöglichkeit“ und als „Missbrauch“ bewertet, aber nicht untersagt. (BVerfGE 7, 66 / 1957) Vier Dekaden später wurde der schon 1957 höchstrichterlich gerügte „Miss­brauch“ jedoch ausdrücklich geduldet, wenn er nicht sonderlich ins Gewicht falle. (BVerfG 95, 335 / 1997, sog. Vier-zu-Vier-Entscheidung.)

Erst sehr spät, mit dem Verfassungsreformgesetz – Reform von Landtag und Staatsregierung v. 20.2.1998 wurde auch für die Wahl des bayerischen Landtags fingiert, dass der 1957 auf Bundesebene höchstrichterlich gerügte „Missbrauch“ zulässig sei, und zwar ohne jede Ein­schränkung. In Art. 14 Abs. 1 Satz 5 BayVerfheißt es dazu: „Durch Überhang- und Aus­gleichsmandate (…) kann die Zahl der Abgeordneten (…) überschritten werden.“ Der Bayeri­sche Verfassungsgerichtshof hat dazu ausgeführt, diese Verfassungsnorm sei unverbindlich. (Vgl. Vf. 74-III-18, Rdnr. 40.) Die bayerische Staatsregierung kann also von dem „Miss­brauch“ bei der Durchführung der Wahl abweichen, wenn sie das will. Sie hat das aber nicht getan und hält an den „Manipulationsmöglichkeiten“ weiter fest. Eine Petition beim Bayeri­schen Landtag am 5.8.2013 (Az VF 1106 18) und eine zweite beim Bayerischen Staatsmini­ster des Innern, bei der Auszählung der Wahlergebnisse von der nachträglichen Zuteilung von Überhang- und Ausgleichmandaten endlich abzulassen, blieb erfolglos.

Mit dem Urteil des BVerfG 25.7.2012, BVerfGE 131, 316 wurde schließlich der sog. „Über­hang“ auf höchstens 15 Direktmandate beschränkt, es sei denn, die Überschreitung werde ausgeglichen. Das hat sich allein schon wegen der notorischen Überfüllung des Bundestages als Irrweg erwiesen. Die Entscheidung des BVerfG (131, 316 / 2012) zur Heilung des Über­hangs durch Ausgleichsmandate ist heute Makulatur. Nach der sehr späten, aber uneinge­schränkten Missbilligung der sog. „Ausgleichsmandate“ durch den Deutschen Bundestag bleibt nur mehr bestehen, dass eine „Manipulationsmöglichkeit“ der Wahl bis zur Höhe von 15 sog. „Überhangmandaten“ höchstrichterlich geduldet wird.  Streitig blieb dabei allerdings, ob sich die Begrenzung auf den Bund, auf das Land oder auf die Partei beziehen soll. (Vgl. dazu insbesondere auch das schwebende Verfahren, BVerfG, Az 2 BvF 1/21.) Aus gutem Grund verwarf der Bundestag aber nicht nur die sog. „Ausgleichsmandate“, sondern auch die sog. „Überhangmandate“ und geht von ihrer uneingeschränkten Unzulässigkeit aus, so dass der Rechtsgrund für den Ausgleich entfällt. Nicht wegzudiskutieren bleibt, dass ein direkt gewählter Mandatsträger kein unzulässiges „Überhangmandat“ bekleiden kann. – Denn ge­wählt ist gewählt!

In diesem Wirrwarr aus gesetzlichen Normen und richterlichen Entscheidungen, in dem „alles zerfließt“, wie es im Schrifttum (DÖV 2020, 1302) treffend heißt, haben insbesondere nach dem Zusammenbruch der herrschenden Meinung auch die Beteiligten des Verfahrens (Vf. 74-III-18) ihre 2019 eingenommene Position überdacht, ihre Argumentation in der Sache berich­tigt, wo das nötig war, sie vervollständigt und ausgebaut, wo das wegen der geänderten Um­stände geboten erschien. Die unübersehbaren Rechtsverletzungen bei der Durchführung der Wahl v. 8.10.2023, die sich aus den Widersprüchen und Unstimmigkeiten des Bayerischen Wahlrechts ergaben, waren am Ende dafür ausschlaggebend, erneut den Rechtsweg zu be­schreiten und mit neuen Anträgen vor dem Landtag ein weiteres Wahlprüfungsverfahren nach Art. 55 BayLWahlG anhängig zu machen.

Teil D:

Begründung im Einzelnen:

Zu Ziff. 1 des Antrags: „Für künftige Wahlen ist die Zahl der 91 Stimmkreise auf die Soll-Zahl der 180 Mitglieder des Landtags anzuheben.“

a) Bayern folgte – wie der Bund und wie 13 von 16 Bundesländern zuvor – auch bei der Wahl v. 8.10. 2023 weiter dem durchaus strittigen Verfahren der „personalisierten“ Verhältniswahl. Gewählt wurde mit zwei Stimmen, einer „Erst-“ und einer „Zweitstimme“ (Art.  36 BayLWahlG). Zweck der Doppel­wahl mit zwei Stimmen ist die lückenlose Personifizierung der indirekten Verhältniswahl durch eine direkte Personenwahl. Das schließt das sog. „Stimmensplitting“ natürlich aus. Tatsächlich wichen je­doch die pro Partei und pro Regierungsbezirk abgegebenen Erst- und Zweitstimmen deutlich vonein­ander ab. Die CSU erzielte mehr Direktmandate als Listenplätze, nämlich 11 sog. „Überhänge“.

Vgl. Anlage 1: Systemwidrige Splittingwähler

bei der Landtagswahl vom 8.10.2023

Wer mit der Erststimme die Person eines Abgeordneten gewählt hat, der hat zugleich auch seine auf dem Stimmzettel aufgeführte Partei mitgewählt (Art. 37 BayLWahlG). Wird mit der Erststimme be­reits mitgewählten Partei die Zweitstimme verweigert und stattdessen eine andere, eine Konkurrenz-Partei begünstigt, geht die Eindeutigkeit des Wählerwillens verloren. Zahlreiche Wähler haben genau das getan und sog. „Leihstimmen“ vergeben, obwohl man seine Stimme grundsätzlich nicht „verlei­hen“ kann, denn man bekommt sie ja nicht zurück. Die „personalisierte“ Verhältniswahl hat sich durch das sog. Stimmensplitting „abgeschafft“. (Mehr dazu DÖV 2015, 329: „Die personalisierte Ver­hältniswahl schafft sich ab“.)

b) Zwei getrennte Stimmen sind immer auch zwei getrennte Wahlen. Und wer zweimal wählen darf, kann beide Stimmen auch gegeneinander richten. Zusätzlich verwirrt werden die Wähler durch Art. 3 Abs. 4 BayLWahlG. Danach kann „jede stimmberechtigte Person ihr Stimmrecht nur einmal (…) aus­üben“. Dies obwohl „jeder Wähler“ nach Art. 36 BayLWahlG „zwei Stimmen hat“, also zweimal ab­stimmen soll. Gewiss, man darf nur einmal wählen, aber doch zweimal abstimmen. Man kann also einmal für die Regierung und noch einmal für die Opposition votieren – beides aber nur einmal. Sinn und Zweck dieser Überfrachtung des Wahlverfahrens ist nicht zu erkennen. Die typisch deutsche Dop­pelwahl steht grundsätzlich nicht im Einklang mit der ungeschriebenen Jurisprudenz. Die Kritik in Tei­len des Schrifttums fiel denn auch heftig aus, bewegte aber nichts. H. Meyer spricht von „einem le­gislatorischen Monstrum“, und von „wahlrechtlichen Irrsinn“ (DÖV 2015, S. 700). G. Mahrenholz bezeichnete die Wahl mit zwei Stimmen als Einführung der „Bigamie im Wahlrecht“ (Festschr, f. Has­semer 2010, S. 111); S. Schönberger kritisierte die Abundanz der typisch deutschen Zweistimmenwahl als „Lebenslüge“ (FAZ 9.5,1919) – Alle erfolglos!

Der bayerische Landtag besteht regulär aus 180 gewählten Abgeordneten (Soll-Zahl). Tatsächlich sind aus der Wahl aber 203 Mandate hervorgegangen. Es wurden also mehr Mandate verteilt als Sitze zu Verfügung stehen. Durch Überhang und Ausgleich können offenbar beliebig viele Mandatsträger hin­zutreten. Tatsächlich sind bei der Wahl 11 sog. Überhang- und 12 sog. Ausgleichsmandate – über den Kopf der Wähler hinweg – zum Wahlergebnis nachträglich hinzugefügt worden. Es gab 91 Direktman­date und 112 Listenmandate. Mehr als 91 Wahlkreise gibt nicht. Damit hat der Wahlleiter unstreitig gestellt, dass zu den 91 gewöhnli­chen, keine außergewöhnlichen Direktmandate hinzukommen.

Die sog. „Überhangmandate“ sind grundsätzlich keine zusätzlichen Direktmandate, werden aber als solche behandelt. Die 11 sog. „Überhänge“ kommen zu den 85 Direktmandaten der CSU nicht hinzu. Sie sind vielmehr darin schon enthalten. Gewiss, die CSU erreicht ohne die sog. 11 „Überhänge“ 74 Listenplätze, hat aber in 85 Wahlkreisen gesiegt. Dieser Wahlsieg ist unstreitig. Gewählt ist gewählt. Und Sieg ist Sieg. – Für den Ausgleich fehlt der Rechtsgrund!

Vgl. Anlage 2: Mitglieder des Landtags

nach der Wahl v. 8.10.2023

Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayLWahlG werden die Abgeordneten des Landtags „in Wahlkreisen und Stimmkreisen gewählt“. Gemäß Art. 21 Abs. 3 BayLWahlG sind insgesamt 91 Stimmkreise zu bilden. Für sie besteht ein „numerus clausus“. Genauer gesagt gibt es bayernweit 91 verschiedene Stimmzettel für die Erststimme, aus denen nicht mehr als 91 Direktmandate hervorgehen können. Diese sind im Verhältnis der Anteile am Wahlvolk auf die 7 Regierungsbezirke zu verteilen, in denen insgesamt 89 weitere Mandatsträger aus den Listen der Parteien gewählt werden können, wenn die Soll-Zahl der Mitglieder des Landtags nicht umgeworfen wird (doppelt gegliedertes Wahlverfahren).

Die Zahl der Stimmkreise pro Regierungsbezirk muss vor der Wahl festgelegt worden sein. Anders wäre die Erstellung von amtlichen Stimmzetteln undurchführbar. Demnach entfallen auf Oberbayern (mit München) 31; auf Niederbayern 9; auf die Oberpfalz 8; auf Oberfranken 8; auf Mittelfranken 12; auf Unterfranken 10 und auf Schwaben 13 in ihren Stimmkreisen unmittelbar gewählte Mitglieder des Landtags (Art. 21 Abs. 3 BayLWahlG). Die gesetzlich vorgegebene Zahl der 91 Stimmkreise ist also insgesamt und pro Regierungsbezirk doppelt limitiert. Und das muss zwangläufig in Konflikt mit nachgeschobenen Überhangmandaten geraten – für die zu allem Überfluss gar keine Stimmkreise übrig sind, um von den Ausgleichsmandaten gar nicht zu reden.

c) Die verbleibenden 89 Abgeordneten wurden aus den Namenslisten der Parteien in 7 „Wahlkreisen“ gewählt, die mit den bayerischen Regierungsbezirken identisch sind. Die Bezeichnung als „Wahl­kreis“ weicht von dem gewöhnlichen Sprachgebrauch ab und trägt zusätzlich zur Verwirrung bei. Aus­schlaggebend ist jedoch, dass die Zahl der 91 Stimmkreise hinter der Soll-Zahl der 180 Mitglieder des Landtags ungefähr um die Hälfte zurückbleibt. Für eine lückenlose Durchführung der „personalisier­ten“ Verhältniswahl gibt es also nicht genug Wahlkreise. Als Folge davon ziehen die Abgeordneten auf zwei grundverschiedenen Wegen in den Landtag ein. Und das ist mit dem in Art 14 Abs. 1 Satz 1 BayVerf und Art. 19 BayLWahlG niedergelegten Grundsatz der gleichen Wahl unvereinbar.

Zwar ist über 91 Mitglieder des Landtags in unmittelbarer, freier und gleicher Wahl abgestimmt wor­den. Für den verbleibenden Rest der 89 Mitglieder gilt eine Besonderheit, nämlich die begrenzt offene, bzw. bewegliche Listenwahl der Mitglieder des bayerischen Landtags. Danach wird die Liste als ganze gewählt, wenn die Wähler aus der Liste mehrere Bewerber herausgreifen, also mehr als eine Zweit­stimme vergeben, obwohl sie ja nur eine haben. (Vgl. Art. 40 Abs. 2 BayLWahlG.) Vergibt der Wähler nur eine Zweitstimme an einen konkreten Listenbewerber, hat er diesen zwar direkt gewählt. Er beein­flusst er damit aber auch die Reihenfolge auf der Liste. Vor allem aber verengt der Wähler damit nicht den Geltungsbereich der Zweitstimmen für den gesamten Regierungsbezirk. Die Zweitstimme bleibt in ihrem Kern damit gleichwohl eine indirekte Gruppen- oder Blockwahl, die den Grundsatz der un­mittelbaren, d.h. direkten Personenwahl immer noch verletzt. (Vgl. dazu auch Art. 22 BayLWahlG.) Die Blockwahl gilt als „undemokratisch“ und „verfassungswidrig“. So auch R. Scholz, (In guter Ver­fassung? 2004, S. 131). Denn die Parteiensouveränität wird über die Volkssouveränität gestellt.

Die unmittelbare Wahl der Person des Abgeordneten ist ein strenger Verfassungsbefehl. Die Abgeord­neten werden durch Kennzeichnung ihres Namens auf amtlichen Stimmzetteln gewählt. So will es Art. 28 Grundgesetz und so will es auch Art. 14 der Verfassung des Freistaates Bayern. Niemand kann 180 Sitze im Landtag durch eine unmittelbare Direktwahl personifizieren, wenn es dafür nur 91 Stimm­kreise gibt. Die „personalisierte“ Verhältniswahl darf nicht auf halben Weg stehen bleiben. Deshalb ist, wie beantragt, die Zahl der 91 Stimmkreise für die nächste Legislaturperiode auf die Soll-Zahl der 180 Mitglieder des Landtags anzuheben. Für die laufende Legislaturperiode ist davon jedoch abzusehen. Hier hat der Bestandsschutz der Wahl Vorrang.

Die vollständige Wiederholung der Landtagswahl wird von den Beteiligten des Verfahrens ausdrück­lich nicht beantragt.

Zu Ziff. 2 des Antrags: „Die Überschreitung des Überhangs durch den Ausgleich ist zu unter­binden.“

In Art. 3 BayVerf heißt es: „Bayern ist ein Rechtsstaat.“ Das schließt alle von Willkür geprägten Ge­setzgebungsmaßnahmen aus. Der Ausgleich kann grundsätzlich nicht größer sein als der Überhang. Das liegt auf der Hand und geht aus der elementaren Mengenlehre hervor. Übersteigt der Ausgleich den Überhang, käme es zu „überhanglosen“ Ausgleichmandaten, für die es von vorne herein keinen Rechtsgrund gibt. Das muss grundsätzlich ausgeschlossen und ausdrücklich unterbunden werden.

Am 8.10.2023 kam es, in Anwendung von 44 BayLWahlG, zu 11 Überhängen und 12 Ausgleichsman­daten, zusammen also 23 Zusatzmandate. Der Ausgleich war also erneut größer als der Überhang. Und es ist ein überhangloses Ausgleichmandat entstanden. Das war schon bei der bayerischen Landtags­wahl von 2018 der Fall. Damals gab es 10 sog. „Überhänge“ und 15 Ausgleichsmandate, zusammen also 25 Zusatzsitze, die dem Wahlergebnis, das sich aus den ausgezählten Stimmzetteln ergab, nach­träglich hinzugefügt wurden. Die Verfassung für den Freistaat Bayern nennt in Art. 14 Abs. 1, Satz 6 zwar keinerlei Obergrenze für die Ausgleichsmandate. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass der Ausgleich den Überhang überschreiten darf. Der Vergleich der Ergebnisse der beiden Landtags­wahlen von 2018 und 2023 zeigt, dass hier eine Lücke im Gesetz besteht, die dringend geschlossen werden muss.

Es darf grundsätzlich keine Überzahl an Ausgleichsmandaten geben: Die Überschreitung des Über­hangs durch den Ausgleich führt zu „überhanglosen“ Ausgleichsmandaten und verletzt das Willkür­verbot des Art. 3 BayVerf. Im Gegensatz zur Auffassung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (Az. Vf. 74-III-18) besteht hier Regelungsbedarf: Der Art. 44 BayLWahlG kann, in seiner derzeitigen Fassung keinen Bestand haben und muss, wie beantragt, neu gefasst werden.

Zu Ziff. 3 des Antrags: „Der Regionalproporz zwischen der 7 Regierungsbezirken ist zu ge­währleisten.“

Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayVerf wird „in Wahlkreisen und Stimmkreisen gewählt“. Nach Art. 21 BayLWahlG werden die 180 Sitze des Landtags im Verhältnis ihrer Wahlberechtigten auf die 7 Regie­rungsbezirke aufgeteilt. Die dadurch entstehenden Sitzkontingente der Bezirke sind konkret beziffert. Damit wird der Proporz der Regierungsbezirke untereinander festgelegt. (Vgl. dazu Art. 21 Abs. 2 BayLWahlG). In den 7 unterschiedlich bevölkerungsreichen Regierungsbezirken werden insgesamt 91 Stimmkreise gebildet und auf die 7 Bezirke aufgeteilt. Es entsteht ein zweifach gegliedertes Wahlge­biet. Diese doppelte Einteilung der Geltungsbereiche für beide Stimmen muss vor der Wahl verbind­lich festgelegt worden sein. Anders wäre die amtliche Erstellung der 91 verschiedenen Stimmzettel für 91 Stimmkreise und 7 Stimmzettel für die 7 Regierungsbezirke nicht machbar, die Wahl also undurch­führbar. Für die hinzukommenden Überhang- und Ausgleichsmandate gibt es schon deshalb keine Stimmzettel, weil über beides gar nicht abgestimmt wurde. Eine dritte Stimme für den Eventualfall gibt es nicht.

Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 6 BayVerf kann die Soll-Zahl von 180 Mitgliedern des Landtags durch die nachträgliche Zuteilung von Überhang- und Ausgleichsmandaten überschritten werden, so dass es mehr Mitglieder des Landtags gibt als mit Stimmzetteln gewählt werden konnten. Das ergibt keinen Sinn. Konkret fielen am 8.10.2023 insgesamt 11 Überhänge und 12 Ausgleichsmandate an. Mit dem Verfassungsreformgesetz vom 20.2.1998 (GVBl. S. 39) wurde ihre Zulässigkeit zwar fingiert, ihre Zuteilung aber nicht verbindlich angeordnet. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat bestätigt, dass von der Fiktion des Art. 14 Abs. 1 letzter Satz BayVerf abgewichen werden kann. Der „Missbrauch“, den schon das BVerfG (7, 66 / 1957) festgestellt hat, ist also zulässig. (Vgl. BayVGH Vf. 74-III-18, Rdnr. 40) Erschwerend kommt hinzu: Feste Sitzkontingente und dem Wahlergebnis nachträglich hin­zugefügte Überhang- bzw. Ausgleichsmandate schließen sich ebenfalls gegenseitig aus.

Die Gesetzgebungskonkurrenz zwischen Art. 21 BayLWahlG (feste Sitzkontingente) und Art. 44 Abs. 2 BayLWahlG (Erhöhung der Mandate) lässt sich jedoch heilen. Denn Überhang- und Ausgleichsman­date sind kein zwingendes Recht. Deshalb hat der Beteiligte zu 4) dieses Verfahrens, am 5. August 2023, (Az Vf. 1106, 18) mit einer Petition den Landtag aufgefordert, davon Gebrauch zu machen, bei der Auszählung der Wahlergebnisse die nachträgliche Vergabe von Überhang- und Ausgleichsmanda­ten zu unterlassen und Art. 44 Abs. 2 BayWahlG unbeachtet zu lassen. Dadurch wäre die bestehende Gesetzgebungskonkurrenz aufgelöst und der Proporz der Regierungsbezirke unangetastet geblieben.

(Vgl. Anlage 3:

Petition, Az Vf. 1106, 18 im Wortlaut)

Dem ist der Landtag aber nicht gefolgt. Die Petition hatte keinen Erfolg. Der Landtag hat die nachträg­liche Vergabe von Überhang- und Ausgleichsmandaten nicht unterbunden und so auch den unverrück­baren Proporz der Regierungsbezirke außer Kraft gesetzt. In dieser Situation bleibt kein anderer Aus­weg, als wenigstens die fehlende Abstimmung für Überhang- und Ausgleichsmandate, wie beantragt, irgendwie nachzuholen.

Zu Ziff. 4. des Antrags: „Für 12 Ausgleichsmandate ist die Urwahl durch das Volk schon in der laufenden Wahlperiode nachzuholen.“

a)  Das Volk tut seinen Willen durch Wahlen kund. Die Abgeordneten werden gewählt. „Mehrheit ent­scheidet.“ (Vgl. Art. 2 Abs. 2 BayVerf) Wer nicht gewählt wurde, kann kein Abgeordneter sein. Es muss also ausnahmslos über alle Mandate abgestimmt werden, auch über die Überhang- und Aus­gleichsmandate. Das war aber bei der Wahl am 8.10.2023 wiederum nicht der Fall. Diese wurden of­fensichtlich nicht unmittelbar gewählt, sondern nachträglich oktroyiert. Für die hoheitlich zugeteilten 11 Überhang- und die 12 Ausgleichsmandate fehlten die Stimmzettel schon deshalb, weil über die nachträgliche Korrektur der Wahlergebnisse gar nicht abgestimmt wurde.

Über diese zum Wahlergebnis hinzuaddierten „Zusatzsitze“ wurde auch am 8.10. 2023 nicht in unmit­telbarer, nicht in freier, auch nicht gleicher Wahl abgestimmt, über sie wurde überhaupt nicht abge­stimmt, weil die Wahlurnen ja schon geschlossen waren. Das verstößt gegen die Volkssouveränität (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 BayVerf; Art. 4 BayVerf; Art.5 Abs. 1 BayVerf ; und Art.7 Abs 2 BayVerf.) Es fehlt die basisdemokratische Legitimation durch eine außerparlamentarische Urwahl, zu der nur das souveräne Wahlvolk Zutritt hat. Dies kann und muss nach Maßgabe des Art. 54 BayLWahlG unver­züglich nachgeholt werden. Da es sich nur um 12 Mandate handelt, ist der Bestandsschutz der ver­bleibenden Mitglieder des Landtags nicht in Gefahr. Gewiss, alles sehr mühsam und aufwendig, aber der Landtag bleibt handlungsfähig.

Da die Urwahl für die 12 streitigen Ausgleichsmandate fehlt, ist diese – wie beantragt – unverzüglich nachzuholen. Die 91 verfügbaren Wahlkreise sind schon durch 91 Wahlkreis-Sieger besetzt. Deshalb muss über die fälschlich zum Wahlergebnis hinzuaddierten 11 „Überhänge“ – für die es ja gar keine Wahlkreise gibt – nicht abgestimmt werden. „Überhänge“ kommen zum Wahlergebnis nicht hinzu, denn sie sind in den Direktmandaten bereits enthalten. Die CSU erreicht in 91 Wahlkreisen 85 Direkt­mandate. Die von ihr erzielten 74 Listenplätze wurden also durch 11 wohlerworbene Direktmandate überboten. Für eine Nachwahl kommen also nur die 12 nachgeschobenen Ausgleichsmandate in Be­tracht. Hier muss der Souverän entscheiden, wer, von welcher Partei, in welchem Regierungsbezirk davon profitieren soll. Das sind die Spielregeln der Demokratie.

b) Das eigentliche Verfassungsproblem liegt aber viel tiefer. Die sog. „Überhangmandate“ heißen zwar so. In Wahrheit sind sie aber gar keine konkreten Mandate, sondern Unterschiedszahlen. Diese entste­hen aus der Subtraktion der Listenplätze von den Direktmandaten einer Partei, und zwar innerhalb der betroffenen Regierungsbezirke. Und das ist nur bei der CSU möglich.  Sie allein hat über ihre 74 Li­stenplätze hinaus sogar 85 Direktmandate errungen. Nur die CSU hat also mehr Direktmandate als Listenplätze aufzuweisen. Deshalb entsteht überhaupt nur bei der CSU eine positive, bei allen anderen Parteien dagegen eine negative Differenz. Doch Differenz ist Differenz. Und wenn die positive Diffe­renz unzulässig wäre, gilt das natürlich auch für die negative Differenz. Dann darf bei keiner Partei eine Mandatsdifferenz entstehen. Dann muss bei allen Parteien in allen Regierungsbezirken die Zahl der Direktmandate und die Zahl der Listenplätze gleich groß sein.

Auch aus einer positiven Differenz entstehen vor allem aber auch keine zusätzlichen Mandate. Aus den 91 Wahlkreisen können nicht mehr als 91 Direktmandate hervorgehen. Für weitere Zusatzmandate fehlen die Stimmkreise. „Überhangmandate“ im Sinne von Direktmandaten sind also Pseudo-Manda­te. Diese lassen sich grundsätzlich nicht zum Wahlergebnis hinzählen und schon gar nicht durch weite­re Zusatzsitze ausgleichen. Daher stellt sich „de lege ferenda“ die Grundsatzfrage, wie mit den aus der Doppelwahl entstandenen Mandats-Differenzen künftig zu verfahren ist.

Ob auf die Vergabe von Überhang- und Ausgleichsmandaten ganz zu verzichten ist, wie das der Deut­sche Bundestag mit der Reform des BWahlG (BGBl I Nr. 147) bei den Ausgleichsmandaten schon ge­tan hat, muss hier offenbleiben. Zwar kann nach Art. 28 GG auf Dauer im Land nicht zulässig sein, was im Bund aus Sicht des Demokratiegebotes unzulässig ist. In Ansehung der Letztentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (2 BvR 2016/ 19 -) die am 27. Mai 2020 zum Verfahren vor dem Bayeri­schen Verfassungsgerichtshofs (Vf 74-III-18) ergangen ist, wird zu der elementaren Grundsatzfrage von den Beteiligten des Verfahrens aber kein erneuter Antrag mehr gestellt.

Denn: „im Verfahren über die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Bayerischen Verfas­sungsgerichtshofs vom 28. Oktober 2019 – Vf 74-III-18 hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Hermanns, den Richter Müller und die Richterin Langenfeld gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) einstimmig beschlossen: Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Entscheidung ist unanfechtbar.“ – Roma locuta causa finita.

Zu Ziff. 5 des Antrags: „Die Bemessungsgrundlage der Sperrklausel ist auf die 7 Regierungs­bezirke zu beziehen.“

Die Sperrklausel soll sog. „Splitterparteien“ aus der parlamentarischen Willensbildung nach der Wahl ausschließen. Durch diesen rabiaten Eingriff in das Wahlergebnis soll erreicht werden, dass Wahlvor­schläge von Kleinstparteien – die vernachlässigt werden können, weil sie angeblich nicht ins Gewicht fallen – in einem geringen Umfang nicht zum Tragen kommen. Dies war schon immer eine in hohem Maße strittige Rechtsfigur. (Zur kontroversen Bewertung vgl. auch Schreiber/Strelen, BWahlG 2017, § 6, Rdnr. 36, insbes. Anm. 79 für den Bundestag.) Dem Verfahren der unmittelbaren Personenwahl nach dem Vorbild des “Westminster-Modells“ ist jede Sperrklausel ohnehin fremd. Auch bei der Euro­pawahl kommt sie nicht zur Anwendung. Die Sperrklausel ist außerdem durch Art. 28 GG mit Wir­kung für die Bundesländer grundrechtlich nicht geschützt.

Anders als im Grundgesetz hat die Sperrklausel nach Art. 14 Abs. 4 BayVerf in Bayern jedoch Verfas­sungsrang. „Wahlvorschläge, auf die im Land nicht mindestens fünf vom Hundert der insgesamt abge­gebenen gültigen Stimmen entfallen, erhalten keinen Sitz im Landtag.“ Der Wortlaut wird in Art. 42 Abs. 4 BayLWahlG (sogar mit Hinweis auf die Verfassung) unverändert wiederholt. An dieser Vor­schrift ist die FDP gescheitet. Sie erreichte bei der Wahl am 8.10.2023 nur 3,0 Prozent aus der Gesamt­zahl aller bayerischen Zweitstimmen und verfehlte damit den Einzug in den Landtag. Aber wie alle Parteien wurde auch die FDP nicht bayernweit, sondern in 7 voneinander getrennten Regierungsbezir­ken gewählt. Die Zweitstimmen gelten für die einzelnen Regierungsbezirke, nicht für das ganze Land. Bayernweit gültige „Stimmen“ gibt es nicht. Der Vorschrift fehlt die unerlässliche Normenklarheit. Zweitstimmen haben keine bayernweite Geltung. Um von den bayerischen „Gesamtstimmen“ nicht zu reden, bei denen die Erst- und die Zweitstimmen system- und sinnwidrig zusammengezählt werden.

Die Geltungsbereiche der Zweitstimmen sind allein und ausschließlich die 7 Regierungsbezirke. Die Wähler können außerhalb ihrer eigenen Bezirke keine gültigen Zweitstimmen abgeben, die Folgen der Sperre also gar nicht bayernweit überwinden. Oberbayern können nicht in Niederbayern und Unter­franken nicht in Mittelfranken abstimmen oder gewählt werden. Alle Wähler der 7 Regierungsbezirke wählen ihre Abgeordneten unabhängig voneinander und alleine. Bei einer landesweiten Sperrklausel wird den Wählern eine überhöhte Zustimmung abverlangt, die sie außerhalb der Grenzen ihres Bezirks gar nicht erbringen können, weil ihre Zweitstimme dort keine Geltung hat.

Die bayerische Sperrklausel, wie sie nach Art. 14 Abs. 4 BayVerf zur Anwendung kommt, fußt auf einer landesweiten und daher willkürlich überhöhten Bemessungsgrundlage. Das verstößt gegen das Willkürverbot des Art. 3 BayVerf, das einer landesweiten Sperre entgegensteht, von der Art. 14 Abs. 4 aber ausgeht. Der Sperrklausel werden die „im Land“ gültig abzugebenden „Stimmen“ zugrunde ge­legt. Landesweit gültig abzugebende Stimmen gibt es aber nicht. Eine die Regionen überschreitende „Gesamtstimme“ findet man auf den Stimmzetteln nicht. Die Wähler tun ihren Willen in getrennten Regionen kund: Das machen die Wähler aus Oberbayern in Oberbayern, die Wähler aus Niederbayern in Niederbayern, die aus Unterfranken in Unterfranken usw.

Die Abgeordneten aus den Listen werden in den 7 Regierungsbezirken gewählt. Die Sperrklausel ist deshalb, wie beantragt, nicht auf ganz Bayern, sondern auf den jeweiligen Geltungsbereich der 7 Re­gierungsbezirke zu beziehen, in die das Wahlgebiet nach Art. 21Abs. 1 BayLWahlG unterteilt ist. Es muss also bezirksweise überprüft werden, welche Kleinparteien in Oberbayern, in Niederbayern, in Unterfranken oder in Mittelfranken etc. im Geltungsbereich der Zweitstimmen unter der regionalen Fünf-Prozent-Hürde bleiben. Der Landeswahlleiter hat das aber nicht getan.

Zu Ziff. 6 des Antrags: „Die getrennten Erst- und Zweitstimmen dürfen nicht zusammenge­zählt werden.“

Das Volk tut seinen Willen getrennt nach Erst- und Zweitstimmen „in Wahlkreisen und Stimmkreisen“ kund. So will es Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 der Verfassung für den bayerischen Freistaat. Bei der Auszählung der Ergebnisse in den Regierungsbezirken gilt jedoch eine bayerische Besonderheit. Nach Art. 45 Abs. 1 BayLWahlG wurden, wie bisher gewohnt, zu den erlangten Zweitstimmen in den Regie­rungsbezirken, auch am 8.10.2023, die in den Stimmkreisen erworbenen Erststimmen hinzugezählt. Damit wurde die getrennte Abgabe der beiden grundverschiedenen Stimmen wieder aufgehoben. Doch die Wähler konnten keine einzige „Gesamtstimme“ abgeben. Denn gültig abzugebende „Gesamtstim­men“, in denen Erst- und Zweitstimmen vereint wären, gibt es auf den amtlichen Stimmzetteln nicht. Getrennte Stimmen müssen zwangsläufig regionenweise ausgezählt und verkündet werden.

Wie bei Äpfeln und Birnen bleibt auch bei der Summe von Erst- und Zweitstimmen der Wesensunter­schied beider Summanden bestehen. Zwei Stimmen sind zwei Wahlen, in denen zwei grundverschie­dene Wahlentscheidungen für zwei unterschiedliche Geltungsbereiche getroffen werden. Die Zusam­menfassung zu „Gesamtstimmen“, lässt sich mit der Mülltrennung vergleichen: Dabei wird der ge­trennte Müll bei der Müllabfuhr für die Zwecke der Müllverbrennung wieder zu „Gesamtmüll“ zusam­mengeworfen. Das ergibt keinen Sinn.

Bei der Auszählung der Wahl wurden die getrennt abzugebenden Erst- und Zweitstimmen in sinn- und sachwidriger Weise vermischt, vermengt und willkürlich zusammengezählt. Dadurch wird die Sorten­reinheit der Stimmen ausgerechnet in einem Land verletzt, das für das Reinheitsgebot bei der Herstel­lung von Bier weltberühmt wurde. Erschwerend kommt hinzu: Durch die einfachrechtliche Vorschrift des Art. 45 Abs. 1 BayLWahlG werden erfolglose, aber gültig abgegebene Erststimmen, in erfolgrei­che, aber zweckentfremdete Zweitstimmen umgewandelt. „Gesamtstimmen“ haben in Bayern keinen Verfassungsrang. Auf dem Stimmzettel sucht man sie vergebens. Gültig abzugebende „Gesamtstim­men“ gibt es nicht. Die Zusammenfassung von Erst- und Zweitstimmen ist daher zu unterlassen.

„Bayern ist ein Rechtsstaat (…).“ (VglArt. 3 BayVerf). Das schließt das Willkürverbot ein. Es wird daher beantragt, das sach- und sinnwidrige Zusammenführen von Erst- und Zweitstimmen fallen zu lassen, das Wahlergebnis auch mit Wirkung für die regionale Sperrklausel neu auszuzählen und den leidigen Art. 45 Abs. 1 BayLWahlG mit Wirkung für die nächste Legislaturperiode ersatzlos zu strei­chen.

Dann wird sich auch zeigen, ob die FDP in einer der 7 Regionen die regionale Sperre überwindet, mit mehr als 5 Prozent der gültigen Zweitstimmen in einer der Regionen doch in den Landtag einzuziehen.

Teil E:

Zusammenfassung

Die Landtagswahl v. 8.10.2023 erfolgte unter Art. 14 der Verfassung Bayerns und seiner einfachrecht­lichen Ausgestaltung im Bayerischen Landeswahlgesetz (GVB S. 277, 278, 620 Bay RS 111-1-I). Ein­zelne Verfassungsnormen des Art. 14 kollidieren mit Art. 2 (Demokratiegebot) oder mit Art. 3 (Will­kürverbot) der Bayerischen Verfassung. Das Bayerische Landeswahlgesetz ist in sich ein überfrachte­tes Konstrukt, das in wesentlichen Teilen mit der Verfassung Bayerns unvereinbar bleibt. Vor allem fehlt dem verwirrenden Normengeflecht der Respekt vor der Unmittelbarkeit der Personenwahl.

Das führte zu dem unhaltbaren Ergebnis: Die Soll-Zahl der 180 Abgeordneten wurde von den 203 Mit­gliedern des Landtags um 23 Mandate übertroffen. Von den 203 Abgeordneten sind nur 91 unmittelbar, d.h. direkt gewählt worden. Nach Angabe des Wahlleiters sind 112 Abgeordnete über Landeslisten, also auf einem ganz anderen Weg, in den Landtag einzogen. Unter ihnen befinden sich 23 aus der Luft gegriffene Zusatzsitze, für die in den Wahlurnen überhaupt keine abgegebenen Stimmzettel anzutref­fen waren: nämlich 11 sog „Überhangmandate“, aber 12 Ausgleichsmandate. Es entstand also ein Aus­gleichsmandat, dem kein Überhang gegenüberstand. Weiter wurde auch der Regionalproporz der Regierungsbezirke verletzt. Bei der Sperrklausel kam eine willkürlich überhöhte Bemessungsgrund­lage zur Anwendung. Und zu allem Überfluss haben die Wähler auf zwei verschiedenen Stimmzetteln zwei getrennte Stimmen vergeben. Diese beiden Stimmen wurden ohne ihr Zutun zu „Gesamtstim-

men“ zusammengeworfen, ohne Rücksicht darauf, ob es sich um Sieger- oder Verliererstimmen han­delt.

Das alles wird von den Unterzeichnern mit der voranstehenden Begründung gerügt und angefochten. Die Unterzeichner bitten daher um antragsgemäße Entscheidung.

München, den 23 Oktober 2023

Unterschriften der Erstunterzeichner

Dr. Wolfgang Goldmann, Dr. Robert Mertel, Joachim Kampka, Dr. Manfred C. Hettlage, Dr. Ursula Offergeld-Hettlage, Gero von Braunmühl, Dr. Anton Fischer. Und andere.

Anlage 1

Systemwidrige „Splittingwähler“ bei der bayerischen Landtagswahl 8.10.2023, ohne die an der Fünf-Prozent-Hürde gescheiterten Kleinparteien.

Die „personalisiert“ Verhältniswahl und das sog. Stimmensplitting schließen sich gegenseitig aus. Dennoch gehört die gespaltene Abstimmung zum gewohnten Erscheinungsbild aller Bun­destags- und zahlreicher Landtagswahlen. So auch in Bayern am 8.10.2023.

Erststimmen-Überhang bei der Landtagswahl 2023

 CSUAfDSPDSumme
Erststimmen2.572.9101.008.195   587.9644.169.069
Zweitstimmen2.531.761   992.240   552.7894.076.789
Gesamtstimmen    5.104.6712.000.4351.140.7537.295.753
Splittingwähler     41.149     15.955    35.175     92.279

Quelle: Landeswahlleiter, amtliches Endergebnis v. 24.10.2023.

Bei der bayerischen Landtagswahl v. 8.10.2023 gaben 41.149 Wähler der CSU die Erst­stimme, verweigerten ihr aber die Zweitstimme. Bei der AfD gaben 15.955 Erststimmen-Wähler Partei dem AfD-Wahlkreis-Bewerber nicht die Zweitstimme. Für der SPD votierten 35.175 Wähler allein mit der Erststimme für dem Kandidaten der SPD, verweigert seiner Partei aber die Zweitstimme. Insgesamt gab es 92.279 Splittingwähler, die zwar den im Wahlkreis Kandidaten, nicht aber die Liste seiner Partei gewählt haben.

Zweitstimmen-Überhang bei der Landtagswahl 2023

   GrüneFreie Wähler  Summe
Zweitstimmen   989.0941.085.8122.074.906
Erststimmen   983.6311.078.0372.061.668
Gesamtstimmen1.972.7252.163.8494.137.474
Splittingwähler      5.463       7.775     13.238

Quelle: Landeswahlleiter, amtliches Endergebnis v. 24.10.2023.

Bei den Grünen Wählern haben 5.463 und bei den Freien Wählern 7.775 Wähler ihrer Partei die Zweitstimme gegeben, nicht aber die Erststimme. Die Wähler haben die Partei also mit der Zweitstimme gewählt, den Einzelbewerbern aber nicht auch die Erststimme zukommen lassen. Insgesamt gab es 13.238 Splittingwähler mit Zweitstimmen-Überhang.

Dieser systemwidrige Erststimmen- und Zweitstimmen-Überhang von zusammen 105.517 Splittingwählern genügte für 11 fälschlich sog. „Überhänge“, alle bei der CSU. Diese kommen aber nicht zu den 85 Direktmandaten hinzu, die sie aus insgesamt 91 Wahlkreisen erringen konnte, sie sind vielmehr darin schon enthalten. Schon deshalb gibt es für einen Ausgleich keine Rechtsgrundlage, der zu allem Überfluss mit 12 Sitzen größer ist als der Überhang. Und das ist eine Zumutung für alle, die sich mit der Mengenlehre auskennen.

Anlage  2

Direkt und nicht direkt gewählte Mitglieder des bayerischen Landtags nach der Wahl v. 8.10.2023

Zwei getrennte Stimmen sind zwei getrennte Wahlen. Das Endergebnis der Wahl von 203 Man­daten (letzte Spalte, 3. Zeile von unten) kommt dadurch zustande, dass die CSU – jedenfalls im Ergebnis – mit den Erststimmen, die übrigen Parteien aber mit den Zweitstimmen gewählt wurden und dass außerdem das Wahlergebnis nachträglich „ausgeglichen“ wurde. Würde man beide Stimmen nach dem sog. „Grabensystem“ getrennt auszählen, würden von den insgesamt 180 Mitgliedern des Landtags 91 auf die Direktmandate in Stimmkreisen entfallen und 89 Sitze für die Listenwahl in den Regierungsbezirken verbleiben. Eine streng getrennte Doppelwahl nach dem sog. „Grabensystem“ würde die Parteienlandschaft allerdings vollkommen verän­dern.

„Mehrheitswahl“: Einzelwahl in 91 Wahlkreisen lt. § 38 BayLWahlG

      
Landtags- parteienStimmkreis- SiegerDarunter sog. „Überhänge“Verteilte ListenplätzeDarunter AusgleichEnder- gebnis
      
CSU85(11)(74)085

„Verhältniswahl“: Gruppenwahl mit Namenslisten in 7 Regierungsbezirken

lt. § 38 BayLWahlG

      
Freie(2)037(7)37
Grüne(4)032(3)32
AfD0032(2)32
SPD0017017
      
Summe:(6)0118(12)118

Nach Umwandlung der Direktmandate in Listenplätze, plus Überhang u. Mandatsausgleich

lt. § 42 Abs. 2 BayLWahlG (Divisorverfahren)

      
Summe Ist(91)11192 (12)203
Soll910890180
      
Überzahl:011(103)1223

Quelle: Landeswahlleiter, amtliches Wahlergebnis v. 24.10.2023. Die eingeklammerten Zahlen kommen – zeilen­weise zusammengenommen – im Endergebnis nicht zum Zuge. In Spalte 4 (Listenplätze) sind 103 überzählige Sitze angefallen; darunter 12 überzählige Ausgleichsmandate.

Die sog. „Überhänge“ (in Spalte 2) heißen zwar so, sind aber gar keine Zusatzsitze, die zu den 91 Direktmandaten noch hinzukommen. Die Überhangmandate sind vielmehr in den 85 Direkt­mandaten der CSU schon enthalten (Spalte 1). Die 11 Wahlkreissieger der CSU, die ein sog. „Überhangmandat“ bekleiden, dürfen also nicht zweimal in das Wahlergebnis einfließen: ein­mal als gewöhnliches Direktmandat und noch einmal als sog. „Überhangmandat“. Der Wahl­sieg ist kein Unrechtstatbestand. Überhangmandate sind keine „verbotenen“ Mandate. Deshalb fehlt der Rechtsgrund für den Ausgleich, der mit 12 Zusatzsitzen den Überhang sogar noch übersteigt, so dass zu allem Überfluss einem Ausgleichsmandat entsteht, dem gar kein Über­hang gegenübersteht.

„Ausgleichssitze sind Zusatzsitze“, so treffend der Standardkommentar Schreiber/Strelen, (BWahlG 2017, § 6, Rdnr. 29). Ihnen fehlt daher die außerparlamentarische Legitimation durch eine basisdemokratische Urwahl des souveränen Wahlvolkes. Ausgleichsmandate werden zu einem Problemfall der Wahlstatistik, weil in den Wahlurnen keine Stimmzettel für nachge­schobene Ausgleichsmandate anzutreffen sind.

Die Konsequenz liegt auf der Hand. De lege ferenda muss die Zahl der 91 Wahlkreise auf die Soll-Zahl der 180 Mitglieder des Landtags angehoben werden. Erst dann wird es möglich, dem Verfassungsbefehl der gleichen Wahl nachzukommen und alle Abgeordneten mit beiden Stim­men zu wählen.

Anlage 3:

Petition im Wortlaut (Az Vf. 1106, 18)

An den Bayerischen Landtag, Maximilianeum, Max-Planck-Straße 1, 81675 München

Petition nach Art. 115 der Bayerischen Landesverfassung

Antragsteller:

Hiermit beantrag ich, Dr. Manfred C. Hettlage (Nibelungenstr. 22, 80639 München), beim Petitionsausschuss des Bayerischen Landtags:

Antrag:

Der Petitionsausschuss möge dem Plenum des Landtags zur Beschlussfassung über die bevor­stehende Landtagswahl zeitnah vorschlagen:

„Bei der Auszählung der Wahlergebnisse für die Landtagswahl am 8.10.2023 werden zum Wahlergebnis aus den ausgezählten Stimmen keine Überhang- und Ausgleichs­mandate mehr hinzugefügt.“

Begründung:

Bei der Landtagwahl v. 14.10.2018 sind zu den 180 gewöhnlichen Mandaten, die sich aus den ausgezählten Stimmen ergaben, 10 Überhangmandate und 15 Ausgleichsmandate hinzugezählt worden. Diese nach der Wahl erfolgte Aufstockung um 25 Mitglieder des Parlaments (ca. 14 %) wird inzwischen nicht mehr akzeptiert. Der Deutsche Bundestag hat am 17.3.2023 eine Re­form des Wahlrechts (BGBl. I, Nr. 147) beschlossen, mit dem die Einführung der Ausgleichs­manda-te wieder rückgängig gemacht wurde, obwohl sie erst 2013 auch für den Bund übernom­men worden war. Damit hat der Bundestag den Ausgleichsmandate nach nur drei Legislatur­perio-den eine parlamentarische Absage erteilt und gleichsam eine wahre „Zeitenwende“ im Wahl-recht herbeigeführt.

Auf dem Hintergrund dieser hoheitlichen Missbilligung durch die Volksvertreter müssen die beiden Artikel 13 und 14 der Verfassung des Freistaates Bayern (BV) neu beurteilt werden. Dort heißt es: „Der Landtag besteht aus 180 Mitgliedern des Bayerischen Volkes“ (Vgl. Art. 13 Abs. 1 BV). Dem wurde erst durch das Verfassungsreformgesetz – von Landtag und Staatsre-gierung vom 20.2.1998 (GVBl. S. 39) neu hinzugefügt: „Die Abgeordneten werden (…) nach einem verbesserten Verhältniswahlrecht (…) gewählt.“ Und weiter: „Durch Überhang- und Aus­gleichsmandate, die in Anwendung dieser Grundsätze zugeteilt werden, kann die Zahl der Mit­glieder des Landtages nach Art. 13 Abs. 1 überschritten werden.“ (Vgl. Art. 14 Abs. 1 BV)

Haben die Überhang- und Ausgleichsmandate also im Freistaat Bayern Verfassungsrang? Ge­wiss, die Zahl der 180 gewählten Mitglieder des Landtags „kann“ überschritten werden – muss aber nicht! Überhang und Ausgleich sind also kein zwingendes, sondern nachgiebiges Verfas­sungsrecht. Nachgeschobenen Zusatzsitze werden also von der bayerischen Verfassung in bei­den Formen gebilligt, aber keineswegs zwingend angeordnet. Das stellt auch der bayerische Verfassungsgerichtshof ausdrücklich fest. (Vgl. BayVGH, Vf. 74-III-18, Rdnr. 40) Es handelt sich bei der nachgeschobenen Aufstockung der Mandate durch Überhang und Ausgleich also um unverbindliches Verfassungsrecht, … eine bloße Empfehlung also, an die niemand gebund­en ist? Unverbindliches Verfassungsrecht? Klingt irgendwie merkwürdig, doch offenbar ist diese Unverbindlichkeit gewollt.

Der Landtag kann also mit Billigung der Verfassung aus den Überhang- und Ausgleichsman­daten auch wieder „aussteigen“, wenn er das will. Er kann das also tun, muss es aber auch tun. Denn im bayerischen Landtag gibt es 180 Mitglieder, aber nur 91 Stimmkreise. Daraus können nicht mehr als 91 Stimmkreis-Sieger hervorgehen. Überhangmandate, außerhalb der 91 Stimm­kreise, sind „imaginäre Direktmandate“, für die es keine Wahlgebiete gibt und deshalb auch keine Wähler geben kann. Überhangmandate heißen zwar so, sind aber in Wahrheit überhaupt keine Mandate, sondern nachgeschobene Pseudo-Mandate, die nicht durch ausgezählte Erst­stimmen gedeckt sein können. Zu den 91 Stimmkreis-Siegern dürfen die Wahlleiter keine Pseudo-Mandate hinzuzählen, für die es gar keine Wahlgebiete gibt. Tun sie es doch, verstößt das gegen das konkurrierende Prinzip der Volksherrschaft, des Art. 2, Abs. 2 der Bayerischen Verfassung v. 8.12.1946. Dort heißt es: „Das Volk tut seien Willen durch Wahlen (…) kund. Mehrheit entscheidet.“

Das Grundprinzip der Volksherrschaft hat Vorrang. Es ist unveränderlich und hat Ewigkeits­charakter: Die Abgeordneten werden gewählt. Wer nicht gewählt wurde, kann kein Abgeord­neter sein. Niemand ist befugt, das Wahlergebnis über den Kopf der Wähler hinweg durch nachgeschobene Zusatzsitze auszugleichen. Wer das Wahlergebnis ausgleicht, der verfälscht es auch.

Fazit:

Am 8.10.2023 findet Art. 14 Abs. 1 Satz 6 BV bei der Auszählung der Wahlergeb-nisse keine Anwendung mehr.

München, 5. August 2023. Gez. M. Hettlage

Die Petition trägt das Aktenzeichen Az. Vf. 1106, 18 und wurde dem Bayerischen Landtag am 5.8.2923 vorab elektronisch übermittelt. Sie blieb aber erfolglos.

ByWahlAnfe.docx

Dieser Beitrag wurde unter Wahlrecht veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.