Wahleinspruch und Wahlprüfungsbeschwerde

 Muss die Bundestagswahl wiederholt werden? Fünf Gründe

Im Dezember 2014 sind beim Verfassungsgericht in Karlsruhe unter den Aktenzeichen 2 BvC 64 /14 und 2 BvC  67/14  zwei Wahlprüfungs-Beschwerden eingegangen, die sich inhaltlich sehr ähnlich sind. Die entsprechenden Wahleinsprüche nach Art. 41 Grundgesetz hatte der Deutsche Bundestag am 9. Oktober 2014 zurückgewiesen. (Vgl. Bundestags-Drucksache 18/2700,  Anlage 6 und Anlage 8.) Die Beschwerdefürter wollen erreichen, dass die Beschlüsse des Bundestags annulliert werden und Wahlwiederholung unter einem geänderten Wahlrecht angeordnet wird. Sie führen dazu fünf Gründe an.

1. Personalisierte Verhältniswahl

Die Wahl der Abgeordneten kann nicht so ablaufen, dass die Wähler ihre Stimmen abgeben, die Zahl der zu Wählenden aber offen bleibt, so dass außerhalb der Wahl weitere Abgeordnete nachgeschoben werden können. Im Bundestag gibt es 598 Sitze. Es sind aber nur 299 Wahlkreise vorhanden. Mindestens 299 Abgeordnete werdend daher nicht im Sinne der personalisierten Verhältniswahl über die Wahlkreise und die Listen, sondern nur über die Listen der Parteien gewählt, Grundsätzlich müssen jedoch alle 598 Abgeordneten namentlich als Person gewählt werden und nicht nur 299 von ihnen. Eine reine Parteienwahl ist unzulässig.

 2. Negatives Stimmengewicht

Das Verfassungsgericht hat das negative Stimmengewicht, zweimal untersagt. Weniger Stimmen dürfen nicht zu mehr Mandaten führen. Bei der Bundestagswahl v. 22.9.2013 entstanden 4 so genannte „Überhangmandate“ in vier Bundesländern, alle bei der CDU. Sie wurden aber nicht durch 4, sondern durch 29 Ausgleichsmandate kompensiert. Der Ausgleich übersteigt den Überhang also um mehr als das Siebenfache. Davon entfielen 13 auf die CDU, 10 auf die SPD, 4 auf die Linken und 2 auf die Grünen. Als alleiniger Verursacher der „Überhänge“ ist die CDU zugleich auch der größte Ausgleichsprofiteur. Die Bundestagswahl führte für die CDU zu einem Bonus in Höhe von 13 aus 29 Ausgleichsmandaten. Je weniger (Zweit-)Stimmen umso mehr (Überhang)Mandate und noch mehr (Ausgleichs-)Mandate.

 3. Stimmensplitting

Das Bundeswahlgesetz ordnet in seiner allerersten Vorschrift „eine mit der Personenwahl verbundene Verhältniswahl“ an. Beide Stimmen sind also im Verbund abzugeben. Gleichwohl fiel die unverbundene Abgabe beider Stimmen, das Stimmensplitting, auch 2013 – contra legem – wiederum ins Gewicht. Erststimmen die nicht auf eine Landesliste anrechenbar waren, wurden bei der Auszählung der Stimmen nicht für ungültig erklärt.

 4. Ausgleichsmandate

Für die im Bund 2013 neu eingeführten Ausgleichsmandate fehlte die gesonderte Abstimmung. Es gab für den Mandatsausgleich weder Kandidaten und noch Stimmzettel. Ohne Kandidat kein Mandat. Die auch im Bund neu eingeführte Figur des nicht gewählten Abgeordneten, der lediglich ein Aus­gleichs­­mandat bekleidet, das ihm nach der Wahl zugeteilt wurde, kann vor dem Grundgesetz keinen Bestand haben. Niemand ist befugt, das Wahlergebnis „auszugleichen“, ohne dass auch über den Ausgleich abgestimmt wurde.

 5. Normenklarheit und Verständlichkeit

Das duale Wahlsystem mit Erst- und Zweitstimmen wird nach den Erkenntnissen der empirischen Wahlforschung von den gewöhnlich anzutreffenden Wählern nicht hinreichend verstanden. Das zeigt auch eine infratest-dimap-Umfrage, die sechs Monate vor der Bundestagswahl 2013 abgehalten wurde. Was Überhang- und Ausgleichsmandate sind, wissen die Wenigsten. Wähler sind keine Hellseher. Sie können in der Wahlkabine gar nicht wissen, ob und wo es zu „Überhängen“ kommt. Ob sie darüber Bescheid wissen oder nicht, müssen sie immer „die Katze im Sack kaufen“.

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