Wahlrecht in Hamburg

Ein „Buch mit sieben Siegeln“

Bei den Wahlen für den Senat in Hamburg gibt es keine Stimmzettel, sondern Stimmbücher. Denn die Wähler haben 10 Stimmen. Mit fünf davon können sie bis zu fünf Wahlkreis-Bewerber auswählen. (Wahlkreis-Stimmen) Die verbleibenden fünf Stimmen können sie auf bis zu fünf Parteien aufteilen. (Landesstimmen) Die Bewerber in den 17 Wahlkreisen werden mit Wahlkreis-Stimmen und den Landesstimmen gewählt. Die Parteien werden dagegen nur mit den Landesstimmen, zu allem Überfluss auch noch über offene Listen gewählt.

Die Bürgerschaft besteht aus 121 Sitzen. Überhang- und Ausgleichsmandate können nicht hinzukommen. Das Wahlgebiet ist in 17 Wahlkreise eingeteilt. 71 Mitglieder des Senats werden direkt gewählt, 50 weitere über die offenen Landeslisten der Parteien. Hamburg folgt also dem dualen Wahlsystem der so genannten personalisierten Verhältniswahl. Über die Personen wird mit den (fünf) Wahlkreis-Stimmen, über die Parteien mit den (fünf) Lan­desstimmen entschieden. Die Wähler können folglich bis zu fünf Personen und bis zu 5 Parteien auswählen.

Die 5 Wahlkreis-Stimmen können ebenso wie die 5 Landesstimmen kumuliert, aber auch panaschiert werden. Daraus ergibt sich bereits eine gewaltige Zahl von 5 x 5 x 5 x 5 x 5 = 18.625 mögliche Kombinationen, unterstellt dass nur 5 Parteien mit geschlossenen Listen zur Wahl stehen.  Nimmt man hinzu, dass sich natürlich mehr als fünf Parteien zur Wahl anmelden und nicht mit geschlossen sondern mit offenen Listen antreten, steigt die Zahl der möglichen Kombinationen in schwindelerregende Höhen.

Die Bürgerschaftswahl trägt die Züge einer Kommunalwahl. Sie greift aber über die Mehrstimmen-Wahl in einem geschlossenenn Wahlgebiet  hinaus und teilt die in den Kommunen gebräuchliche Personenwahl in 17 Wahlkreise auf. Zusätzlich verbindet sie die so abgeänderte fünffache Personenwahl in 17 Wahlgebieten mit den Grundsätzen einer fünffachen Verhältniswahl mit offenen Listen, die allen Parteien im Gebiet des gesamten Stadtstaates gilt. Wenn die Wähler das Wahllokal verlassen, wissen viele von Ihnen nicht mehr, wo ihnen der Kopf steht. Sie können nicht klar und  eindeutig sagen, für wen sie eigentlich gestimmt haben. Denn sie haben schlicht und einfach den Überblick verloren.

Eine Wahl ist immer auch eine Auswahl. Wer alle wählt, hat niemand ausgewählt. Gesetzt den Fall es gibt fünf chancenreiche Parteien, die sich mit ihren Listen für die Bürgerschaft in Hamburg bewerben, dann kann man alle fünf wählen und hätte der Wahl genausogut fernbleiben können, um das gleiche Ergebnis zu erzielen. Deshalb muss man das Prinzip: je mehr Stimmen um so gerechter ist die Wahl, „mit dem Index der Fraglichikeit versehen“ (E. Husserl). Tatsächlich gaben  4 von 10 Bürgern in Hamburg in einer repräsentativen Umfrage dem völlig überfrachteten Wahlsystem des Stadtstaates die Note: „nicht so gut“.

 

 

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