Wahlrecht, Wahlkampf und Wahlsieg

Strategiepapier für den Parteivorsitzenden, Dr. Markus Söder, Mdl

Die bayerischen Landtagswahlen werden zur Schicksalswahl für den Freistaat Bayern und darüber hinaus. Die AfD ist auf dem Vormarsch, auch in Bayern. Landtagswahlen wirken sich auf den Bundesrat aus. Wie auf einer Schaukel beeinflussen sich die Abstimmungen auf Bundes- und Landesebene gegenseitig. Die im Grundgesetz garantierten Wahlrechtsgrundsätze gelten für den Bundestag und die Landtage gleichermaßen. Der Parteitag der CSU steht vor der Türe. Die Partei ist gut beraten, den Streit um das Wahlrecht, den die „Ampel“ vom Zaun ge­brochen hat, um die CSU aus dem Bundestag zu drängen, auf ihren Parteitag v. 23.9.2023 in den Wahlkampf einzubringen, bei dem die Wähler das entscheidende Wort haben. – Eine starke CSU in Bayern ist eine starke CSU in Berlin!

Leitsätze und Agenda

1. Ceterum censeo: Die CSU braucht beide Stimmen! Das wissen aber viele Wähler nicht.

2. Dem ausgezählten Wahlergebnis werden bei der bayerischen Landtagswahl v. 8.10.2023 nachträglich keine Überhang- und auch keine Ausgleichmandate mehr hinzugefügt.

3. In Einzelabstimmungen über die Person der Volksvertreter verliert die AfD und kann so halbiert werden, wenn die Wähler das wollen. Es ist aber noch besser, die FDP zu halbieren. denn dann gibt es keine Ampel mehr.

4. Die CSU verankert in ihrem Grundsatzprogramm das Prinzip der Einzelwahl wie folgt: Jeder Wähler darf auf dem Stimmzettel für seinen Heimat-Wahlkreis künftig nur einen Mann oder eine Frau als Favorit benennen, der in die Volksvertretung einziehen soll. Wer die meisten Stimmen hat, ist gewählt. Die einfache Mehrheit entscheidet. Diese Entscheidung darf nicht durch eine Stichwahl wieder in Frage gestellt werden.

5. Der Schriftsatz, mit dem die CSU vor dem Verfassungsgericht gegen das neue Bundeswahl­gesetz (BGBl I, Nr. 147) Front macht, wird im Internet veröffentlicht.

6. Wenn die CDU die CSU dazu auffordert, stellt sie zuerst für den Landtag in Thüringen und später auch zur Bundestagswahl, CSU-Einzelbewerber für die Erststimmen auf.

  • Keine halben Sachen: beide Stimmen für die CSU!

Mit der Erststimme kann man bei der Landtagswahl in Bayern theoretisch 91 Direktmandate gewinnen, mit der Zweitstimme können jedoch bis zu maximal 180 Sitze erreicht werden. Die Zweitstimme ist viel ergiebiger als die Erststimme. Sie ist also die wichtigere von beiden Stim­men. Deshalb muss man den Wählern klarmachen, am 8.10.2023 auf keinen Fall die Zweit­stimme an eine andere Partei zu vergeben.

In Bayern werden die Erst- und die Zweitstimme zusammengezählt. Die Anhänger, aber auch viele Mitglieder der CSU verkennen, welchen Schaden sie damit anrichten, wenn sie ihre Partei nicht mit beiden, sondern nur mit einer von beiden Stimmen wählen. Die CSU muss sich dem im Wahlkampf mit Nachdruck entgegenstellen und darf nicht müde werden, ihre Wähler bei allen Gelegenheiten um beide Stimmen zu bitten.

  • Wer das Wahlergebnis ausgleicht, der verfälscht es auch

Bei der Landtagswahl 2018 sind in Bayern 10 Überhangmandate bei der CSU entstanden, die durch 15 Ausgleichsmandate für die anderen Parteien kompensiert wurden. Der Ausgleich war größer als der Überhang – eine Zumutung für jeden, der sich mit der Mengenlehre auskennt! Überhang und Ausgleich können erst festgestellt werden, wenn die Wahllokale schon geschlos­sen sind und eine Zustimmung der Wähler gar nicht mehr möglich ist. Ohne ausdrückliche Zustimmung der Wähler kann man kein Abgeordneter werden. Wer das Wahlergebnis nachträg­lich ausgleicht, der verfälscht es auch. – Damit muss endlich Schluss gemacht werden!

Daher sind die Wahlleiter vom zuständigen Innenminister anzuweisen, dem Wahlergebnis, wie es sich am 8.10.2023 aus den auszählten Stimmzetteln ergibt, nachträglich keine weiteren Über­hangmandate mehr hinzuzufügen und diese auch nicht mehr durch zusätzliche Ausgleichsman­date zu kompensieren. Für beides kann es keine Stimmzettel geben, weil darüber gar nicht ab­gestimmt wurde.

Wenn die Mehrheit dafür vorhanden ist, kann man das noch vor dem 8.10.2023 auf einer Son­dersitzung sogar im Landtag mit gesetzgeberischer Autorität beschließen. Mehrheit entscheidet. Wer dagegen ist, muss sich auf dem Rechtsweg durchsetzen. Der Landtag hat keine Veranlas­sung, sich auf eine komplizierte Debatte über die konkurrierenden Anordnungen in Art. 2 und Art. 14 der Bayerischen Verfassung einzulassen. Das ist ein Thema für die Staatsrechtslehrer an den Hochschulen oder eben für die Gerichte.

  • Einzelabstimmungen verliert die AfD

Die AfD kann in der Sache nur zurückgedrängt werden, wenn der illegale Ausländerzuzug auf ein erträgliches Ausmaß zurückgeführt wird. CDU und CSU haben bisher kein Konzept, von dem sie die notwendigen Mehrheiten überzeugen können. – Leider! Ein erster Schritt wäre es, das Bürgergeld streng vom Flüchtlingsgeld zu trennen und damit Klarheit über die Kosten zu schaffen, die für die Steuer- und Beitragszahlern entstehen. Eine Flüchtlingspolitik, koste sie was sie wolle, ist nicht mehrheitsfähig. Das ist aber nur das eine. Auf der anderen Seite spielt das Wahlrecht auch hier eine entscheidende Rolle. Würde man nur mit einer Stimme wählen, wie in den USA, in Großbritannien, den meisten Ländern des Commonwealth oder auch Frankreich etc., würde sofort klar werden: die AfD ist in der Minderheit.

Das Grundgesetz verlangt in Art. 38 GG die unmittelbare Einzelabstimmung über alle Männer und Frauen, die für die Dauer der laufenden Legislaturperiode das deutsche Staatsvolk im Bun­destag vertreten sollen. Wer in seinem Heimat-Wahlkreis mit den meisten Stimmen die einfache Mehrheit erlangt hat, ist der Beste von allen und zieht als Wahlsieger in den Bundestag bzw. in die Landtage ein. Diese außerparlamentarische und basisdemokratische Wählerentscheidung ist unstreitig und darf nicht durch eine Stichwahl wieder in Frage gestellt werden. Bei einer Einzel­wahl in der gemeinsamen Heimat von Wählern und Wahlbewerbern kann die AfD in keinem bayerischen Wahlkreis mit den meisten Stimmen auch nur die einfache Mehrheit erlangen.

Die Einzelabstimmung über alle Wahlbewerber in ihren heimatlichen Wahlgebieten ist eine „sa­lomonische“ Lösung. Die CSU muss diese Lösung mutig vertreten und dauerhaft behaupten. Dabei hilft ihr das Grundgesetz. Denn die Unmittelbarkeit der Wahl ist ein strenger Verfas­sungsbefehl. „Eine Wahl erfolgt unmittelbar, (direkt) i.S. des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG, wenn (…) die Abgeordneten allein durch Stimmabgabe der Wähler bestimmt werden (…).“ [1] Das schließt den grundsätzlichen Richtungswechsel hin zur mittelbaren „Verhältniswahl“ aus, wie er von den drei Koalitionsfraktionen handstreichartig neu eingeführt wurde.[2]

Im Standard-Kommentar zum BWahlG beschreibt Karl-Ludwig Strelen die Wahlhandlung zu­treffend als „Personenauswahl-Entscheidung“[3] Der Kommentator, Johann Hahlen, wird noch deutlicher und spricht: „(…) von dem in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verbürgten Prinzip der Per­sonenwahl (…)“.[4]Das Bundesverfassungsgericht sagt umgekehrt: „Eine bloße Parteienwahl schließt die Verfassung aus.“ [5] – Urteil zur Deckelung der Überhänge). Und lange davor heißt es bereits „der Grundsatz der unmittelbaren Wahl verbietet die indirekte Wahl (…)“. [6]

Die Verhältniswahl ist eine Blockwahl. Anders als in Bayern wird die Liste bei der Wahl des Bundestages als ganze, d.h. „en bloc“ gewählt. .[7] Die Blockwahl ist hochumstritten. Sie gilt als „undemokratisch und damit verfassungswidrig“.[8] Auf den Stimmzetteln wird mit der Zweit­stimme nicht der Name einer Person, sondern der Name einer Partei gekennzeichnet. Dem amtlichen Stimmzettel sind bei der Wahl zum Bundestag nur die Namen der fünf Listenführer zu entnehmen.[9] Die Namen der übrigen Listenbewerber gingen aus den Stimmzetteln noch nie hervor, weil sie darauf gar nicht aufgeführt werden, die Wahl von 1949 ausgenommen. Aber auch aus den Namen der fünf Listenführer können die Wähler allein durch Stimmabgabe in der Wahlkabine keine Auswahl treffen. Die Wähler kennen also nicht einmal alle Namen der Per­sonen, die sie wählen sollen. An diesem Missstand hat sich seit 1953 bis heute nichts geändert.

Als 1949 das Grundgesetz entstand, wollte niemand aus dem Parlamentarischen Rat zu den „Weimarer Verhältnissen“ zurückkehren. Zwischen 1919 und 1930 gab es 16 Regierungen. Alle, die zwischen 1920 und 1931 im Amt waren, wurden vorzeitig aufgelöst. Die abschrecken­den Erfahrungen mit der „Verhältniswahl“, wie sie in Art. 22 der Weimarer Reichsverfassung ausdrücklich niedergelegt war, gaben den Ausschlag: Die Verhältniswahl wurde aus dem Grundgesetz verbannt. Sie hat heute keinen Verfassungsrang mehr. Das ist unstreitig und kann nicht ernsthaft bestritten werden.

  • Eckpunkte zum Wahlrecht im Grundsatzprogramm der CSU

Ihre Absage an die Verhältniswahl muss die CSU im Grundsatzprogramm verankern und daran dauerhaft festhalten! Der CSU-Landesvorstand stellt auf dem Parteitag v. 23.9.2023 deshalb den Antrag: Die Landesversammlung der CSU möge in das Grundsatzprogramm der CSU die nachfolgenden Eckpunkte zum Wahlrecht der Abgeordneten des Bundestages aufnehmen.

 

Alle Staatgewalt geht vom Volk aus. Die Abgeordneten vertreten das ganze Volk. Die Parteien wirken an der politischen Willensbildung mit, ziehen selbst und als solche aber nicht in die Volksvertretungen ein. Parteien haben bei der Aufstellung ihrer Wahlbewerber ein Nominierungsrecht, aber kein Nominie­rungsmonopol (Volkssouveränität).

Die Wahl erfolgt nach Maßgabe der föderativen Staatsordnung getrennt nach Bundesländern. Die verschiedenen Landessitzanteile der Bundesländer sind einzuhalten. Die kleinen Stadtstaaten, wie Bremen oder Hamburg, und die gro­ßen Flächenstaaten, wie Bayern oder NRW, nehmen, gemessen an der Kopfzahl ihrer Wohnbevölkerung, daran teil. Der Länderproporz wird durch die föderati­ve Staatsordnung garantiert.

Bei der Wahl darf niemand bevorzugt werden, weil er ein Mann oder eine Frau ist. Das wird durch Art. 3 GG garantiert. Auch das Wahlrecht für Minderjährige ist durch das Grundgesetz ausgeschlossen und kann nur mit verfassungsän­dernder Mehrheit beschlossen werden. (Art. 38 Abs. 2 GG). Wahlberechtigt in seinem heimatlichen Wahlkreis ist, wer die Volljährigkeit erreicht hat (Art. 38, Abs. 2 GG) und wer deutscher Staatsbürger ist. Daran hält die CSU fest.

Die Wahlbürger tun ihren Willen in außerparlamentarischen und basisdemo­kratischen Urwahlen kund und bestimmen auf amtlichen Stimmzetteln, welche Männer oder Frauen für die anstehende Legislaturperiode an der parlamenta­rischen Willensbildung mitwirken sollen (Volkssouveränität). Die Personen­auswahl ist ein Verfassungsgebot. Nicht die Parteien, sondern „die Abgeordne­ten werden … gewählt“. (Vgl. Art. 38 GG) Mehrheit entscheidet.

Wer in seinem Heimat-Wahlkreis die meisten Stimmen erzielt hat, ist der Beste von allen (einfache Mehrheit) und zieht in die Volksvertretung ein. Die absolu­te Mehrheit ist nicht erforderlich. (Minderheitenschutz) Gewählt wird in ei­nem Wahlgang. Eine Stichwahl findet nicht statt. Die Wahlentscheidung, wer der Beste ist, darf nicht in einer Wahlwiederholung umgeworfen werden, zumal die Wahlbeteiligung bei Stichwahlen regelmäßig sinkt.

Wahlen werden ausgezählt, nicht ausgerechnet. Das Wahlergebnis wird nie­mals nachträglich korrigiert, ergänzt, verbessert oder ausgeglichen, und schon gar nicht in Teilen annulliert, nachdem die Wahllokale schon geschlossen sind und schon deshalb eine Zustimmung der Wähler nicht mehr möglich ist.

Die neue Sollzahl der 630 Mitglieder des Bundestages ist endgültig und kann nicht überschritten werden. Alle Abweichungen durch Überhang- und Aus­gleichsmandate fallen weg und gehören damit der Vergangenheit an. Um über alle 630 Abgeordneten einzeln abstimmen zu können, braucht man nicht 299, sondern 630 Wahlkreise. Der Wahlsieg rückt durch die mit der Vermehrung der Wahlkreise zwangsläufig verbundene Verkleinerung der Wahlgebiete nicht etwa in weite Ferne, sondern umgekehrt in greifbare Nähe.

Alle Volksvertreter in Bund und Land werden ohne Ausnahme unmittelbar ge­wählt, wie es das Grundgesetz in Art. 38 verlangt. Die Wähler tun das, indem sie auf amtlichen Stimmzetteln den Namen einer Person kennzeichnen. „Eine bloße Parteienwahl schließt die Verfassung aus.“  (Originalton: BVerfGE 97, 317 (323) 1998.)

Bei der Ausübung des Mandats sind die Abgeordneten nur ihrem Gewissen ver­pflichtet. Das sog. „imperative“ Mandat lehnt die CSU ab. Wer die Partei wech­selt, behält sein Mandat, das er als gewählter Volksvertreter vom Wahlvolk er­halten hat.

Eine Stimme ist genug. Wer mit zwei Stimmen wählt, kann beide Stimmen ge­geneinander richten, also die Mandatsträger der Regierung mit der einen Stim­me im Amt bestätigen und mit der anderen Stimme abwählen, um für die Ab­geordneten der Opposition zu stimmen. Dieser Missbrauch der Gestaltungs­formen des Wahlrechts muss endlich beendet werden. Deshalb: Pro Kopf eine Stimme!

Doppelwahlen machen keinen Sinn. Niemand kann physisch zweimal im Bun­destag sitzen. Deshalb darf auch niemand zweimal kandidieren. Wer nur ein­mal kandidieren darf, kann nicht zweimal gewählt zu werden, einmal als Per­son (und zwar untrennbar von seiner Partei) und noch einmal über die Liste seiner Partei, auf der er gar nicht zum Zuge käme, wenn er einen schlechten Listenplatz hat.

Ein gültiger Wahlvorschlag kann nur von 200 Wahlberechtigten eingereicht werden, die ihren Wohnsitz im Heimatwahlkreis der vorgeschlagenen Männer oder Frauen haben. (Qualifizierter Wahlvorschlag). Wer bereits Mitglied der Volksvertretung ist, bleibt für seine Wiederwahl davon befreit. Der Wahlvor­schlag erfolgt auf amtlichen Formularen der zuständigen Wahlbehörden.

Ist ein Wahlkreis unbesetzt, findet eine Nachwahl statt, es sei denn bis zum nächsten Wahltermin verbleiben weniger als sechs Monate.

Die Wahlprüfung ist ein Grundrecht. (Art. 41 GG). Das Wahlprüfungsgesetz von 1951 hat sich nicht bewährt. Es ist zu novellieren und in das geltende BWahlG einzugliedern. Um jedem Missbrauch entgegenzutreten kann eine Wahl – wie früher – nur von 100 Wahlberechtigten angefochten werden.

Die Wahlprüfung ist beim Bundestag zu beantragen. Die Beschlussempfehlung für den Bundestag wird dem Wahlprüfungsausschuss – wegen der Befangenheit seiner Abgeordneten – entzogen und auf die Wahlkommission übertragen, die nach § 3 BWahlG zu bilden ist.

Diese Kommission soll ihre Beschlussempfehlungen dem Bundestagspräsiden­ten innerhalb von sechs Monaten nach dem Ende der zweimonatigen Ein­spruchsfrist zuleiten. Eilfälle können vorgezogen werden. Der Bundestag ent­scheidet unverzüglich. Nach der Entscheidung des Bundestages oder im Falle des Verzugs ist die Wahlprüfungs-Beschwerde zum BVerfG zulässig. Sog. „A-Limine-Abweisung“ (nach § 24 BVerfGG) finden bei künftigen Wahlprüfungsbe­schwerden nicht mehr statt. Bei einer erfolgreichen Beschwerde vor dem Bun­desverfassungsgericht übernimmt die Staatskasse auch die Kosten für die Pro­zessvertretung.“

(Ende der Eckpunkte für das Grundsatzprogramm.)

Die in den Verfassungen des Freistaates Bayern von 1946 und der Bundesrepublik Deutschland von 1949 garantierten Grundrechte zur Wahl Abgeordneten sind identisch. Was im Bund nicht verfassungskonform ist, kann im Land nicht unbeanstandet praktiziert werden. So will es Art. 28 Grundgesetz. Bei einer Reform des Wahlrechts muss in Bund und Land mit der gleichen Elle gemessen werden. Nach der Reform im Bund ist vor der Reform in den Ländern. Und das Grundgesetz verlangt, dass über jeden Abgeordneten namentlich abgestimmt wird.

  • Die Verfassungsbeschwerde der CSU wird im Internet veröffentlicht

Die CSU stellt den Schriftsatz ins Internet, mit dem sie gegen das neue Bundeswahlgesetz (BGBl I, Nr. 147) Verfassungsbeschwerde führt. Sie teilt das auch der Presse und den Medien mit, sobald ihr das Aktenzeichen erteilt wurde. Verfahren vor Gericht sind öffentlich. Ein Pro­zess, der im Namen der CSU als Partei geführt wird, kann nicht vor ihren Mitgliedern ge­heim gehalten werden. Die Mitglieder haben einen Anspruch auf Information.

Die drei Koalitionsfraktionen SPD, FDP und Grüne haben ein neues Bundeswahlgesetz be­schlossen. Danach würde die CSU an der Sperrklausel scheitern, sobald sie weniger als 5 Pro­zent aller in ganz Deutschland gültig abgegebenen Zweitstimmen erlangt. Über die Abgeordne­ten wird aber länderweise abgestimmt. Bundesweit gültig abgegebene Zweitstimmen gibt es überhaupt nicht. Deshalb ist eine bundesweit geltende Sperrklausel eine offensichtlich über­höhte und grundfalsche Bemessungsgrundlage. Die erst 1953 eingeführte Bundessperrklausel ist also durch föderative Landessperrklauseln zu ersetzen, wie sie bei der ersten Bundestags­wahl im Jahre 1949 noch in Gebrauch waren.

Außerdem sollen nach neuem Recht auch alle Direktmandate der CSU verloren gehen, wenn die neu eingeführte Zweitstimmendeckung fehlt. So kann es passieren, dass die CSU bei den Erst- und bei den Zweitstimmen mit weitem Abstand die stärkste Partei in Bayern ist und trotzdem nicht in den nächsten Bundestag einzieht. Weil es aber gar keine bundesweit gültigen Zweitstimmen gibt und die Wähler außerhalb Bayerns an den bayerischen Wahlurnen nichts verloren haben, macht die Sperrklausel an den Landesgrenzen Halt. Die Wähler außerhalb Bayerns können in Bayern weder zu Gunsten noch zu Lasten Bayerns irgendwelche Wahlent­scheidungen treffen. Welche Splitterparteien nicht in den Bundestag einziehen, entscheiden, so wie in jedem anderen Bundesland, auch im Freistaat Bayern die bayerischen Wähler für sich alleine.

Die CSU erzielt im Freistaat z.Z. knapp 40 % aller bayerischen Zweitstimmen. Eine bayerische 5-Prozent-Hürde kann ihr daher keinen Schreck einjagen. Die CSU ist in ihrer Heimat tief ver­wurzelt. Sie ist bei den Erststimmen als auch bei den Zweitstimmen mit großem Vorsprung deswegen die stärkste Partei, weil die bayerischen Wähler das so wollen.

  • Soll die CSU bei den Erststimmen in Thüringen zur Wahl antreten?

Die AfD ist im Vormarsch. Man kann sie mit den herkömmlichen Mitteln nicht mehr stoppen. Deshalb muss man sich von althergebrachten Vorurteilen befreien und neue Wege ausprobieren. Wenn die CDU sie dazu auffordert, ist der Weg für die CSU frei, in Thüringen Freundeskreise zur Errichtung von qualifizierten Wahlvorschlägen zu gründen. Die CSU tut das nur

  •  in Absprache mit der CDU,
  •  zunächst in Thüringen,
  •  allein für die Landtagswahl,
  •  ausschließlich bei den Erststimmen.

Wahlvorschläge sind von 200 in ihren Heimat-Wahlkreisen wohnenden Männern und Frauen zu unterzeichnen und bei den Wahlbehörden einzureichen. Die Mitglieder der Freundeskreise müssen also aus Thüringen stammen. Das genügt. Damit bietet die CSU den Wählern für die Landtagswahl eine personenbezogene Alternative zur AfD an.

Wohlgemerkt, die CSU stellt in Sachsen und Thüringen keine Landeslisten auf. Im Gegenzug unterlässt es die CDU, in beiden Ländern, eigene Bewerber für die Wahlkreise zu nominieren. Die Schwesterparteien empfehlen auf gemeinsamen Parteitagen ihren Wählern vielmehr, beiden Stimmen zu splitten, also die Erststimmen dem Wahlkreis-Bewerber der befreundeten CSU zu geben und mit den Zweitstimmen für die Landesliste der CDU zu stimmen. Das Bun­desverfassungsgericht hat das Stimmensplitting immer anerkannt. Und niemand muss „päpst­licher sein als der Papst“.

Zwei Stimmen sind zwei Wahlen. Und zwei separate Wahlen sind zwei getrennte Welten. Wer­den beide Stimmen für die gleiche Partei abgegeben, entsteht aus der Doppelwahl im Ergebnis jeweils nur ein Mandat. Denn physisch kann niemand zweimal im Parlament sitzen. Werden die Erststimmen für die CSU in Thüringen und die Zweitstimmen für die CDU des Landes abgegeben, entsteht aus beiden Stimmen nicht ein Mandat, sondern zwei. Franz Josef Strauß wusste das. Doch Helmut Kohl wollte von dem „Überraschungsgeschenk der separierten Zwei-Stimmen-Wahl“ und der mit dem Stimmensplitting verbundenen Verdoppelung des Wahlerfol­ges nichts wissen und hat 1976 den Wahlsieg mit absoluter Mehrheit verschenkt. Heute drängen die „Südlichter“ die „Nordlichtern“ dazu, sich daran zu erinnern.

„Leihstimmen“ sind keine Erfindung der CSU, die ihr in Wildbad Kreuth in den Sinn kam. Die FDP kämpft in jeder Wahl darum, dass die Wähler ihr die Zweitstimme überlassen und die Erststimme anders einsetzen. Ohne die sog. „Leihstimmen“ würde die FDP an der 5-Prozent-Hürde scheitern. Und dann gäbe es auch keine „Ampel“ mehr. Man darf aber auch nicht versuchen, die AfD zu halbieren, ohne die Wähler zu fragen. Beide Schwesterparteien müssen vielmehr einvernehmlich ihr Angebot an die Wähler verdoppeln. Warum soll man CDU zwei­mal wählen, wenn es nach geltendem Recht möglich ist, beide Stimmen unter den Schwestern aufzuteilen, damit die Wahlchancen zu verdoppeln und nach der Wahl eine siegreiche Fraktions­gemeinschaft aus beiden Stimmen zu bilden.

Also die Erststimmen für die CSU und die Zweitstimmen für die CDU, so lautet die Parole von damals noch heute. „Dann schaun mer mal und dann sehn mer schon“, heißt es beim Fußball. „Getrennt marschieren, vereint schlagen“, sagen die Preußen! „Seid klug wie die Schlangen“, steht in der Bibel!

München den 18.8.23/mch

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[1]  Schreiber/Strelen, BWahlG (2017), § 1, Rdnr. 15 mit zahlr. Hinw. in Anm. 29.

[2]   Vgl. § 1 Abs. 2, Satz 1 BWahlG n.F. (neue Fassung, BGBl I, Nr. 147).

[3]  Schreiber/Strelen, BWahlG 2017, § 1, Rdnr. 5.

[4]  Schreiber/Hahlen, BWahlG 2017, § 48, Rdnr. 13.

[5]  BVerfGE 97, 317 (323) 2012.

[6]  BVerfGE 47, 253 (279), 1977.

[7]  So auch Schreiber/Strelen, BWahlG, 2017, § 1, Rdnr. 14 u. Rdnr. 117.

[8]  Scholz, „Deutschland in guter Verfassung“, 2004, S. 131.

[9]  Vgl. § 30 Abs 2 Ziff. 1 BWahlG a.F. 2023.

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