Wenn die Wähler nicht das letzte Wort haben …

Wenn die Wähler nicht das letzte Wort haben, dann haben sie auch nicht das entscheidende Wort. Die Volkssouveränität schließt jeden nachträglichen Eingriff in das Wahlergebnis aus. Deshalb ist niemand befugt, einem direkt gewählten Abgeordneten den Zutritt zum Bundestag zu verweigern. Aus dem gleichen Grund ist auch niemand befugt, das Wahlergebnis nachträglich auszugleichen. Wer nach der Wahl das Wahlergebnis über den Kopf der Wähler hinweg ausgleicht, der verfälscht es auch. Ausgleichsmandate sind Zusatzmandate. Sie verletzen die im Grundgesetz garantierte Volkssouveränität.

Ohne nachträgliche Aufstockung der Mandate wäre der Bundestag schon um 65 Köpfe kleiner. Würde man alle Abgeordneten mit beiden Stimmen wählen, und zu diesem Zweck die Zahl der Wahlkreise von jetzt 299 auf dann 598 anheben, dann gäbe es auch keine oder fast keine Überhänge. 1949 konnte der Stimmzettel nur einmal gekennzeichnet werden. Das sog, Stimmensplitting war also ausgeschlossen und es entstanden nur zwei Überhänge, eines in Bremen, das andere in Baden-Württemberg. Davon sind wir heute weit entfernt. Statt 598 hat der Bundestag 709 Mitglieder.

Posse im Bundestag

Ralph Brinkhaus, MdB, Vorsitzender des CDU/CSU-Faktion, hat die Debatte um die Reform des Wahlrechts nun um eine weitere  Posse bereichert. Er schlägt vor, die Zahl der Mitglieder des Bundestages auf maximal 750 Abgeordnete zu begrenzen. Das wären 150 Abgeordnete mehr als normal. Sollte diese Obergrenze überschritten werden, müsse die Zahl der 299 Direktmandate entsprechend verringert und so die leidigen Überhänge verkleinert werden. Um das zu erreichen, sollen die Abgeordneten mit den jeweils schwächsten Ergebnissen bei den Erststimmen nicht in den Bundestag einziehen.

Die Abgeordnete mit dem schwächsten Erststimmenergebnis überhaupt ist die SPD-Abgeordnete, Dr. Eva Högl. Sie wurde im Wahlkreis 075, Berlin-Mitte, mit 23,5 Prozent der Erststimmen in den Bundestag gewählt. Sie wäre also mit unter den ersten, die den Bundestag gegebenenfalls verlassen müssten. Ihre Begeisterung für die Reformvorschläge von Brinkhaus dürfte sich daher in Grenzen halten.

Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Müller, widersprach dem Vorsitzenden seiner Fraktion sofort. Der CSU-Politiker erklärte: „Einen Vorschlag, der den Gewinnern von Wahlkreisen den Einzug in den Deutschen Bundestag verweigert, halten wir für verfassungswidrig.“ Ähnlich argumentierte der CDU-Abgeordnete Fischer: „Der Vorschlag mit einer Kappung von Wahlkreisen ist verfassungswidrig und damit inakzeptabel.“

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