Zwei-Klassenwahl in Mecklenburg-Vorpommern

AfD-Chef Holm: Wahlkreis-Verlierer mit Landtagsmandat

Die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern galt als „Probeabstimmung“ für die bevorstehende Bundestagswahl. Erwin Sellering, Spitzenkandidat der SPD, konnte seinen Wahlkreis Nr. 8 (Schwerin I) mit 47,4 %, der für ihn abgegebenen Erststimmen überzeugend gewinnen. Für seinen Kontrahenten, Lorenz Caffier (CDU), der im Wahl­kreis Nr. 22 (Mecklenburger Seenplatte V) antrat, gaben die Wähler immerhin noch 26,2  % der Erststimmen ab. Leif-Erik Holm, Spitzenkandidat der AfD, konnte seinen Wahlkreis Nr. 28 (Nordwestmecklenburg II) dagegen nicht gewinnen, zog aber über die Landesliste in den Schweriner Landtag ein.

Der AfD-Chef Holm ist also der klassische Wahlkreis-Verlierer mit Landtagsmandat. Das war nur möglich, weil ihn die AfD auf der Landesliste „abgesichert“ hatte.  In Mecklenburg-Vorpommern wird nach dem Prinzip der personalisierten Verhältniswahl abgestimmt. Dieses Konstrukt einer zweigleisigen Abstimmung gilt es näher unter die Lupe zu nehmen. Das duale Wahlsystem mit Erst- und Zweitstimme ist in zwölf weiteren Bundesländern in Gebrauch und findet auch bei der Bundestagswahl Anwendung. Wer im Wahlkreis gewonnen hat, zieht ins Parlament ein. Wer verloren hat, zieht ebenfalls dort ein, aber nur dann, wenn er auf einem entsprechenden Platz der Landesliste „abgesichert“ ist, also für einem sog. „sichern“ Listenplatz nominiert wurde, der tatsächlich zum Zuge kommt.

Es gibt also nicht nur Kandidaten erster und zweiter Klasse: vorrangige Wahlkreis-Be­werber und nachrangige Listenbewerber. Es gibt darüber hinaus auch Bewerber der Sonderklasse, die zwei Wahlchancen haben und sowohl im Wahlkreis also auch auf der Liste kandidieren. Wenn die auf der Liste „abgesicherten“ Wahlkreis-Bewerber bei der Erststimme verlieren, können sie – wie Leif-Erik Holm – immer noch mit der Zweitstim­me gewinnen. Die einen haben also zwei Wahlchancen, die anderen nur eine. Und es liegt auf der Hand, dass ein solches Verfahren mit dem ehernen Grundsatz der Wahl unter vergleichbaren Bedingungen nicht in Überreinstimmung zu bringen ist. Eine Zwei-Klassenwahl kann vor Art. 28 GG in den Ländern und vor Art. 38 GG im Bund  keinen Bestand haben – um von der Doppelkandidatur gar nicht zu reden!

Es gibt kaum noch Zweifel daran: Das Verfahren der personalisierten Verhältniswahl ließe sich durch eine Wahlanfechtung nach Art. 41 GG wohl zu Fall bringen. – Doch wer tut es? „Wer hängt der Katz die Schelle um?“

 

 

 

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