Der Präsident verschleppt die Kanzlerwahl
„Hoffentlich sehen die Vertreter im Bundestag mittlerweile ein, dass nur das Mehrheitswahlrecht aus dieser Bredouille hilft.“ Dieser Schlusssatz des Beitrags von Prof. Markus C. Kerber in Tichys Einblick v. 22.2.2018 lässt aufhorchen. Die SPD hat in grober Fahrlässigkeit einen Hund als Neumitglied aufgenommen. Die Mitglieder-Entscheidung über die Kanzlerwahl rückt dadurch in ein grelles Zwielicht. Die Sache ist in aller Munde.
Das Skandalon ist aber nicht, dass die SPD gleichsam „auf den Hund“ gekommen ist. Das Skandalon ist auch nicht die Mandatsanmaßung der SPD-Mitglieder. Selbst wenn Hunde von der Mitgliedschaft ausgeschlossen bleiben, sind die Mitglieder der SPD für die Kanzlerwahl nicht zuständig. Das eigentliche Skandalon ist die Bundestagswahl v. 24.9.2017 selbst. Hinzu kommt die schuldhafte Verschleppung der nachfolgenden Kanzlerwahl im Berliner Parlament. Sie hat allein der Herr Bundespräsidenten zu verantworten. Seinen Vorschlag für die Kanzlerwahl hätte er den Abgeordneten schon lange unterbreiten und so vollendete Tatsachen schaffen können. Doch das tut er nicht und verletzt durch sein schuldhaftes Zögern die Pflichten seines hohen Amtes, die in Art. 63 GG verankert sind.
Die Öffentlichkeit hat sich inzwischen daran gewöhnt und teilweise auch das Interesse verloren. Doch von insgesamt 709 Abgeordneten sind 410 nicht unmittelbar gewählt worden, wie es das Grundgesetz verlangt. Denn es gibt nur 299 Wahlkreise, in denen eine unmittelbare Wahl der Abgeordneten überhaupt möglich ist. Zu allem Überfluss gibt es unter den 410 Mandatsträgern 46 mit Überhang- und 65 mit Ausgleichsmandat. Das BVerfG v. 25.7.2012 (BVerfGE 131, 316) hat unstreitig festgehalten: Mehr als 15 Überhänge seien unzulässig.
Das kann nicht durch die 65 nachgeschobenen Ausgleichsmandate geheilt werden, die oben „draufgesattelt“ wurden. Denn es gab keine Abstimmung darüber, wer von welcher Partei, in welchem Bundesland denn ein solches Zusatzmandat bekommen soll. Ausgleichsmandate können erst verteilt werden, nachdem die Wahllokale bereits geschlossen sind und die Auszählung ergeben hat, dass es zu Überhängen gekommen ist. Dem nachgeschobenen Mandatsausgleich fehlt also zwangsläufig jede Legitimation durch eine unmittelbare und freie Wahlhandlung.
Es führt kein Weg daran vorbei: Die Mitglieder im Deutschen Bundestag sind mehrheitlich nicht die gesetzlichen Abgeordneten. Wer so den Kanzler oder die Kanzlerin wählt, löst eine Staatskrise aus.