Auschnitt aus der Zeitschrift für Rechtspolitik

Urteil gebeugt: Zur Wahlwiederholung in Schleswig-Holstein

In Schleswig-Holstein hat man den Vogel abgeschossen. Dort hatten ursprünglich 69 Abgeordnete im Landtag Sitz und Stimme. Tatsächlich war das Parlament mit 95 Volksvertretern total überfüllt. Bis zur Wahl am 6. Mai 2012 gab es dort 26 Abgeordnete mehr als der Landtag Sitze hat. Und das sind 37,4 Prozent! Die überzähligen Abgeordneten gammeln aber nicht etwa im Parlament herum, wo sie in der Tat nichts zu suchen haben, sondern stimmen bei allen politischen Entscheidungen mit. Das Verfassungsgericht des Landes hatte verlangt, den hanebüchenen Misstand endlich abzustellen und ein Wahlrecht zuschaffen, in dem die 69 Sitze im Parlament mit 69 Volksvertretern besetzt werden, keiner mehr und keiner weniger!

Was haben die Volksvertreter im Landtag getan? Sie haben das Urteil des Gerichts gebeugt, die Verfassung des Landes geändert und hineingeschrieben, der Landtag bestehe aus „mindestens“ 69 Abgeordneten. Am 6 Mai 2012 muss in Schleswig-Holstein ein neuer Landtag gewählt werden, aber nicht mit genau 69 Abgeordneten, wie es das Verfassungsgericht des Landes verlangt, sondern mit „mindestens“ 69 Abgeordneten. Man kann das mit der Eheschließung vergleichen. Vielen passt es nicht, dass sie genau eine Frau heiraten sollen. Also gehen sie zum Standesamt und erklären dort, sie wollen „mindestens“ eine Frau heiraten.

Mehr in: Zeitschrift für Rechtspolitik, ZPR 3/2012, S. 87 ff: „Mehr Stücke als Kuchen: die Überhangmandate“.

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