Kann der Mandatsausgleich vor dem Grundgesetz Bestand haben?
… eigentlich nicht. Denn Ausgleichsmandate sind grob verfassungswidrig. (1) Der Deutsche Bundestag hat am 22. Februar 2013 in 2. und 3. Lesung das 22. Wahlrechts-Änderungsgesetz beschlossen. Mit Ausnahme der Linken sind sich alle Fraktionen darüber einig geworden, sämtliche Überhangmandate durch Ausgleichsmandate zu neutralisieren (Vollausgleich). (2) Doch das kann nicht gelingen: Volksvertreter werden vom Volk und nur vom Volk gewählt. Bei Ausgleichsmandaten ist das nicht der Fall. Ihre Träger werden erst nach der Wahl von Wahlleitern obrigkeitlich in das Mandat eingesetzt. Und das verstößt gegen die Grundlagen der repräsentativen Demokratie: die Volkssouveränität. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus und wird im Fall von Wahlen allein vom Volk ausgeübt. Nicht vom Volk gewählte Abgeordnete sind dem Art. 20 GG fremd.
„Die Abgeordneten (…) werden gewählt“
Für Ausgleichsmandate findet man in den Wahlurnen überhaupt keine Stimmzettel, mit denen die Wähler selbst und unmittelbar über den Mandatsausgleich entschieden hätten. Man kann sie dort nicht finden, weil die Überhangmandate erst nach der Wahl erkennbar werden und der Ausgleich deshalb in der Wahl überhaupt nicht möglich ist. Die Wähler sind ja keine Hellseher. (3)
Wer nicht vom Volk selbst und unmittelbar gewählt worden ist, kann kein Volksvertreter sein. Mit den Ausgleichsmandaten wird die Demokratie auf dem Kopf gestellt. Denn den Ausgleich erhalten nicht die Wahlsieger, sondern die Wahlverlierer. Mit Volksherrschaft, die in Wahlen und Abstimmungen auszuüben ist, hat das nichts zu tun. Abgeordnete mit Ausgleichsmandat werden nicht in allgemeiner, nicht in unmittelbarer, nicht in freier, nicht in gleicher, auch nicht in geheimer Wahl gewählt, sie werden überhaupt nicht vom Wahlvolk gewählt. Art. 38 Grundgesetz und in § 1 Bundes-Wahlgesetz stellen dagegen kategorisch fest: „Die Abgeordneten werden (…) gewählt“.
In Italien erhält die stärkste Partei bis zu 50 Extramandate. (4) Dadurch soll verhindert werden, dass der relative Wahlsieger der Listenwahl – also die Partei mit dem besten Ergebnis – durch eine sog. „Koalition der Wahlverlierer“ von der Regierung ausgeschlossen werden kann. Das Verfassungsgericht hat in seiner mündlichen Anhörung v. 5.6.2012 kurz vor seiner berühmten Entscheidung v. 25.7.2012 diese Frage mit dem Tenor gestreift, das sei nicht erstrebenswert und komme nicht ersthaft in Betracht. Die italienischen Verhältnisse sind vom Mandatsausgleich deutscher Prägung nicht allzu weit entfernt. Auch hierzulande wird der Grundsatz in den Wind geschlagen, dass Volksvertreter immer, grundsätzlich und ausschließlich vom Volk gewählt werden.
Was sagt das Verfassungsgericht?
In seinem Urteil zur Mandatsnachfolge bei Überhangländern v. 26.2.1998, (BVerfGE 97, S. 317 ff (323)) stellt der Zweite Senat des Gerichts in Karlsruhe keineswegs zufällig fest: „Im demokratisch verfassten Staat des Grundgesetzes können die Abgeordneten ihre Legitimation zur Repräsentation nur aus der Wahl durch das Volk beziehen.“ Im Verfassungsgericht findet das politische Konstrukt eines nicht gewählten Abgeordneten also keine Stütze. (5) Das Gericht weist auch auf die früheren Entscheidungen hin, und zwar auf BVerfGE 44, 124 (138, 142); auf 47, 253 (271 f.); und auf 89, 155 (171 f.).
Der erkennende Senat fährt danach fort: „Durch Wahl kann ein Abgeordnetensitz nur aufgrund einer – wie auch immer ermittelten – demokratischen Mehrheit erworben werden. (…) Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verlangt aber stets, dass die Abgeordneten gewählt werden; eine bloße Parteienwahl schließt die Verfassung aus.“ Hier nimmt das Gericht Bezug auf das berühmt gewordene Grundsatzurteil v. 10.4.1997 (BVerfGE 95, 335 (349). Noch tiefer „pflügten“ die Richter an anderer Stelle (aaO, Bd. 97, S. 326): Der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl verlange, dass für den Wähler die Wirkungen seiner Stimmabgabe erkennbar seien. Auch hier ein Hinweis auf die Grundsatzentscheidung v. 10.4.1997 (BVerfGE 95, 335 (350)).
Wenn nach dem Wahlrecht eine Koppelung stattfinde, indem mit der Wahl einer einzelnen Person die Mitwahl weiterer Persönlichkeiten zwangsläufig verbunden seien, so das Gericht in Karlsruhe, dann müsse der Wähler dies wenigstens bei seiner Stimmabgabe kennen können (vgl. BVerfGE 3, 45 (50)). „Jede Stimme muss bestimmten oder bestimmbaren Wahlbewerbern zugerechnet werden; dies muss dem Wähler vor der Wahl hinreichend erkennbar sein (vgl. BVerfGE 7, 63 (68, 71).“
Freilich muss man einräumen, die Verfassungsrichter haben in ihrem spektakulären Urteil v. 25.7.2012 immer wieder von der verfassungsrechtlichen Problematik „ausgleichsloser“ Mandatsüberhänge gesprochen und damit suggeriert, durch einen Mandatsausgleich könnten die Mandatsüberhänge verfassungskonform „neutralisiert“ werden. Allerdings ist das Gericht in Karlsruhe niemals zur Frage der Ausgleichsmandate angerufen worden. Es gibt also mehr oder weniger gerechtfertigte Mutmaßungen, wie eine Entscheidung des Zweiten Senats ausfallen könnte, doch einen waschechten „leading case“, auf den man sich berufen könnte, gibt es nicht.
Einen Präzedenzfall gibt es nicht
Wägt man das Für und Wider ab, dann muss das Gericht zuerst einmal den eindeutigen Wortlaut von Verfassung und Wahlgesetz beugen, wenn es die Ausgleichsmandate zulassen will. Und der Wortlaut besagt: „Die Abgeordneten werden (…) gewählt.“ Sodann muss sich das Gericht auch von der Begründung seines Urteils verabschieden, das es am 26.2.1998, (BVerfGE 97, S. 317 ff (323 und 326)) selbst gefällt hat. Auch das ist nicht zu erwarten.
Das Fazit bleibt also bestehen: Die Wähler könne weder vor noch in der Wahl erkennen, welche Wirkungen ihre Stimmabgabe auf die Ausgleichsmandate haben. Sie wissen nicht und können auch nicht wissen, wen sie bei der Abgabe der Erststimme zum Ausgleich für einen möglicherweise entstandenen Mandatsüberhang bei den Zweitstimmen mitgewählt haben sollen. Schon gar nicht, wenn sie die Stimmen nicht gesplittet haben, also eben gerade nicht wollten, dass eine andere Partei ein Mandat erhält. Bei den Wählern, die beide Stimmen der gleichen Partei gegeben haben, ist der Wille ja gerade auszuschießen, dass der Mandatsausgleich einer anderen, einer Konkurrenzpartei zukommen soll.
Die Träger der Ausgleichsmandate sind für den Wähler bei der Stimmabgabe zumindest nicht erkennbar oder sogar von vorne herein gar nicht gewollt. Sie können deshalb von den Wählern nicht in der Wahl selbst und unmittelbar mitgewählt worden sein. Eine direkte Verbindung zwischen Wahlhandlung und den Folgewirkungen der Wahlentscheidung ist nicht herstellbar. Ausgleichsmandate verstoßen daher massiv gegen den Grundsatz der unmittelbaren Wahl.
Außerdem werden von den Parteien regelmäßig überhaupt keine Kandidaten der Reserve aufgestellt, die sich alleine für den Eventualfall wählen lassen, dass Überhänge entstehen und ein Mandatsausgleich erfolgen soll. Und ohne Kandidat kein Mandat. Gesetzt den Fall, dem würde abgeholfen und es würden tatsächlich Abgeordnete der Reserve aufgestellt und auf den Stimmzetteln unter dem Strich mitgewählt, um für den Ernstfall zur Verfügung zu stehen, käme bei einer solchen Wahl natürlich kein Ausgleich heraus. Die Wähler wählen, wie sie wollen. Und das dürfen sie auch. Sie denken gar nicht daran, dem Wahlgesetzgeber den Gefallen zu tun, die bei der Doppelwahl mit zwei Stimmen fast regelmäßig entstehenden Mandatsüberhänge auszugleichen, nur um das Gesetz vor der Verfassungswidrigkeit zu retten. Eine freie Vorratswahl wäre also kein taugliches Mittel, um die Überhänge des dualen Wahlsystems zu „neutralisieren“. Denn die Überhangpartei kann damit rechnen, dass ihr die Wähler auch den Mandatsausgleich zukommen lassen.
Würde man nach dem klassischen Prinzip „one man one vote“ nur mit einer Stimme wählen, wäre der Spuk schlagartig von der Bildfläche verschwunden. Wer mit zwei Stimmen wählt, holt sich dagegen den Teufel an Bord. (6) Denn man kann beide Stimmen auch gegeneinander richten, also mit der einen für die Regierung und mit der anderen für die Opposition stimmen. Und das ist „töricht und dumm“, um die Ablehnung in ein berühmtes Zitat von Altbundeskanzler Helmut Kohl zu kleiden.
Nochmals: „negative“ Stimmenmacht
Erstellt man z.B. eine Splitting-Bilanz für die Landtagswahl in Niedersachsen, dann ergibt sich folgendes Bild: Rund 231.000 Wähler gaben der CDU die Erststimme, wählten sie aber nicht mit der Zweitstimme. Auch der SPD ließen etwa 176.000 Wähler die Erststimme zukommen, ohne sie mit der Zweitstimme zu wählen. Umgekehrt gaben etwas mehr 116.000 Wähler den Grünen die Zweitstimme, wählten sie aber nicht mit der Erststimme. Besonders auffällig ist, dass ebenfalls etwas mehr als 236.000 Wähler der FDP ihr die Zweitstimme zukommen ließen, ohne sie mit der Erststimme zu wählen.
Landtagswahl Niedersachsen: Splitting-Bilanz 2013
Erst- stimmen | Direkt- mandate | Zweit- stimmen | Listen- plätze | Stimmen- differenz | |
CDU | 1.519.343 | 54 | 1.287.730 | 53 | +231.610 |
SPD | 1.342.171 | 33 | 1.165.538 | 48 | +176.633 |
Grüne | 373.336 | 0 | 489.572 | 20 | -116.236 |
FDP | 118.556 | 0 | 354.971 | 14 | -236.415 |
3.569.014 | 87 | 3.575.261 | 135 |
Auch trägt es zur allgemeinen Verunsicherung bei, dass sich in Niedersachsen das Stimmensplitting bei der CDU vervierfacht hat, und gleichzeitig die Zahl der Überhänge auf ein Achtel geschrumpft ist. Bei der Landtagswahl 2008 gaben etwa 56.000 Wähler der CDU die Erststimme, wählten sie aber nicht mit der Zweitstimme. In den insgesamt 87 Wahlkreisen erlangte sie damals 68 Direktmandate. Und 8 davon waren Überhänge. 2013 gaben, wie gesagt, der CDU etwa 231.000 Wähler die Erststimme, wählten sie aber nicht mit der Zweitstimme. Völlig überraschend entstand trotzdem nur ein einziges Überhangmandat. – Und das ist eine ganz harte Nuss für alle „Wahlrecht-Freaks“.
Es kommt aber noch schlimmer: Die Erststimmen-Wahl ist überhaupt nur für die großen Parteien relevant. Denn die kleineren Parteien erreichen in den Wahlkreisen gar nicht oder nur ausnahmsweise den Sieg. Deshalb ist die Erststimme für die FDP ebenso wie für die Grünen nahezu bedeutungslos. (7) Sie können diese Stimmen an die großen Parteien verleihen oder verschenken und damit bei den Großparteien sogar Überhänge entstehen lassen. Wenn sie ausgeglichen werden, können FDP und Grünen mit ihrer Wahltaktik des Stimmensplittings also für sich zusätzliche Ausgleichsmandate „herausschinden“.
Eine rechtliche Bewertung muss auf den sog. „inversen Erfolgswert“ der Ausgleichsmandate abstellen. Das Gericht in Karlsruhe hat in seiner jüngsten Entscheidung v. 25.7.2012 gesagt, dass es zwischen Stimmen und Mandaten niemals zu einer negativen Korrelation kommen darf. (8) Stimmen und Mandate müssen sich stets proportional zu einander verhalten: Je mehr Stimmen, um so mehr Mandate und umgekehrt. Und diese Entscheidung kommt auch beim Mandatsausgleich zum Zuge.
Teile der FDP-Wähler vergeben ihre für sie bedeutungslosen Erststimmen vor allem an die CDU, Teile der Wähler von den Grünen vor allem an die SPD. Bei der CDU bzw. CSU, seltener aber auch bei SPD kam es bisher zu Mandatsüberhängen, je nachdem wer aus der Wahl als stärkste Kraft hervorgegangen ist. Die Verliererparteien profitieren davon mit Ausgleichsmandaten, obwohl oder sogar weil die Erststimmen hinter den Zweitstimmen zurückblieben. Ohne Stimmensplitting, hätten sie mit mehr Stimmen weniger Mandate erreicht und umgekehrt. Genau das wollte das Verfassungsgericht ohne Wenn und Aber verhindern. Zum negativen Stimmengewicht beim Mandatsausgleich ist das letzte Wort aus Karlsruhe also noch lange nicht gefallen.
Während für die kleinen Parteien die Erststimmen bedeutungslos sind, ist umgekehrt das bei den großen Parteien für Zweitstimmen dann der Fall, wenn die Wähler ihnen mehr Direktmandate als Listenplätze zukommen lassen. (Überhangmandate) Wegen des Überhangs kommt die Liste gar nicht zum Zuge. Und weil das so ist, würde sich an der Zahl der direkt gewählten Mandatsträger auch dann nichts ändern, wenn die Wähler ihr keine einzige Zweitstimme gegeben hätten. So hätten z.B. die Wähler der CDU in Niedersachsen alle 1.287.730 Zweitstimmen geschlossen an die FDP verschenken und die Wähler der FDP alle 118.556 Erststimmen – die für sie ebenso bedeutungslos sind, weil die FDP ja keine Direktmandat erreicht – der CDU zukommen lassen können. Und das wäre der sichere Wahlsieg gewesen!
Doch das wäre zu schön um Wahl zu sein. Und natürlich hat die Sache einen gewaltigen Haken. Es kann nicht sein, dass im Fall von Niedersachsen die CDU ausschlaggebend mit der Erststimme und die anderen Parteien ausschlaggebend mit der Zweitstimme gewählt werden. Das verstößt so massiv gegen den Grundsatz der gleichen Wahl, dass eine Klage vor dem Verfassungsgericht nicht ausbleiben würde.
Wahlprüfung nach Art. 41 GG
Die politische Entscheidung ist gefallen: Die Fraktionen des Deutschen Bundestags haben eine verfassungswidrige Reform des Wahlrechts zum Gesetz erhoben. Die Koalitionsabsprache vom Oktober 2012 ist in 1. Lesung zum 22. Wahlrechts-Änderungsgesetz am 14. Dezember 2012 im Bundestag beantragt und am 22. Februar 2013 „ohne Rücksicht auf Verluste“ durch die 2. und die 3. Lesung „gepaukt“ worden. (9) Die Sachverständigen-Anhörung v. 14. Januar 2013 war mehr Formsache als ergebnisoffene Debatte. (10) Sie wurde „abgespult“, weil der parlamentarische „comment“ es so will. Und was soll ein Sachverständiger schon ausrichten, wenn er konsultiert wird, nachdem die politische Entscheidung längst gefallen ist?
Dagegen bleibt nur der Rechtsweg, der schon zweimal mit Erfolg beschritten wurde. Wen die Bürger nach Art. 41 GG iVm dem WahlprüfG durch ein Wahleinspruch gegen die Bundestagswahl 2013 und das neue Wahlgesetz zur Wehr setzen wollen, dann haben sie „gute Karten“, vorausgesetzt sie treten in so großer Masse auf, dass sie vom Verfassungsgericht ernst genommen werden. Auch ist der Weg nach Karlsruhe nach erfolglosen Wahleinspruch beim Deutschen Bundestag erleichtert worden. Denn die 100 Stützunterschriften, die für eine Klage in Karlsruhe bisher notwendig waren, sind entfallen. Um so häufiger wird das Verfassungsgericht die zu erwartende Klageflut nach § 24 BVerfGG einstimmig und ohne Begründung „abwimmeln“.
Die Wahlprüfung auf diesem Wege schlicht und einfach ins Leere laufen zu lassen, ist ohne Zweifel grenzwertig. So hat sich der Grundgesetzgeber die Wahlprüfung nach Art. 41 GG sicher nicht vorgestellt. Als Organkläger kommt eigentlich nur noch die LINKE in Betracht. Welch ein politischer Wandel, sollten ausgerechnet die LINKE in Karlsruhe klagen, um die Volkssouveränität zu retten und dem verfassungswidrigen Mandatsausgleich zuerst im Bund und damit auch in den Ländern den Garaus machen würde. – Und Gregor Gysi darf man das zutrauen!
ANMERKUNGEN
(1) Ablehnend Grzeszick, Stellungnahme zu den Gesetzesentwürfen zur Änderung des BWahlG, Ausschussdrucksache 17 (4) 634 E.
(2) Vgl. BT-Drucksachen 17/11819 und 17/11821; sowie Ausschussdrucksache 17 (4) 625. Ferner Das Parlament, Nr. 51/52, v. 17.12.2012, S. 2-5.
(3) Vgl. dazu Hettlage, in: Publicus – Der Online-Spiegel für das öffentliche Recht: „Das Stimmensplitting muss weg“, Ausgabe 2010.2; ders, „Abgeordnete werden gewählt! Für Ausgleichsmandate gibt es keine Stimmzettel“, Ausg. 2011.2; und ders, „Eine Rechnung mit zwei Unbekannten / Wahl und Wahlrecht in Baden-Württemberg“, Ausgabe 2011.3. Alle im Internet unter: www.publicus-boorberg.de (und Nummer der Ausgabe).
(4) Vgl. SüddZ v. 23./24.2,2013: „Ein Wahlrecht namens Schweinerei“, auch das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, Nr. 7 v. 9.2.2013: „Italien / Kopf oder Bauch?“ S. 78 ff (81) – „nach dem derzeitigen Wahlgesetz erhält die Partei mit dem meisten Stimmen automatisch 54 Prozent aller Sitze“. In Italien wird nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Bei 630 Sitzen im Parlament werden die Mandate der stärksten Koalition um mindestens 35 auf 340 aufgestockt. Sie hält mit der Mandatsaufstockung also die absolute Mehrheit in Hand.
(5) Bei der Anhörung vor dem Innenausschuss des Deutschen Bundestags, wies der Sachverständige Grzeszick in seinem Schriftsatz (Ausschussdrucksache 17 (4) 634 E) zutreffend darauf hin, dass der Zweite Senat in seinem Urteil v. 25.7.2012 (AktenZ: 2 BvF 3/11; 2 BvR 2670/11; u. 2 BVE 8/11) von der Zulässigkeit der Ausgleichsmandate ausgeht. Dies trifft zu, geschah aber im Sinne eines obiter dictums und präjudiziert deshalb nicht, wie das Gericht geurteilt hätte, wenn es denn angerufen worden wäre, um über die Zulässigkeit der Ausgleichsmandate zu entscheiden. Ein Urteil des Verfassungsgerichts über ihre Zulässigkeit im Sinne eines „leading case“ gibt es (noch) nicht.
(6) Vgl dazu auch Funk, Das Parlament, aaO, (Fn 2), S. 2, (Gastkommentar): „Ein Kreuzchen reicht“; auch Decker: www.b-republik.de/aktuelle-ausgabe/schafft-das-zweistimmensystem-ab , in: Berliner Republik v. 20.2.2013.
(7) Vgl. ZRP, 2011, 1 ff; ferner ZRP 2012, 87 ff.
(8) Vgl. BVerfG, Pressemitteilung v. 25.7.29012 zur Entscheidung unter dem gleichen Datum aaO, (Fn 5).
(9) Vgl. Das 22. Wahlrechts-Änderungsgesetz wurde am 14.12.2012 im Deutschen Bundestag in 1. Lesung behandelt. Das Plenum war nicht beschlussfähig, wie sich aus der Live-Übertragung des Fernsehsenders Phoenix erkennen ließ. Ein Antrag auf Feststellung der Beschlussunfähigkeit wurde nicht gestellt. Ein Beamter aus dem Innenministerium saß mutterseelenallein auf der Regierungsbank. Er war wohl für den Referentenentwurf der Behörde zuständig. Ansonsten blieb die Regierungsbank leer. Kein einziger Minister nahm an der Plenardebatte teil. Niemand zitierte wenigstens den Innenminister herbei, obwohl das immer möglich ist.
(10) Vgl. Hettlage, „Wie wählen wir 2013? Veröffentlichte und unveröffentlichte Beiträge zur Reform des Wahlrechts in Bund u. Land“ 2/2012 (www.lit-verlag.de/isbn/3-643-11585-0), S. 91 ff: „Bleibt die große Reform des Abgeordneten-Wahlrechts ein Traum?“