DOPPELWAHL MIT ERST- UND ZWEITSTIMME

Ein emulsionsunfähiges „mixtum compositum“

Das duale Wahlsystem mit Erst- und Zweitstimme folgt den „Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbundenen Verhältniswahl“. (Vgl. § 1 BWahlG) Mit der Zweitstimme wird von den Wählern die Menge der Abgeordneten festgelegt, die einer Partei zukommen soll. (Quote) Mit der Erststimme werden die Personen gewählt, um die personell unbestimmte Menge konkret zu personifizieren. Wenn man den Vergleich nicht überdehnt, kann man sich das so vorstellen wie ein Gefäß, dessen Fassungskraft durch die Zweitstimmen bestimmt wird, während es durch die Erststimmen mit konkreten Mandaten angefüllt wird.

Die Zahl der 299 Wahlkreise und damit der direkt wählbaren Abgeordneten bleibt aber weit hinter der regulären Zahl der 598 Mitglieder des Parlaments zurück. Im Idealfall würde das dazu führen, dass sämtliche Töpfe der verschiedenen Parteien halb voll wären. So ist es aber nicht. Weil die Größe der Töpfe sich aus der Anzahl der Zweitstimmen ergibt, sind manche zu klein, andere zu groß, um dem Idealfall zu entsprechen.

Listenplätze und Direktmandate sind also nicht deckungsgleich und stehen auch nicht in einer unverrückbaren Relation zueinander. Es bleibt rechtlich sogar unbeanstandet, wenn die Erststimme von der Zweitstimme abgetrennt wird. (Stimmensplitting) Die Töpfe sind also nicht nur unterschiedlich groß, auch die Füllmenge ist frei bestimmbar. Man darf sich deshalb nicht wundern, wenn manche Töpfe sehr voll sind oder sogar überfließen, andere fast leer sind oder sogar vollkommen leer bleiben.

Zwei Stimmen sind zwei Wahlen

Zwei Stimmen sind immer auch zwei Wahlen und werden das auch bleiben. „Die eine will sich von der anderen trennen.“ Das duale Wahlsystem bleibt daher ein Mischmasch aus Personen- und Parteienwahl, ein „mixtum compositum“ aus zwei Elementen, die nicht miteinander emulgieren. Und daran wird sich auch nichts ändern.

Erschwerend kommt noch etwas hinzu: Nicht nur das aktive, sondern auch das passive Wahlrecht steht allen Bürgern unter gleichen Bedingungen offen, und zwar auch dann, wenn sie keiner Partei angehören. Die Mitglieder der Parteien haben ein gemeinschaftliches Nominierungsrecht wie es alle Bürger haben, sie haben aber kein Nominierungsmonopol. Parteienwahl kann also niemals die Personenwahl aus den Stimmzetteln verdrängen. Ob davon Gebrauch gemacht wird oder nicht kann die Personenwahl nicht ausgeklammert werden.

Der Staat ist kein Staat der Parteien sondern ein Staat des ganzen Volkes. Und Wahlen sind keine Wahlen der Parteien, sondern Wahlen des ganzen Volkes. Alle Bürger können unter vergleichbaren und fairen Bedingungen daran teilnehmen. Jeder, der wählen darf, kann auch gewählt werden. Parteien können selbst und als solche nicht wählen und deshalb selbst und als solche auch nicht zu Mitgliedern der Parlamente gewählt werden. Die Personenwahl steht daher der Verfassung grundsätzlich viel näher als die Parteienwahl.

 

 

 

 

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